Kommentar
14:00 Uhr, 11.02.2016

Rohstoffaktien: Ist das die große Einstiegschance?

Es gibt kaum einen Rohstoff, der in den vergangenen 3 Wochen nicht zwischen 10% und 20% zulegen konnte. Die Aktienkurse von Rohstoffunternehmen sind entsprechend außer Rand und Band. Aber ist das nachhaltig?

Erwähnte Instrumente

  • Gold
    ISIN: XC0009655157Kopiert
    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)
  • Silber
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    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

Ist das der lang ersehnte Boden? Beginnen die Rohstoffpreise und Aktienkurse nicht gerade wieder in sich zusammenzufallen?

Aktien wie Glencore und Freeport McMoRan konnten seit Mitte Januar zwischen 40 % und 60 % zulegen. Jetzt rätseln Analysten, wie es zu dieser Rally kommen konnte und ob diese nachhaltig ist. Die bisherigen Erklärungsversuche sind nicht sonderlich spektakulär, denn fundamental hat sich an der Lage auf den Rohstoffmärkten wenig getan.

Das weltweite Überangebot an Rohstoffen ist heute noch genauso vorhanden wie vor 4 Wochen. Auch an der Nachfrageseite hat sich wenig getan. Es gibt einige Lichtblicke, doch insgesamt ist nach wie vor nicht mit einem rasanten Nachfrageanstieg zu rechnen. China hat gegen Ende 2015 mehr Rohstoffe nachgefragt als ursprünglich erwartet. Das hat sicherlich kurzfristig für etwas Erleichterung bei den Preisen gesorgt. Weltweit befindet sich die Konjunktur nach wie vor in einem moderaten Aufschwung mit Verlangsamungstendenz.

Die massiven Kurssprünge seit Mitte Januar werden vor allem auf zwei Aspekte zurückgeführt. Einerseits währt kein Bärenmarkt ohne Unterbrechung; andererseits feiert China Neujahr – eine Woche lang. Das Neujahrsfest dauert eine Woche, in der in China wenig passiert. Die Märkte sind geschlossen und das ganze Land ist im Urlaub. Chinesische Investoren sollen relativ große Shortpositionen im Rohstoffmarkt gehabt haben, die sie vor der einwöchigen Pause glattgestellt haben.

Nicht nur chinesische Spekulanten waren mit großen Shortpositionen unterwegs. Jeder, der in der Hedgefonds-Branche etwas auf sich hielt war hier aktiv. Das hat gewiss zu dem beispiellosen Crash im vergangenen Jahr beigetragen. Jetzt werden Positionen glattgestellt. Die letzten Wochen sind bisher als klassischer Short Squeeze zu sehen.

Sind Gewinne erst einmal mitgenommen und die Kurse der Rohstoffe und Unternehmen deutlich gestiegen, dann folgt oftmals eine neue Verkaufswelle. Keiner weiß, ob es dieses Mal wieder so sein wird, denn wenn man die Preise vieler Rohstoffe betrachtet, dann kommen einen daran Zweifel. Rohstoffe sind inzwischen so tief gefallen, dass einem so langsam die Fantasie für noch tiefere Kurse ausgeht (der Vollständigkeit halber sei angemerkt: auch etwas, was bereits 80 % gefallen ist, kann noch einmal 50 % fallen).

Am wenigsten spektakulär sind hier die Edelmetalle. Grafik 1 zeigt den monatlichen Preisverlauf von Gold, Silber und Platin seit 1960. Den Spekulationsexzess der Gebrüder Hunt, der die Edelmetalle Ende der 70er massiv nach oben trieb, ist gut bekannt. Ebenso bekannt ist der darauffolgende Bärenmarkt, der 20 Jahre dauerte.

Der Bärenmarkt hatte mehrere Gründe. Rohstoffe notieren in Dollar. Steigt der Dollar, dann fallen Rohstoffpreise, fällt der Dollar, dann steigen die Preise. Zwischen 1980 und 1985 gewann der US-Dollar gegenüber anderen Währungen im Durchschnitt 45 %. Allein das drückte die Rohstoffpreise erheblich. So spielte sich auch ein Großteil des Rohstoffbärenmarktes zwischen 1980 und 1985 ab. Als der Dollar zwischen 1985 und 1995 fast 45 % an Wert verlor, konnten sich die Rohstoffpreise zeitweise deutlich erholen.

Der Dollareinfluss ist bei allen Rohstoffen erkennbar. Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Industriemetalle. Auch sie erlebten in den 70ern einen Bullenmarkt, fielen dann mit der Dollarstärke bis 1985 und erholten sich mehrere Jahre mit der Dollarschwäche, bevor der Dollar von 1995 bis 2000 wieder aufwertete. Zwischen 2001 und 2011 wertete der Dollar tendenziell ab. Das ist genau die Zeit des großen Bullenmarktes. Seitdem der Dollar wieder aufwertet kollabieren die Rohstoffpreise.

