Kommentar
10:20 Uhr, 20.04.2018

Wie 46% des deutschen Auslandsvermögens einfach verschwunden sind...

Fast die Hälfte des deutschen Auslandsvermögens ist unwiederbringlich verloren, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Hans-Werner Sinn. Die nächste Finanzkrise sei bereits im Anmarsch.

Ein Großteil des deutschen Auslandsvermögens, das über riesige Handelsbilanzüberschüsse im Laufe von Jahrzehnten erwirtschaftet wurde, dürfte unwiederbringlich verloren sein. Dies sagte der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Chef des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, auf einer Diskussionsrunde auf der Anlegermesse Invest am vergangenen Freitag in Stuttgart.

Grund seien die hohen sogenannten Target-2-Forderungen der Bundesbank, die sich auf mehr als 923 Milliarden Euro belaufen und rund 46 Prozent des deutschen Auslandsvermögens ausmachen, so Hans-Werner Sinn. Die Target-2-Salden entstehen durch große Ungleichgewichte im innereuropäischen Handel, durch den Notenbanken wie die Bundesbank hohe Forderungen und andere europäische Notenbanken hohe Verbindlichkeiten gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) anhäufen. Zuletzt stiegen die Target-2-Forderungen der Bundesbank dabei vor allem auch durch das gigantische Wertpapierkaufprogramm der EZB.

Die Target-2-Forderungen der Bundesbank seien aber letztlich niemals einlösbar und müssten deshalb ehrlicherweise auf null abgeschrieben werden, sagte Sinn. "Das sind Forderungen, die die Bundesbank nicht fällig stellen kann und die verzinst werden zum Hauptrefinanzierungssatz der EZB, welcher von der Mehrheit der Target-2-Schuldnerländer auf null gesetzt wurde. Jetzt frage ich Sie: Wie würde eine Firma eine Forderung bilanzieren, die ewig läuft, die sie nicht fällig stellen kann und die einen Zins trägt, der vom Schuldner festgelegt wird auf null. (...) Das ganze Geld ist heute schon weg, (...) das werden wir nie mehr wiederkriegen. Das sind 46 Prozent des gesamten Nettoauslandsvermögens der Bundesrepublik Deutschland, welches durch die historischen, riesigen Exportüberschüsse aufgebaut wurde", so Sinn. Ausländische Investoren würden Unternehmen wie etwa den Roboterbauer Kuka in Augsburg und Immobilien in Deutschland aufkaufen. Deutschland erhalte im Gegenzug "völlig wertlose" Forderungen gegen das Euro-System in Form der Target-2-Salden, so Sinn.

Die Euro-Krise sei nur scheinbar überwunden worden. Nach dem Platzen der japanischen Immobilien- und Aktienmarktblase im Jahre 1990 habe es sieben Jahre gedauert, bis viele Banken wirklich Probleme bekamen. Vorher hätten sich die Banken durch Bewertungstricks in den Bilanzen künstlich über Wasser gehalten. Erst, als Verbindlichkeiten tatsächlich fällig wurden und bezahlt werden mussten, sei das ganze Ausmaß der ungedeckten Schulden sichtbar geworden. Ähnlich könnte sich die Situation auch in Europa entwickeln. Nach dem Aufflammen der Euro-Krise im Jahr 2011 und 2012 drohe nun, sieben Jahre später, in Europa der Moment des Erwachens. "Das Gerede um die Bankenunion, um die Einlagensicherung, die jetzt unbedingt kommen muss in Europa, das ist ja nur ein Reflex darauf, wie drängend es ist", sagte Sinn. "Wenn wir diese Bankenunion machen, dann gnade uns Gott."

Schon die Geburtsstunde des Euro sei ein "Rettungsschirm" für die Länder Südeuropas gewesen. "Als der Maastrichter Vertrag geschlossen wurde, da waren die Länder Südeuropas praktisch schon pleite. Italien, Spanien, Portugal mussten für ihre Staatsschulden Zinsen von 12 Prozent zahlen. Griechenland von 25 Prozent pro Jahr. "Der Euro war der Rettungsschirm für die südeuropäischen Staaten", sagte Sinn. Die niedrigen Zinsen in der Eurozone hätten einen künstlichen Boom in der Eurozone ausgelöst - bis die Euro-Krise zuschlug und die Finanzierung der südeuropäischen Staaten nur noch über Krisenmaßnahmen gewährleistet werden konnte. Am Ende habe nur noch das Versprechen von EZB-Präsident Mario Draghi, den Euro unter allen Umständen zu retten, sowie das QE-Programm der EZB für Entspannung gesorgt. Insgesamt habe die EZB seit 2015 mit frisch gedrucktem Geld Staatsanleihen im Volumen von 1.800 Milliarden Euro und Unternehmensanleihen im Volumen von 500 Milliarden Euro aufgekauft. "Dadurch wird heute viel verschleppt und verdeckt, weil marode Zombi-Kunden von Banken, die eigentlich schon längst pleitegehen müssten, künstlich über Wasser gehalten werden", sagte Sinn. Durch die Krisenpolitik der EZB habe es faktisch eine Vergemeinschaftung der Schulden in der Eurozone gegeben, obwohl dies durch den Maastricht-Vertrag eigentlich ausgeschlossen wurde.

