Kommentar
10:31 Uhr, 11.02.2015

Bankrun in Griechenland: Wie aus ELA TARGET2 wird

Ab heute können griechische Staatsanleihen nicht mehr für Refinanzierungsgeschäfte von Geschäftsbanken mit der EZB genutzt werden. Ab heute sind ELA die letzte Hoffnung für griechische Banken. Und vielleicht der Albtraum der anderen Euro-Staaten.

Das erhebliche Risiko, dass sich aus diesen Notfallkrediten ergibt, trägt formal die nationale Zentralbank bzw. der dahinter stehende Staat. Also Griechenland. Aber ist das wirklich so? Wie das ELA-Risiko wiederum zwangsvergemeinschaftet wird, zeige ich Ihnen anhand des TARGET2-Mechanismus.

Man kann es kompliziert erklären, und das wird auch gerne getan, aber es geht auch recht einfach.

Fall 1: ein Bankkunde überweist innerhalb eines Landes Geld von einer Bank zur anderen. Also angenommen die Deutsche Bank gewährt Ihnen 100 TSD EUR Kredit, und Sie überweisen diese Summe auf Ihr Commerzbank-Konto. Passiert ist folgendes:

Schritt 1: Die Deutsche Bank schafft 100 TSD EUR neues Geld (Giralgeldschöpfung)

Schritt 2: Die Deutsche Bank “verliert” 100 TSD EUR Zentralbankgeld (Bundesbank)

Schritt 3: Die Commerzbank “gewinnt” 100 TSD EUR Zentralbankgeld (Bundesbank)

Schritt 4: Sie haben jetzt 100 TSD EUR Guthaben auf dem Commerzbank-Konto.

Nahezu identisch wäre es übrigens gewesen, hätten Sie das Geld in bar abgehoben und in bar wieder eingezahlt.

Fall 2: Griechischer Bankkunde überweist 100 TSD EUR seines Bestandes von der Alpha Bank zur Commerzbank in Deutschland. Was passiert?

Schritt 1: Die Alpha Bank “verliert” 100 TSD EUR Zentralbankgeld bei der griechischen Zentralbank.

Schritt 2: Die Commerzbank “gewinnt” 100 TSD EUR Zentralbankgeld bei der Bundesbank.

Schritt 3: Kunde hat 100 TSD EUR Guthaben bei der Commerzbank

Schritt 4: Die Bundesbank hat eine 100 TSD EUR Forderung gegen die griechische Zentralbank (Abwicklung über TARGET2)

So, jetzt wird es spannend. Jetzt kommt nämlich ELA ins Spiel. Wenn mehr und mehr Kunden Gelder transferieren (oder abheben), dann geht der Alpha Bank (und nicht nur der) das nötige Zentralbankguthaben aus, um die Kundenwünsche zu befriedigen. Irgendwann wäre einfach Schluss und die Bank müsste dicht machen. Über die ELA wird dieser Punkt aber nach hinten verschoben. Denn ELA bedeutet neues Zentralbankgeld!

In dem Maße, wie dieses neu "gedruckte" Geld dann ins Ausland überwiesen wird, steigt (unter sonst gleichen Bedingungen) der TARGET2-Saldo. Im Januar lagen die Forderungen der Bundesbank gegen das EZB-System bei 515 Mrd. EUR (so hoch wie seit November 2013 nicht mehr).

Übrigens kleines Detail am Rande: Eine Spur besser für Deutschland wäre es, würden die Griechen ihr Geld in cash abheben und in cash wieder einzahlen. Dann entsteht zumindest die Target2-Forderung nicht...

Aber was ist das Problem?

Das wird erst so richtig offensichtlich, wenn der auf Ewigkeit angelegte Euro auseinanderfliegt.
Es ist schon für den Fall des Austretens eines Landes völlig unklar, was passieren soll mit der Target-Verbindlichkeit der entsprechenden nationalen Zentralbank. Vollends chaotisch würde es bei einem kompletten Ende des Euro. So lange alle zusammen bleiben, handelt es sich “nur” um Buchungsposten. Aber wer glaubt noch daran?

ELA gehen also alle an!

Es ist mitnichten so, dass das Risiko nur bei dem jeweiligen Staat liegt. Im Euro haftet leider in der Realität jeder für jeden mit, auch ohne Eurobonds.

