Kommentar
13:22 Uhr, 02.07.2015

Worum es in Griechenland wirklich geht...

„Würden die Menschen unser Finanzsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh“. Nie war das Zitat von Unternehmerlegende Henry Ford aktueller als in diesen turbulenten Tagen.

Nur noch wenige Stunden bis zum Referendum in Griechenland. Wenn alles planmäßig verläuft, dann wissen wir am Sonntagabend, ob die Griechen bei einem „Nein“ zu den Sparvorschlägen aus Brüssel weiter ausgehungert werden - oder ob die Europäische Union (EU) bei einem „Ja“ der Bevölkerung die vermeintlich „rettende Geldspitze“ großmütig wieder ansetzt.

Was für ein entwürdigendes und menschenverachtendes Schauspiel inmitten eines angeblich geeinten Europa.

Dabei fängt die europäische Krise jetzt erst so richtig an: Werden die Sparvorschläge der EU am Sonntag angenommen, dann wird die griechische Regierung aller Voraussicht nach geschlossen zurücktreten. Anschließend sind Neuwahlen unvermeidlich, die jedoch nach Lage der Dinge völlig anders verlaufen könnten, als sich Brüsseler Technokraten das heute vorstellen werden.

Denn die Griechen sind ja nicht blöd und haben das falsche Spiel längst durchschaut:

Der „unerhörte Affront“, das Volk zu befragen wurde von der EU postwendend bestraft: Wer nicht spurt, und die Dinge im Sinne Brüsseler Technokraten regelt, und wer sich dabei nicht an jene „Gesetze“ hält, die von den gleichen Technokraten pausenlos gebrochen werden, dem wird der Geldhahn zugedreht.

So einfach ist das. Und weil das jeder versteht, könnten sich schon bald „überraschende“ Dinge ereignen:

Mancher Grieche könnte etwa der Versuchung erliegen, der EU einen Denkzettel zu verpassen und bei Neuwahlen erst Recht für Syriza stimmen. Verfügen Tsipras und Varoufakis also schon bald über eine komfortable Zweidrittelmehrheit, weil die griechische Bevölkerung aus Rache an den Gelddiktatoren der EU ihr Kreuz an der „falschen“ Stelle gemacht hat?

Wir werden sehen...

In Wahrheit geht es bei der Entscheidung der Griechen am Sonntag natürlich nur vordergründig um den Euro oder um die EU. In Wahrheit liegen die Probleme sehr viel tiefer: Sie sind den zentralen Mechanismen unseres Geldsystems geschuldet, die nicht verschwinden werden, ganz gleich wie sich die Griechen entscheiden.

Um das klar zu sagen: Egal, was am Sonntag passiert oder auch nicht passiert – nach Lage der Dinge wird damit kein einziges Problem gelöst. Der Tag der Entscheidung wird lediglich ein weiteres Mal mehr oder weniger weit in die Zukunft verschoben.

Deshalb kann man schon heute prognostizieren, wie das alles weitergehen wird, sofern keine radikale Umkehr eingeleitet wird:

Sagen die Griechen am Sonntag „Nein“ zu den Brüsseler Sparvorgaben, dann war es das mit dem Euro in Griechenland. Die Entwicklungen dürften sich dann stark beschleunigen. Sagen die Griechen jedoch „Ja“, dann haben die „Euroretter“ ein weiteres Mal (ein wenig) Zeit gewonnen. Wird das Referendum doch noch abgesagt, dann wird so weitergewurstelt wie bisher.

Um an dieser Stelle wieder bei Henry Ford anzuknüpfen:

Weil immer offensichtlicher wird, derzeit eben durch die Ereignisse in Griechenland, dass wir uns in einer Sackgasse befinden, geht es in Wahrheit um die Frage, ob wir uns auch in Zukunft ein Finanzsystem leisten wollen, bei dem Banken Geld aus dem Nichts erschaffen. Und es geht um die Frage, ob wir ein Wirtschaftssystem wollen, das unter allen Umständen Wachstum erzeugen muss, weil es zusammenbricht, wenn dieses Wachstum ausbleibt.

Um das zu verdeutlichen: Aus 1.000 Euro an „echtem Geld“ machen die Banken des bestehenden Geldssystems ungefähr 100.000 Euro an ungedecktem Schuldgeld. 99 Prozent dieser Summe, nämlich 99.0000 Euro bestehen aus „heißer Luft“ – doch für diese Luftnummer, die sie ohne jede Gegenleistung erbringen, verlangen die Banken nicht nur Zinsen.

