Kommentar
07:18 Uhr, 08.06.2018

Die Billionen-Euro-Bombe in der Bundesbankbilanz

Nach einem leichten Rückgang im April springt der umstritten debattierte TARGET2-Saldo auf einen neuen Rekordwert. Die Bundesbank hat nun Forderungen gegen das ESZB (Europäisches System der Zentralbanken) in Höhe von gut 956 Mrd. Euro. Die Billion ist nicht mehr weit, vielleicht nur einen Monat entfernt.

Die Vermutung liegt nahe, dass es wieder zu Kapitalflucht in Richtung Deutschland kommt. Die üblichen Erklärungen ziehen nicht für diesen doch drastischen Schub von über 50 Mrd. Euro in einem einzigen Monat, zumal parallel die Target2-Verbindlichkeiten der italienischen Zentralbank um rund 39 Mrd. Euro auf 465 Mrd. Euro gestiegen sind - sicherlich kein Zufall.

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Quelle: Bundesbank

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Die Politik schweigt das Thema nach wie vor mehr oder weniger tot. Es ist ja auch kein größeres Problem, WENN die Eurozone so erhalten bleibt, wie sie aktuell ist. Seit dem Flirt der neuen italienischen Regierung mit einem potenziellen Euro-Austritt muss man sich mit dem Undenkbaren aber wieder auseinandersetzen. Was wenn doch?

Zwar steht Mario Draghis Aussage im Raum: "If a country were to leave the Eurosystem, its national central bank’s claims on or liabilities to the ECB would
need to be settled in full."

Aber was machen wir, wenn das die Italiener oder wen auch immer einfach "nicht juckt" ?

Hans-Werner Sinn sagt sogar gerade heraus, dass das Geld verloren ist.

Um was geht es, extrem vereinfacht

Aufs Minimum simplifiziert: Jedes Mal, wenn aus einem Euroland NACH Deutschland Geld überwiesen wird, steigt isoliert betrachtet der Saldo. Jede Mal, wenn AUS Deutschland in ein Euroland Geld überwiesen wird, sinkt der Saldo.

Deutschland verfügt über einen hohen Exportüberschuss mit der Eurozone, es fließt also gegenläufig zum Warenfluss mehr Geld nach Deutschland als aus Deutschland heraus.

Den Exportüberschuss gab es auch früher schon, aber inzwischen legen Deutsche ihr Geld nicht mehr so gerne im Ausland an (dies hat für eine Teilfinanzierung der Importüberschüsse der Abnehmerländer gesorgt) und Ausländer dafür umso lieber in Deutschland. Auch wichtig: Der Interbanken-Markt läuft nicht mehr so glatt , weil sich Banken grenzüberschreitend nicht mehr so vertrauen wie früher. Das gilt natürlich in besonderem Ausmaß für die Banken in den Krisenstaaten.

Warum ist das denn überhaupt ein Problem?

Lesen Sie dazu am besten mein Interview mit Prof. Hans-Werner Sinn, das ich vor 6 Jahren geführt habe (damals bei einem Target2-Stand von 500 Mrd. Euro)

Was kann man machen ?

- Die Regeln müssten so geändert werden, dass nationale Zentralbanken ihre Salden regelmäßig ausgleichen müssen (so wird das in den USA gehandhabt). Die politische Chance dafür dürfte nahe Null sein, denn dafür müssten "harte" Vermögensgegenstände wie z.B. Gold übertragen werden.

- Deutschland könnte im Euro-Ausland Vermögen in riesigem Umfang erwerben, müsste aber dazu den Mut aufbringen und würde vermutlich auf massiven Widerstand stoßen in einer Zeit, in der man europaweit den Deutschen ohnehin unterstellt, Europa unterdrücken zu wollen.

- Bürger und Unternehmen mit Konten in Deutschland könnten massenhaft Vermögen im Ausland erwerben.

- Die Zinsen auf Einlagen in den anderen Euro-Staaten müssten deutlich höher sein als bei uns, um Anreize zu schaffen, Gelder dorthin zu transferieren.

- Die deutsche Politik könnte umorientiert werden in Richtung einer mindestens ausgeglichen Leistungsbilanz mit anderen Euro-Staaten.

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10 Kommentare

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  • Sputnik1648
    Sputnik1648

    Moin, moin,

    nur kurz, aber das Geld (die Forderungen) sind m.E. sicher nicht werthaltig. Jedes bilanzierende Unternehmen hätte hier eine Teilwertabschreibung auf diese Forderungen machen müssen.

    Irgendwie erinnern mich die EU-Staaten an Hotelgäste, die jeden Kredit beim Hotelbesitzer bekommen und alles auf ihre Zimmernummer schreiben lassen. Natürlich ist unserem Hotelbesitzer (EU) bekannt, dass große Teile seiner Kundschaft pleite sind. Würde er also die Rechnung präsentieren, dann käme der Schwindel ans Licht. Dieses ist aber von den Regierungen unerwünscht, also wird nie eine Rechnung päsentiert werden. Ergo läuft dieses Kasperle-Theater für Erwachsene weiter wie gewohnt, man kann auch sagen, Reformationsunwillig bzw. -unfähig.

    Nun wird sicher der Knall nicht entschärft, nur der Zeitpunkt der Detonation wird weiter in die Zukunft verlegt. Und noch eins, ich denke unsere aktuellen Poliltiker können sich selbstverständlich an nichts erinnern. Na dann, viel Spass.

    15:49 Uhr, 10.06.2018
  • conexant
    conexant

    Deshalb sollte man sein Vermögen breit diversivizieren.

    09:02 Uhr, 09.06.2018
  • JürgenSK
    JürgenSK

    Die Target- Salden sollen zum Teil doch auch ein Zahlungsvorschuss sein. Deutsche Unternehmen verkaufen im Ausland Waren, die aber nicht immer sofort bezahlt werden, deswegen bei der Bundesbank angeschrieben werden. Die Bundesbank schiest das Geld vor und überweist es an deutsche Unternehmen..liest man zumindest öfter...

    10:43 Uhr, 08.06.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Elchness
    Elchness

    Und wenn die anderen Eurostaaten einfach nicht zahlen, warum lassen wir dann nicht einfach die Bundesbank pleite gehen und gründen eine Neue?

    Die Geschäftsbanken in DE haben ihr Geld doch bekommen. Die Bilanz der Bundesbank ist doch sowieso nur virtuell. Wem genau würde es schaden, wenn man die dicht macht und eine neue wieder aufmacht?

    09:49 Uhr, 08.06.2018
    2 Antworten anzeigen
  • einfach
    einfach

    ein kleines gedankenspiel.

    sagen wir einmal die italienische regierung würde sich mit einer beherrschenden mehrheit an einer bank beteiligen, die am nationalen staatsanleihen auktionsmarkt registriert ist.

    nehmen wir weiter an diese bank gibt dem staat einen null zins kredit auf 30 jahre.

    mit diesem kredit löst der staat die target 2 forderungen bei der bundesbank ab.

    sollte dann bei einem austritts scenario diese bank pleite gehen oh sorry wie konnte das nur passieren.

    nur so ein gedanke.

    22:25 Uhr, 07.06.2018

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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