Analyse
07:17 Uhr, 07.06.2018

Zieht uns die Deutsche Bank alle nach unten?

Für Aktionäre der Deutschen Bank ist die Aktie eine Gefahr. Auf Sicht von 1, 3, 5 oder 10 Jahren hat man einen Verlust eingefahren. Die Deutsche Bank ist aber auch für den Rest von uns ein Risiko

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  • Deutsche Bank AG
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    Kursstand: 9,558 € (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • Deutsche Bank AG - WKN: 514000 - ISIN: DE0005140008 - Kurs: 9,558 € (XETRA)

Ob sich Aktionäre an einen einstelligen Kurs gewöhnen müssen, bleibt abzuwarten. Die Bank hat ja theoretisch 60 Mrd. an Eigenkapital und ist an der Börse lediglich 20 Mrd. wert. Selbst wenn man etwas strengere Maßstäbe ansetzt, liegt das materielle Nettovermögen je Aktie bei mehr als 20 Euro, also mehr als dem Doppelten des aktuellen Aktienkurses.

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Dass die Aktie so niedrig bewertet ist, hat mehrere Gründe. Notiert ein Unternehmen so deutlich unter Buchwert, erwarten Aktionäre, dass in Zukunft Wert vernichtet wird. Andernfalls macht ein so hoher Discount keinen Sinn. Anleger gehen von weiteren Verlusten aus. Das reduziert das Eigenkapital und führt zu einer Verringerung des Discounts.

Die Bank selbst beteuert, dass sie so langsam alles wieder im Griff hat und wieder Gewinne schreiben wird und nicht weiter Wert vernichtet. Das will bisher niemand so recht glauben. Die Vertrauenskrise ist zu groß. Ein paar Worte des neuen CEOs reichen nicht, um das Vertrauen wiederherzustellen.

Der Vertrauensverlust ist durchaus gerechtfertigt. Betrachtet man die Gewinne und Verluste der Deutschen Bank (DB) seit 1975, so hat das Unternehmen bis 2008 immer geliefert. Die Gewinne stiegen von wenigen 280 Mio. DM auf 7 Mrd. Euro im Jahr 2007. Dann kam der große Verlust im Jahr 2008.


Den Verlust im Jahr 2008 konnte man noch verzeihen. Die Deutsche Bank überstand die Krise im Vergleich zu so manch anderer Bank vergleichsweise gut. 2009 gab es schon wieder einen Milliardengewinn. Alles schien in Ordnung.

Dann kam ein Rechtsstreit nach dem nächsten. Dazu sollte die Postbank zunächst ganz übernommen, dann verkauft und letztendlich dann doch wieder integriert werden. Eine klare Linie sieht anders aus. Zudem schlagen sich die Probleme in der Bilanz nieder. Seit 2015 gibt es nur Verluste.

Das ist man nicht gewöhnt. Die Deutsche Bank hat auf ihrer Website ein Archiv von allen Jahresberichten seit 1870. Von 1944 bis 1952 gibt es eine Lücke. Geht man diese Berichte durch, rechnet Taler, Mark, Reichsmark und DM in Euro um und bereinigt die Daten um die Inflation, so ergibt sich ein Bild wie in Grafik 2.

Die Bank schrieb in allen Jahren, zu denen Daten verfügbar sind, Gewinne. Die Werte sind inflationsbereinigt und berücksichtigen die zahlreichen Währungsumstellungen, sodass die Gewinne vergleichbar sind.

In 140 Jahren schrieb die Bank keine (bekannten) Verluste. Jetzt jagt eine Hiobsbotschaft die nächste. Kein Wunder, dass das Vertrauen fehlt. Es steckt aber noch mehr dahinter. Während die meisten früheren Investmentbanken ihr Geschäft saniert und diversifiziert haben, bleibt die DB ihrer alten Linie treu.

In den Büchern stehen immer noch ungeheure Zahlen. Die Nominalbeträge der Derivate stehen schon wieder bei knapp 50 Billionen Euro. Nach der Finanzkrise wollte man das Geschäft eigentlich nicht unbedingt ausbauen...