Zusätzlich lassen sie sich ihre „Großzügigkeit mit der Übertragung von Sachwerten versüßen. Aus diesem Grund verlangt die EU jetzt, dass die Griechen für den Schuldendienst ihr Tafelsilber veräußern. Euphemistisch wird in diesem Zusammenhang von „Privatisierungen“ gesprochen, was nichts anderes meint, als dass ein Volk, in diesem Fall die Griechen, zur Bedienung ihrer Schuldzinsen das Volksvermögen veräußern soll.

Heute sind es die Griechen, die vor dieser Entscheidung stehen – doch weil der systeminhärente Wachstumszwang unerbittlich ist, wird es morgen Italiener, Spanier und Franzosen treffen. Denn die Mechanismen der immer weiter anwachsenden Verschuldung sind neben der Geldentstehung das eigentliche Problem unseres Finanzsystems:

Nur mit immer mehr Wirtschaftswachstum lassen sich die bestehenden Strukturen weiter „füttern“. Nur mit immer mehr Schulden lässt sich das so dringend benötigte Wachstum erzeugen, lassen sich die Zinsen weiter bedienen.

Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auch noch die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates ins Spiel zu bringen. Natürlich spielt dieser Aspekt ebenfalls eine wichtige Rolle. Vor allem, weil sich die Politik damit erpressbar gemacht hat.

Wem das alles völlig geisteskrank vorkommt, der hat den Kern der Sache schon beinahe erfasst und er wird verstehen, warum sich Henry Ford schon vor mehr als 100 Jahren so unmissverständlich geäußert hat.

Die Schlussfolgerung lautet:

Alles andere eine tiefgreifende Reform unseres Geld- und Wirtschaftssystems wird uns früher oder später immer wieder zu der Frage bringen, welche Maßnahmen zur „Rettung“ der bestehenden Strukturen denn noch ergriffen werden könnten: Das können Schuldenschnitte sein, verlängerte Zahlungsziele, Negativzinsen, Bargeldverbote und all der andere Unsinn.

Am Ende werden wir immer vor der Frage stehen, was wir wirklich wollen. Die Griechen können diesen Prozess der Erkenntnis am Sonntag stark beschleunigen. Oder sie können ihn weiter hinauszögern.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger...

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

138 Kommentare

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  • bananenbully.
    bananenbully.

    Wer von Tsipras und Co. eine Rücktritt verlangt hat oder Neuwahlen bei einem Ja, sollte nun selbst auch so fair sein und seinen Posten räumen :-)

    20:42 Uhr, 05.07. 2015
    2 Antworten anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    na das ist doch super such dir 1Mio gleichgesinnte und Ihr habt die Buddelkiste voll

    14:49 Uhr, 05.07. 2015
  • kalinaw
    kalinaw

    Zum eigentlichen Thema: Wer schon jetzt das Wahlergebnis wissen möchte kann sich hier ein eigenes Bild verschaffen. http://gerhardschneider.at/2015/07/05/was-deutsche...

    Im Übrigen wird die bevorstehende magnetische Umpolung der Erde alle diese Probleme aus der Welt schaffen. Warun wohl sind die uns beherschenden Eliten schon vor geraumer Zeit in ihre strahlungssicheren Bunker umgezogen, sicher nicht aus Angst vor den angeblich so bösen Russen! Wenn der Pol zukünftig am Ostende von Russland seine neue Position finden wird, ändert sich auch in Deutschland das Klima etwas, vielleicht analog der Kanaren? Besorgt Euch schon einmal einen Raumanzug gegen die Kosmische Strahlung und Erbeben sichere Quartiere. Warum wird uns das Wesentliche verschwiegen? Noch findet Ihr alle Beweise im Netzt.

    Mit noch sonnigen Grüßen Jürgen

    13:09 Uhr, 05.07. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Schnörkellos
    Schnörkellos

    ..was mich ungemein verärgert, hr.W.W. Löscht Kommentare von User, die ihm intellektuell zu schaffen machen..Kommentare mit unsäglichen verunglimpfungen bleiben bestehen..Das eigene Ego zählt mehr als das allgemeine empfinden..wie in Griechenland..

    21:06 Uhr, 04.07. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Chronos
    Chronos

    Renter vergessen, mea culpa tausche Frau mit Kind gegen Rentner, ist ja auch der größte Anteil der Leserschaft hier und dort.

    Tolle Vorbilder für unsere Jugend

    20:12 Uhr, 04.07. 2015
  • Schnörkellos
    Schnörkellos

    ..Es ist erfrischend zu lesen, dass hier nicht jeder missliebige beitrag gelöscht wird, wie in anderen Threads bei gmt..

