Kommentar
08:46 Uhr, 04.08.2015

BIG OIL war gestern

Lange Zeit waren Ölunternehmen mit ihren Dutzenden Milliarden Gewinn, großzügigen Spenden an Politiker und hohen Steuerzahlungen eine Größe, die wirtschaftlichen und politischen Einfluss nehmen konnte. Diese Zeiten sind erst einmal vorbei.

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Im letzten Jahrzehnt war Big Oil unangreifbar. Keine Krise konnte den Unternehmen etwas anhaben. Jetzt sorgt eine hausgemachte Krise für enormen Druck. Viele Ölunternehmen wissen gar nicht, was sie tun sollen. Zu angenehm waren die letzten Jahre. Die Ausgaben stiegen massiv. Die Kosten für Exploration und Produktion konnten nicht hoch genug sein. Kurz: es waren sehr komfortable Zeiten.

Jetzt muss Big Oil abspecken. Die Probleme sind gewaltig und viele Manager wissen anscheinend nicht so recht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Als erste Reaktion kündigen immer mehr Unternehmen Sparprogramme an. Dabei sollen tausende Mitarbeiter entlassen und Investitionen gekürzt werden. Kurzfristig schönt das die Bilanzen, mittelfristig zehrt es jedoch an der Substanz.

Viele Unternehmen wollen nicht nur die Ausgabenseite angehen, sondern auch auf der Einnahmenseite etwas bewegen. Wer hat und wer kann, der verkauft Unternehmensteile. Wie viel das bringen wird ist noch nicht klar, denn man fragt sich, wer in diesen Zeiten hohe Milliardenbeträge auf den Tisch legt, um Assets zu kaufen, deren zukünftige Rendite sehr ungewiss ist.

Während es in den Managementetagen chaotisch zugeht, sind Anleger noch überraschend gelassen. Grafik 1 zeigt die Marktkapitalisierung aller Unternehmen, die bisher Zahlen für das zweite Quartal 2015 vorgelegt haben. Dazu zählen auch die ganz großen Unternehmen wie Exxon und Chevron.

Die Marktkapitalisierung der Produzenten stand Anfang Juli bei knapp einer Billionen USD und deckt zwei Drittel der Gesamtmarktkapitalisierung des Ölsektors ab. Dieser Wert ist stark von Exxon und Chevron geprägt. Allein Exxon bringt es noch auf eine Kapitalisierung von über 300 Mrd. USD.

Seit dem zweiten Quartal 2014 ist der Marktwert um ca. 30% nach unten gegangen. Noch deutlich schwieriger haben es die Serviceunternehmen. Dazu gehören Firmen wie Baker Hughes und Schlumberger. Hier ist auf Sicht eines Jahres ein Rückgang von einem Drittel zu verzeichnen gewesen. Als wäre das noch nicht alles schlimm genug muss man festhalten, dass die meisten Unternehmen noch immer überbewertet sind.

Die Marktkapitalisierung ist heute unwesentlich geringer als im ersten Quartal 2014. Im Vergleich dazu ist der Gewinn jedoch dramatisch zurückgegangen. Grafik 2 zeigt den aggregierten Gewinn der Service- und Produktionsunternehmen. Während die Kapitalisierung um 30% nach unten ging, reduzierte sich der Gewinn um zwei Drittel im Servicesektor und 70% im Produktionsbereich.


Was das konkret bedeutet zeigt Grafik 3. Dargestellt ist die Entwicklung des KGV über die letzten 6 Quartale. Serviceunternehmen notieren zu einem durchschnittlichen KGV von über 40 während es bei Produktionsunternehmen 35 beträgt. Das Mittel der letzten Quartale und Jahre lag eher bei 17, respektive 20.

Anleger zeigen sich optimistisch, was die zukünftige Entwicklung anbelangt. Anders sind die hohen Bewertungen im historischen Vergleich nicht zu erklären. Ein Argument gibt es immerhin für zukünftig stabile Kurse. Das Kurs-Umsatz Verhältnis ist nicht weiter auffällig und im historischen Durchschnitt.