18 Kommentare

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  • hedele
    hedele

    Sehr geehrterr Münsterländer,

    nun bin ich nicht Herr Kühn, aber vielleicht weiß ich dennoch die Antwort:

    Man muss die Verschuldung der Bank und die des Staates gedanklich trennen: Die privaten Banken "erzeugen" mit Abstand das meiste Geld, indem Sie, wie Sie richtig schreiben, in dem sie bis zum Anteil ihrer bei der EZB hinterlegten Mindestreserve (etwa 1%) und im Rahmen der von Basel III vorgegebenen Eigenkapitalquote (z.B. 8%) aus den Einlagen ihrer Kunden Giralgeld mit jeder Ausgabe eines neuen Kredits an neue Kunden schaffen ("fiat money") und diesen Kredit der Zentralbank anzeigen. Das geht solange gut, wie nicht alle Kunden zur selben Zeit ihr Geld zurückfordern (bank run). In diesem Fall springt aber der Staat gemäß EU-Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsrichtlinie ein. In Deutschland erfolgt dies durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB), die bis 100.000 EUR Einlagen pro Bankkunden und bis 20.000 Wertpapiereverbindlichkeiten absichert. Darüber hinaus gibt es weitere eigene Sicherungssysteme der Banken (der freiwillige Einlagensicherungsfond) und Sparkassen (Gesamtschuldnerische Haftung auch für Schuldverschreibungen und Zertifikate). Dieses System ist aber zweifellos dann überfordert, wenn a l l e Banken eines Landes gleichzeitig Probleme bekommen. In diesem Fall wird ein Staat wie in Weimarer Republik zu weitreichenden Verstaatlichungen und Schuldübernahmen aus dem Staatshaushalt greifen. Das wird auch Griechenland tun.

    Daneben gibt es eine weitere Möglichkeit der Banken, sich Geld zu verschaffen, wenn die eigenen Anleger ausbleiben oder nicht genug einzahlen: Sie können eingekaufte Wertpapiere bei der EZB hinterlegen und erhalten dafür einen Kredit aus Frankfurt zum Hauptrefinanzierungssatz. Die Wertpapiere werden nur mit einem vorher festgelegten Abschlag akzeptiert, je nachdem, wie die EZB das Wertpapier einschätzt, mit einer Ausnahme: Staatsanleihen gelten als so sicher, dass der Abschlag, wie Sie richtig schreiben, 0% beträgt. Staatsanleihen sind deshalb die beliebteste Einlageform, auch weil sie bei einem expandierenden Staatshaushalt immer leicht zu bekommen sind. Auf diese Weise werden aus Schulden des Staates Einlagen der Bank und verzehnfacht durch die Bank dann wieder Schulden der Privatkunden. Dennoch kann eine Bank auf diese Weise immer nur eine Bilanzseite aufhübschen: Sie kann entweder mit dem Zentralbankgeld ihr Eigenkapital auf der Passive-Seite aufblähen und sich damit gegen einen Bank run wappnen, oder aber ihrer Mindestreserve bei der Zentralbank aufstocken (Aktiva-Seite) und dadurch selbst mehr Kredite vergeben. Sie verbessert durch die aufgeblähte Bilanz aber nicht ihre Eigenkapitalquote. Das bedeutet, die Bank bleibt solvent, aber sie kann im Grunde nicht mehr Kredite vergeben als zuvor.

    In Griechenland kommt erschwerend hinzu, dass die Banken die bei ihnen gehaltenen griechischen Staatsanleihen (also einen großen Teil ihres Eigenkapitals) seit dem 05.02.2015 nicht mehr bei der EZB für die Schaffung von Giralgeld verwenden dürfen, da sie am Markt als Ramschpapiere gelten und die EZB eine 2012 aus Gnade gewährte Ausnahmegenehmigung an diesem Tag aufgehoben hat. Ihnen fehlt also der von Ihnen beschriebene Weg, eionem Bank run vorzubauen. Stattdessen gewährt die EZB den griechischen Banken Notfallkredite (emergency liquidity assistance - ELA), die dort praktisch den Eigenkapitalvorbehalt aushebeln und sich mittlerweile auf 83 Mrd. Euro aufgetürmt haben.