Der eigentliche Grund der Finanzkrise sei eine viel zu geringe Regulierung und eine viel zu geringe Eigenkapitalausstattung der Banken gewesen. Auch die heute genannte Kernkapitalquote der Banken von 8 Prozent sei eine "Mogelpackung", weil bei der Berechnung der Kernkapitalquote viele Aktiva der Banken nur teilweise oder überhaupt nicht berücksichtigt würden. Die Kernkapitalquote von 8 Prozent entspreche in Wahrheit einer Eigenkapitalquote von nur 2 Prozent. "So lange wir die Banken so spielen lassen, werden wir immer einen Casino-Kapitalismus haben", betonte Sinn. Auch stehe die nächste Krise "schon ziemlich nahe vor der Haustüre", so Sinn.


Lesen Sie auch:


Sie interessieren sich für das Value-Investing, die Geldpolitik der Notenbanken oder andere interessante Anlagethemen? Folgen Sie mir kostenlos auf der Investment- und Analyseplattform Guidants, um keinen Artikel zu verpassen!

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

43 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Von der Bürde seines Amtes befreit, redet Herr Sinn herzerfrischend Klartext und er hat imo in jedem einzelnen der von ihm angeführten Punkte recht. Die Target-2-Forderungen der Bundesbank wird sich der deutsche Staat garantiert nicht in Italien, Griechenland, Spanien oder Portugal holen, denn dann würde man ja gegen die Staatsräson verstoßen und die Lebenslüge Euro auf’s Spiel setzen.Wenn es hart auf hart kommt, geht das sehr viel einfacher mit der Operation „Im Zeichen des Michels“ d.h. der deutsche Steuerzahler wird in Haftung genommen und die Merkelregierung handelt verläßlich im Trend der Europolitik der vergangenen 20 Jahre, der da lautet, es gilt das gebrochene Wort.

    Wer nun fatalerweise der Ansicht ist, das Sinn Unsinn redet, der sollte vielleicht einmal die Zeit für einen Grundkurs in Ökonomie investieren, das könnte eventuell helfen, die prekäre Situation in welcher sich Deutschland im Hinblick auf die Target-2-Forderungen befindet, vernünftig einzuschätzen.

    Es wird sich mir wohl nie erschließen, wie grundsätzlich vernunftbegabte erwachsene Menschen zu der Überzeugung gelangen können, das die Notenbanken die Macht besitzen, Wohlstand zu drucken. Aber das ist gegenwärtig traurigerweise Konsens nicht nur bei den Privaten, sondern eben auch bei meinungsführenden weltbekannten Ökonomen, wie z. B. Krugman oder Stiglitz, ein Irrtum bleibt jedoch ein Irrtum, auch wenn ihm sog. Starökonomen das Wort reden.

    Daniel Stelter, der unverdrossene Querdenker, beschreibt die Situation sehr anschaulich mit seinem folgenden Statement:

    Rezession in Deutschland? Dann ist Schluss.

    Es war und ist nur eine Frage der Zeit, bis die Wohlstandsillusion unserer politischen Führung der sie stützenden medialen „Öffentlichkeit“ und der an sie glaubenden Bevölkerung zerplatzt. Tut sie es, wird auf einen Schlag deutlich, wie schlecht wir in den letzten Jahren regiert wurden. Ich denke immer noch, die Union könnte dasselbe Schicksal erleiden wie die Democratia Cristiana in Italien.

    Ist es nun so weit? Die Anzeichen für eine Rezession bei uns nehmen zu.