Bei der Beurteilung der Unternehmen nach Umsatz muss man vorsichtig sein. Letztlich kommt es ja nicht so sehr darauf an wie viel Umsatz generiert wird, sondern wie hoch die Marge auf den Umsatz ist. Diese wird sich in den kommenden Quartalen vermutlich wieder stabilisieren und nicht signifikant weiter sinken.
Was Wachstum angeht müssen sich Anleger in naher Zukunft keine Hoffnungen machen. Grafik 5 zeigt die Umsatzentwicklung der letzten Quartale. Bei Produktionsfirmen ging es in Q2 2015 wieder leicht bergauf. Das ist einem gestiegenen Ölpreis in Q2 zu verdanken. Dieser Bonus ist nach dem Preisverfall im Juli für das dritte Quartal wieder weg.

Vergleicht man die Umsatzentwicklung der Produzenten und der Serviceunternehmen, dann erkennt man schnell wie unterschiedlich der Verlauf ist. Während der Umsatz im Produktionsbereich seit Anfang 2014 sank stieg der Umsatz im Servicebereich noch. Das liegt daran, dass Förderer spät auf die Ölpreisentwicklung reagiert haben und viele der Verträge mit Dienstleistern über Jahre hinweg geschlossen werden.

Jetzt beginnt ein Verhandlungsmarathon zwischen Produzenten und Serviceunternehmen. Die Preise in den Verträgen sind hoch und die Laufzeiten lang. Bei niedrigen Ölpreisen ist das keine gute Mischung. Produzenten drängen daher darauf die Verträge neu zu verhandeln. Das wiederum drückt erheblich auf die Marge der Serviceunternehmen. Der Trend wird sich noch bis Ende 2015 fortsetzen.

Die hohe Bewertung der Branche lässt den Aktienkursen noch viel Luft nach unten. Das hat sich bisher noch nicht materialisiert, weil Anleger immer noch von einer baldigen Trendwende ausgehen. Steigen Umsatz und Gewinn ab 2016 wieder, dann lässt sich eine Überbewertung nach KGV kurzzeitig rechtfertigen. Mit wieder steigenden Gewinnen reduziert sich das KGV dann ganz automatisch. Der Glaube, dass es so kommen wird, hält sich derzeit noch beharrlich. Tatsächlich aber müssen sich Anleger auf eine längere Durststrecke einstellen. Die Ölpreise drohen auf Jahre hinweg unterdurchschnittlich niedrig zu bleiben. Setzt sich die Erkenntnis durch, dann sollten Aktien der Branche weitere 20 bis 30% nachgeben.

Auch die Bemühungen der Manager kurzfristig die Bilanz über Sparprogramme zu schönen wird den Bewertungen nur bedingt helfen. Die Kosten sind an zu vielen Stellen zu hoch. Bis die Kosten gesenkt und die Unternehmen wieder einigermaßen effizient sind, vergehen Jahre. Wie dramatisch die Lage ist verdeutlicht der Gewinn von Exxon in der Förderung. Dieser war in Q2 so niedrig wie seit 2002 nicht mehr. Damals lag der Ölpreis 40% unter dem heutigen Niveau. Vereinfacht kann man sagen, dass Exxons Kosten heute doppelt so hoch sind wie vor 13 Jahren. Bis das korrigiert ist vergeht viel Zeit. Anleger müssen wohl länger auf einen Turnaround warten.

Die gesamte Branche hat ein Kostenproblem. Das heißt jedoch nicht, dass es nicht bei einzelnen Unternehmen gute Einstiegsmöglichkeiten gibt. Gerade jetzt, da der Ölpreis wieder ins Bodenlose fällt, ist teils Panik zu erkennen. Anleger neigen gerade beim Ölpreis selbst wie auch bei einigen Unternehmen zu einer Übertreibung. Da können sich innerhalb der nächsten Tage Chancen für kurz- bis mittelfristige Trades ergeben.

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    Ähnliche Probleme sind auch bei Goldminen denkbar. Eine langwierige Schrumpfkur wegen explodierten Kosten.

    17:06 Uhr, 04.08.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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