Im Jahr 2011 erreichten die Nominalbeträge ein Hoch bei knapp 60 Billionen. Danach gab es eine Schrumpfkur bis auf 42 Billionen. Nun lässt sich wieder ordentliches Wachstum in diesem Bereich erkennen. Das widerspricht der Erwartung, die das Management geweckt hat. Eigentlich hieß es, man wollte sich mehr auf das klassische Bankgeschäft stützen und weniger auf das Investmentbanking. Davon ist wenig zu sehen (Grafik 3).


Die Bilanzsumme der DB (1,478 Billionen) wirkt im Vergleich zu den Derivaten bescheiden. Die Bilanzsumme ist aber immer noch ordentlich und fast doppelt so hoch wie die von Morgan Stanley, einer Investmentbank, die Milliardengewinne schreibt.

Die Bilanz – und damit das Risiko – ist für die Profitabilität der DB einfach zu groß. Die Bank fährt zu viel Risiko für zu wenig Ertrag. Man darf sich natürlich nicht von den Zahlen zu sehr blenden lassen. Einige fokussieren sich immer stark auf die Nominalbeträge der Derivate. 50 Billionen klingt schon gigantisch. Das ist es natürlich auch, doch den meisten Positionen stehen Gegenpositionen gegenüber. Netto liegt das Risiko im unteren zweistelligen Milliardenbereich.

Lesen Sie dazu auch: DEUTSCHE BANK und die 46 Bio: Wie gefährlich sind die Derivate?

Dennoch: die DB hat gut 60 Mrd. an Eigenkapital (Grafik4). 2008 musste sie 10 Mrd. an Wertverlusten auf Finanzinstrumente verbuchen. Das kann jederzeit wieder passieren. Dazu zehren die Rechtsstreitigkeiten die Reserven auf. Keiner weiß, wie viel da noch kommt. Vielleicht sind es noch einmal 10 Mrd. Addiert man einen Verlust aus der Geschäftstätigkeit wie 2008 hinzu, reduziert sich das Eigenkapital in sehr großen Schritten. Das Sicherheitspolster erscheint plötzlich gar nicht mehr so groß.

Die Derivate bzw. weiter gefasst das ganze Investmentbanking liegen Anlegern wie ein schwerer Stein im Magen. Eine Sache ist das Risiko. Das ist durchaus beachtlich. Die DB hat dazu einen Marktanteil am globalen außerbörslichen (OTC) Markt von fast 8 % (Grafik 5). Vor der Krise war es sogar weniger.

Man fragt sich als Investor schon, wie eine Bank behaupten kann, dass sie andere Geschäftsfelder favorisiert und dann trotzdem solche Zahlen ausweist und im globalen Kontext die Position sogar noch ausbaut. Der Geschäftsbereich kann profitabel sein, aber muss man gleich 8 % des globalen Marktes haben?

Das Risiko ist die eine Sache, das Gebaren der Bank die andere. Die DB hat mehrfach unabsichtlich Milliarden überwiesen. Das konnte korrigiert werden. Es zeigt aber, dass die DB in ihre Risikokontrolle anscheinend nicht im Griff hat. Das operationelle Risiko scheint unverhältnismäßig hoch. Eine Ex-Managerin fasst es ja vor wenigen Monaten so zusammen: die Deutsche Bank ist das dysfunktionalste Unternehmen, in dem die Managerin je gearbeitet hat.

Die Managerin war IT-Chefin. Wenn die IT in einem so großen Unternehmen nicht stimmt und das Management nicht funktioniert, dann ist das per se ein gigantisches Risiko. Keiner weiß, wann und ob die DB das in den Griff bekommt. In den letzten 7 Jahren hat es nicht funktioniert.

Die Deutsche Bank ist mit ihrer gigantischen Bilanzsumme und Dysfunktionalität wie ein großer Tanker im Hafen. Der Antrieb und die Steuerung des Tankers funktionieren nicht richtig. Bis ein Unfall geschieht, ist nur eine Frage der Zeit. Wie viel bei diesem Unfall beschädigt und mitgerissen wird, sei dahingestellt.

Lesen Sie dazu auch: Deutsche Bank - Jetzt billig einsteigen?

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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