    22:13 Uhr, 21.04.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Cumshooter
    Cumshooter

    Hans-Werner Sinn redet nur noch Unsinn um Steuergelder zu bekommen

    08:55 Uhr, 21.04.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Sputnik1648
    Sputnik1648

    Moin, moin,

    das Experiment EU ist m.E. schon länger als gescheitert zu werten, es war einfach von Anfang an eine Fehlkonstruktion. Nur die EZB hält den Patienten EU künstlich am Leben. Dieses hilft aber nicht, das Sterben des Patienten zu verhindert, allenfalls das Sterbedatum kann in die Zukunft verschoben werden.

    Für die BRD wäre dieser Zerfall oder ein Zerplatzen der EU der Offenbarungseid der etablierten Parteien. Dieses werden diese unter allen Umständen und unter Inkaufnahme jeglicher Kosten versuchen zeitlich in die Zukunft zu schieben. Ansonsten droht denen Nürnberg unter anderen Vorzeichen.

    Kommt es zum Untergang der EU, dann folgt der Untergang der BRD in ihrem jetzigen Zustand. Diese Tatsache ist sicher bei vielen Zeitgenossen bekannt, nur äußern darf man diese Tatsache nicht, sonst droht für öffentlich bekannte Personen das "Abstellgleis (siehe Eva Herrmann). Sind sie kritischer Frager bzw. Berichter über derartige Zustände, so droht ihnen auch gerne die Rechte Ecke.

    Die Schulden der BRD und der permanente Geldbedarf für das überbordende Sozialsystem, Renten, Öffentlichen Dienst etc. gibt es System den Rest. Vergleichen wir es mit einem PKW-Motor. Der Ölstand ist zu niedrig, wir manipulieren als Regierung die Anzeige und wer meint der Öl-Stand sei zu niedrig, der kommt in die Rechte-Schmuddelecke. Das hilft auf Dauer nicht, die Physik bringt diesen Motor irgendwann zum Stillstand, da helfen dann die Worte der Regierung nichts.

    Ergo: Der Zug BRD fährt weiter mit hohem Tempo, die Richtung ist zwar vollkommen verkehrt, aber wir steigern vorsichtshalber schon einmal das Tempo.

    18:08 Uhr, 16.04.2018
  • Rente
    Rente

    Der Herr Sinn nimmt eine Bilanzposition. Was ist denn mit der jeweils anderen Seite der Bilanz der Notenbanken. Da beide Seiten der Bilanz bekanntlich gleich sind, hat auch die griechische Bundesbank Forderungen die verrechenbar sind. Und auch die Deutsche Bundesbank hat neben den Targetforderungen auch Verbindlichkeiten. Die können doch auch verrechnet werden. Die Argumentation mit einer Bilanzposition reicht nicht.

    17:49 Uhr, 16.04.2018
  • The Secessionist
    The Secessionist

    So einfach ist es tatsaechlich ! Buchgeld digitaler art frei durch Ezb erschaffbar! Inflation kommt keine solang das Geld nicht bei Millionen Menschen in Lohn und Einnahmen auftaucht und das tutves nicht !

    17:46 Uhr, 16.04.2018
  • einfach
    einfach

    genau mein name ist programm, denn kompliziert können viele.

    die ezb kann, solange kein land aus dem euro austritt die füße stillhalten.

    aber falls die situation eintritt ist es für die ezb kein problem die salden des austretenden landes gegenüber allen forderungsländern auszugleichen.

    falls jetzt die frage aufkommt, woher die ezb denn das geld nehmen soll, dann kann ich nur darauf hinweisen dass sie es aus dem selben topf nimmt, aus dem sie das geld zum aufkaufen der anleihen genommen hat.

    das elegante bei einem auf vertrauen basierenden geldsystem ist, dass dieser topf der ezb nie leer wird.

    denn im endeffekt spielt es beim einteten diese falles keine rolle wie hoch die forderungen der ezb gegenüber den ausgetretenen ländern ist, da das geld nur in den büchern steht und die ezb bis zum sankt nimmerleins tag diese forderungen in den büchern tragen kann.

    es ist einfach nicht leicht sich von dem gedanken der gelddeckung zu verabschieden, aber diese tatsache ist nun schon über 40 jahre alt, es wird langsam zeit das geld nicht mehr als das zu betrachtwn was es vor 1973 war.

    17:13 Uhr, 16.04.2018
    3 Antworten anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • Billabong
    Billabong

    OK dann soll die EZB doch einfach die 923 Milliarden gutschreiben. Oder reicht vielleicht Südtirol für die Verbindlichkeiten von Italien auch aus ? ;-)

    16:24 Uhr, 16.04.2018

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

Mehr über Oliver Baron
  • Anlagestrategien
  • Fundamentalanalyse
  • Value Investing und Momentum-Ansatz
Mehr Experten