    17:57 Uhr, 04.07. 2015
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    2010 wurden auf Kosten des europäischen BÜRGEN (daraus leitet sich der gemeine Bürger ab) für die in Griechenland zockenden italienischen und französischen to Big to fail Banken die Kohlen aus dem Feuer geholt. Pleite war Greece damals schon und heute ist es megapleite. Dimitris Pleitidis der griechische Normalbürger, war den Europathen damals nicht wichtig und den haben die Jungs auch heute nicht auf dem Zettel stehen. Wichtig ist das kaufen von Zeit und das aufrechterhalten des Status Quo, koste es was es wolle. Die Lebenslüge Euro darf niemals scheitern.

    Protagonisten wie der bekennende Lügner Juncker, sind sich für nichts zu schade und werden noch vom Endsieg faseln, wenn der Führerbunker bereits sturmreif geschossen ist.

    Zitat Juncker vom Mai 2014:

    Ich sage allen, die gegen Griechenland und Europa wetten: Ihr habt verloren und Griechenland hat gewonnen.

    Tja Herr Juncker, da sag ich nur, sehen so Gewinner aus, wenn die abendliche Tagesschau die neuesten Bilder aus Griechenland sendet?

    Übrigens, die Monsterkrise 2008 begann schleichend, die Probleme waren zwar offensichtlich, aber niemand scherte sich darum, ganz ähnlich wie im Frühjahr 2015. Hochdekorierte Ökonomen, Politiker, Zentralplaner wie Bernanke, sie alle versicherten den andächtig lauschenden Zuhörern, es gebe keine Probleme, keine Ansteckungsgefahren, keinen einzigen Grund sich irgendwelche Sorgen zu machen, bla, bla, bla, bla, bla.

    Zur selbstlos helfenden Hand des IWF für alle systemtreuen Staaten der Welt, die sich in einer Schieflage befinden, fällt mir noch eine nette Anekdote ein:

    Die letzten Menschenfresser in den endlosen Regenwäldern des brasilianischen Urwalds haben zwei Touristen gekidnappt und rösten sie am Spieß über kleiner Flamme. Sagt der eine Menschenfresser zum anderen: Kollege du musst den Spieß schneller drehen, du hastdie Chefin vom IWF überm Grill, wenn du so langsam weiterdrehst, dann klaut sie dir die Kohlen aus dem Feuer.

    16:29 Uhr, 04.07. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • 2 Antworten anzeigen
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    3433

    Na, Prost: US-Firma (Goldman Sachs) führt die Auszählung des Griechenland-Referendums aus

    (Redaktion) Meldung von Christoph Hoerstel: Griechenlands Abstimmungen und Wahlen werden von einer US-Firma mit engster Goldman-Sachs-Verbindung durchgeführt: Die Firma Singular Logic ist in Business Software und Regierungsaufträgen bis hin zu geheimhaltungspflichtigen Aufträgen aus dem Verteidigungsministerium und im NATO-Rahmen bestens im Geschäft - und bearbeitet im Auftrag des Innenministeriums auch Wahlen.


    Lieb Vaterland, magst ruhig sein ... dann ist ja alles geritzt. Wenn Goldman Sachs mit im Boot ist, dann braucht sich niemand mehr Gedanken darum zu machen, wie die Volksabstimmung wohl ausgehen wird. Nämlich so, wie sich Goldman Sachs das wünscht.

    Die Firma "SIngularlogic" sitzt in Athen. Ausweislich eigener Internetseite ist sie auch befähigt, Wahlen zu organisieren und die Auszählung vorzunehmen.

    Sie gehört zur MARFIN Investment Group (Screenshot, siehe gelbe Markierung weiter unten)

    Am 18. Dezember 2014, als sich abzeichnete, daß Syriza die Regierung übernehmen könnte, kaufte die US-Investmentfirma KKR die Singular Logic-Mutterfirma MIG.

    Die Führungsspitze von KKR arbeitet zusammen mit Goldman Sachs (und anderen). Goldman Sachs - genauer gesagt, Mario Draghi - hat damals Griechenlands Bilanzen so ... optimiert (!), daß das damals schon arg defizitäre und wirtschaftsschwache Griechenland seinen Einzug in die Eurogruppe schaffte. Die Verbindungen zwischen KKR und Goldman Sachs sind sogar schon in Wikipedia aufgeführt und auch ansonsten gut dokumentiert:

    http://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/aktien/goldman-sachs-und-kkr-finanzinvestoren-machen-kasse-mit-kion-aktien/9300806.html

    http://www.manager-magazin.de/unternehmen/industrie/europas-groesster-gabelstapler-konzern-kkr-und-goldman-steigen-aus-a-1026224.html
    Henry R. Kravis ist einer der Inhaber und das zweite "K" von KKR (Kohlberg, Kravis, Roberts & Co) und war Gast beim diesjährigen Bilderberger Treffen.
    Im Oktober 2010 stellte KKR neun Börsenleute und Trader von Goldman Sachs

    14:27 Uhr, 04.07. 2015
    2 Antworten anzeigen