    17:25 Uhr, 19.06.2015
  • Münsterländer
    Münsterländer

    Sehr geehrter Herr Kühn, darf ich mal eine allgemeine Frage stellen ?

    Banken müssen für Kredite an Privat- und Geschäftskunden ca 10 % an Eigenkapital vorhalten, richtig ? Wenn ich also bei meiner Bank 100 Euro einzahle, kann sie Ihnen 1000 Euro Kredit geben.

    Bei Staatsanleihen müssen sie aber 0 % Eigenkapital vorhalten. Sie verleihen also Geld, das sie gar nicht haben, weil es dieses Geld gar nicht gibt. Sie schaffen virtuell einen "Kredit" und somit Geld aus dem NICHTS.

    Wenn nun also ein Staat (sagen wir mal ganz wertfrei, es wäre Griechenland) seine Kredite nicht zurück zahlt, dann verliert die Bank doch gar nichts, weil sie ja nur Geld verliehen hat, das es vorher (und nachher) gar nicht gab. Nur die in Umlauf befindliche Geldmenge erhöht sich.

    Warum also geht eine Bank pleite, wenn Staaten Kredite nicht zurück zahlen, dessen Kapital die Bank auch vor der Kreditvergabe gar nicht hatte ???

    18:16 Uhr, 19.03.2015
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Hallo Herr Kühn,

    ich habe auch schon häufiger versucht, das Prinzip von Target-2 zu verstehen; so richtig sicher habe ich mich aber nie gefühlt. Danke deshalb für Ihre Darstellung.

    Ich habe jedoch drei Fragen, für deren Beantwortung ich Ihnen - oder sofern es jemand anderes tut, dann auch diesem - sehr dankbar wäre:

    1.) Angenommen, ein bundesdeutscher Bürger könnte bei einer griechischen Bank ein Konto einrichten und bekäme von der griechischen Bank einen Kreditrahmen (Dispokredit oder ähnliches) eingeräumt.

    Dann wäre es doch sehr sinnhaft, wenn dieser bundesdeutsche Burger sich bis zur Halskrause bei der griechischen Bank verschuldet, das Geld auf sein Konto bei seiner deutschen Bank (z.B. Cobank) überweist und auf einen Austritt Griechenlands aus dem Euro spekuliert, oder? Es wäre also eine Wette auf einen baldigen Austritts Griechenlands aus dem Euro?

    2. Wie sieht das ganze aus, wenn griechische Bürger mit ihrem abgehobenen Geld oder bei einer griechischen Bank in Anspruch genommenen Krediten hier in Deutschland Immobilien oder sonst einen Sachwert erwerben?

    Ich stelle mir das so vor:

    -Alpha Bank verliert 100.000 Euro Zentralbankgeld.

    -Grieche kauft - evtl. mit Kredit - Immobilie in Deutschland und hat aus Papier einen Sachwert gemacht.

    -Immobilienbesitzer zahlt 100.000 Verkaufspreis bei seiner deutschen Bank ein, bekommt Guthaben gut geschrieben und die deutsche Bank gewinnt 100.000 Zentralbankguthaben.

    - Bundesbank erwirbt Target2-Forderung gegen die GZB.

    D.h. ich habe einen Strom von uneinbringbaren Papierforderungen aus Grechenland in Richtung Deutschland (die in Deutschland bei der Bundesbank bleiben) und einen werthaltigen Strom von Sachwerten in Richtung Griechenland aus Deutschland heraus.

    Richtig?

    Damit schließt sich Frage 3 an meine Frage 2 an:

    Wenn ich jetzt mal davon ausgehe, dass die griechischen Löhne gemessen an der Produktivität der griechischen Wirtschaft und insbesondere auch durch die hohen Lohnsteigerungen seit der Zinskonvergenz zwischen den Eurostaaten in den Jahren vor 2010 viel zu hoch waren und die Griechen dadurch statistisch gesehen enormes Vermögen aufbauen konnten, dann sind es genau diese übertriebenen und unangemessenen Lohnsteigerungen, mit denen viele wohlhabende Griechen nun bei uns in Deutschland die Sachwerte wegkaufen können, richtig, oder?

    Wohingegen sich die deutschen Arbeitnehmer im Regelfall in Lohnzurückhaltung üben mussten und nun nicht die Möglichkeit haben, sich entsprechenden Wohlstand in Form von Sachwerten zusammen zu kaufen, als "Dank" für die Lohnzurückhaltung in D. und die Lohnsteigerungsexzesse in G. nun aber für die sozialisierten Target2-Forderungen der Bundesbank im Extremfall gerade stehen müsste.

    Sehe ich das richtig?

    Vielen Dank für eine ehrliche Antwort!

    Natürlich kann auch jeder andere - außer Herrn Kühn - auf meine Fragen antworten!

    15:56 Uhr, 11.02.2015
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    Vielleicht muß mal jemand den klugen Politikern und der EZB dies erklären !!!!!!!!!!!!!!!!

    Staatsfinanzierung aus 1. Hand im Euroland !

    Ist zwar verboten aber wen juckt es schon !

    15:00 Uhr, 11.02.2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Wieso wird eigentlich bei Target2 nicht täglich gesettled so wie damals bei der LZB Abrechnung. Bei der LZB Abrechnung haben die Banken ihre Zahlungseingänge / ausgänge bei der LZB gemeldet. Diese wurden dann verarbeitet und am gleichen Tag dann auch konsolidiert. D.h. ZA/ZE wurden nur durchgeführt, wenn die auftraggebende Bank auch entsprechendes Guthaben auf dem Konto hatte. Eine Überziehung war de facto nicht möglich bzw. musste Taggleich am Geldmarkt beschafft werden, wenn das LZB Konto nicht ausreichend Deckung vorwies. Deswegen wurden die LZB Konten auch taggenau in FX gemanaged.

    14:12 Uhr, 11.02.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Wolfi81
    Wolfi81

    Bei Betrachtung all dieser bisher ja bestenfalls Insidern bekannten Mechanismen drängt sich mir immer mehr der böse Verdacht auf, dass es sich beim Euro und der EU um ein ganz perfides System zur Ausplünderung Deutschlands handelt. Sozusagen ein verschleiertes Versailles, nur viel besser getarnt unter versteckten Klauseln und verschwiegen von den Massenmedien.

    13:22 Uhr, 11.02.2015
  • Investor
    Investor

    Her Kühn

    schön erklärt.

    Und dies war genau was beabsichtigt ist. Auch in der Vergangenheit hat die Gr Zentralbank über ungenehmigte ELA Geld geschaffen. Wer kann den Prozess stoppen?

    Wenn sich EU und Gr nicht einigen, dann rechne ich eher damit daß die Gr Bürger und Firmen nochmals an Krediten aufnehmen was Sie können, dies nach D transferieren. Dadurch erhöhen sich die target2 Salden (momentan ca 500 Mrd "Fluchtgeld") von D. Wenn dann Gr den Euro verläßt, werden Sie wahrscheinlich ihre target2 salden nicht begleichen und die Abwertungsgewinne aus der neuen Währung versuchen zu vereinnahmen.

    Da baut sich eine spannende Drohung auf.

    Wird der transfer zwischen zwei Währungen in der Leistungsbilanz ausgewiesen?

    12:24 Uhr, 11.02.2015
  • Floyd K
    Floyd K

    Herzlichen Dank für ihre Darstellung der Zusammenhänge Herr Kühn. So wird es auch einem Laien wie mir verständlich.

    Aber wo ist denn das Problem ?

    Im Falle eines Ausfalles/Staatsbankrottes in GR könnte die Bundesbank doch das Kundengeld der Coba konfiszieren. Das ist doch (hoffentlich) die "Sicherheit" in diesem System oder?

    Alles andere würde man ja im richtigen Leben kriminell nennen oder?

    Auch der Coba dürfte dies doch nicht schaden, die Forderung, die die Bundesbank an die Coba hat, wäre damit beglichen und die Forderung die die Bundesbank an die GZB wäre auch ausgeglichen oder?

    Ich fürchte nur, ich mache einen Denkfehler

    11:57 Uhr, 11.02.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Humpty
    Humpty

    Danke für die anschauliche Darstellung. Wie sähe die Darstellung denn aus, wenn GRE die ELA in Anspruch nimmt und das Geld z.B. in die Schweiz transferiert wird?

    11:44 Uhr, 11.02.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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