Der Dollar hat mehrere Effekte. Da Rohstoffe in Dollar notieren ist der Effekt der Wechselkursschwankungen leicht nachvollziehbar. Es gibt jedoch noch einen zweiten Effekt. Der Dollar bewegt sich in großen Zyklen. In Niedrigzinsphasen mit moderaten Wachstumsaussichten in den USA strömt Kapital aus den USA in den Rest der Welt. Diese Kapitalströme fließen in Entwicklungsländer und werden auf der Suche nach Rendite investiert. Investiert wird in Unternehmen, Anleihen und besonders stark in den Rohstoffsektor. Oftmals ist der Rohstoffsektor das einzige, was Entwicklungsländer für Kapital wirklich interessant macht.

In solchen Phasen werden große Kapazitäten aufgebaut. Diese Überkapazitäten überschwemmen derzeit den Weltmarkt mit Rohstoffen. Gleichzeitig erscheinen die Renditeperspektiven in den USA besser als in den Schwellenländern. Kapital strömt in den Dollarraum zurück. Es gibt also nicht nur ein Überangebot an Rohstoffen, sondern auch ein geringeres Nachfragewachstum in Entwicklungsländern, weil weniger investiert wird. Das ausländische Kapital fehlt einfach.

Das Phänomen gilt seit Jahrzehnten und für jeden Rohstoff. Grafik 3 zeigt Energierohstoffe. Diese waren vor allem in den 70ern durch das Ölembargo geprägt. Dieses Embargo führte dazu, dass außerhalb der OPEC Länder viel in Ölförderung investiert wurde. Als das Embargo fiel und die Investitionen in höherer Ölproduktion mündeten begann der Ölpreis einen langen Bärenmarkt. Das gleiche traf auf Gas und Kohle zu.
Zuletzt gab es kein Embargo, doch die hohen Ölpreise führten in den Jahren 2005 bis 2011 zu hohen Investitionen im Ölsektor. Die Förderkapazitäten kommen seit 2014 online und überschwemmen den Markt. Inzwischen sind die Ölpreise wieder in einem Bereich angelangt, in dem sie sich im letzten großen Bärenmarkt befanden. Das gleiche gilt für Eisenerz, Zink und Nickel. Man darf sich also berechtigterweise die Frage stellen, ob der Markt inzwischen nicht übertreibt.

Die Preise sind heute wieder dort, wo sie im vergangenen Bärenmarkt waren. Die Produktionskosten sind heute allerdings höher als im letzten Bärenmarkt. Das bedeutet, dass die Margen für Produzenten deutlich geringer sind. Der aktuelle Bärenmarkt ist – vereinfacht gesagt – für Produzenten schlimmer als der letzte.

Wie die bisherigen Rohstoffbärenmärkte von Aktien aufgenommen wurden zeigt die letzte Grafik. Dargestellt sind die Preisrückgänge eines Rohstoffs in einem Bärenmarkt und der Preisrückgang der Aktie eines Unternehmens, welches vor allem diesen Rohstoff fördert. Kupfer hat in den vergangenen 25 Jahren zwei Bärenmärkte erlebt. Der erste begann 1996, der zweite läuft gerade. Kupfer verlor in diesen Bärenmärkten jeweils 55 %. Die Aktie von Freeport McMoRan fiel im ersten Bärenmarkt um 80 % und hat im bisherigen Abwärtstrend 90 % verloren.


Die meisten Aktienkurse haben in diesem Bärenmarkt deutlich mehr abgegeben als in früheren. Eine Fortsetzung des Bärenmarktes wie bisher ist nicht zu erwarten. Keiner kann mit Sicherheit sagen, ob der gerade stattgefundene Short Squeeze den Beginn des großen Turnarounds darstellt. Es wäre allerdings ungewöhnlich, wenn es so weitergeht wie bisher. Die Dollaraufwertung verliert an Fahrt und die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen ist weiterhin robust.
Das ändert nichts daran, dass es nach wie vor ein Überangebot gibt. Dieses wird noch ein bis zwei Jahre bestehen bleiben. Aktienkurse warten jedoch nicht bis ein neuer Bullenmarkt bei Rohstoffpreisen begonnen hat, um zu steigen. Das kann wesentlich früher geschehen. Persönlich denke ich, dass wir gerade eine Bodenbildungsphase erleben. Rücksetzer des Sektors sind Kaufgelegenheiten.

Risikofaktoren bleiben. China ist und bleibt auf absehbare Zeit der größte Risikofaktor, da das Land von vielen Rohstoffen zwischen 30 und 50 % der weltweiten Nachfrage ausmacht. Ewig wird das nicht so bleiben und Nachfolger entwickeln sich nur langsam (vor allem Indien hat enormen Bedarf für Infrastrukturinvestitionen). Bricht die Nachfrage in China ein, z.B. um 30 %, dann kommt ein ganz neues Problem auf den Markt und die Unternehmen zu. Immerhin kann man dann gewiss sein: es wird kurz und schmerzvoll. Eine Welle an Insolvenzen dürfte schnell für ein neues Gleichgewicht sorgen.

Für Anleger ist es daher wichtig, wenn sie jetzt investieren, auf Unternehmen mit starker Bilanz zu setzen. Kleinere Unternehmen scheinen auf den ersten Blick größere Schnäppchen zu sein, doch sie sind auch die ersten, die Insolvenz anmelden müssen. Mit den großen Playern wie BHP Billiton und Rio Tinto ist man ganz gut beraten.

Um die Eingangsfrage zu beantworten: Die Kurse werden noch viele Monate lang hochvolatil bleiben. Wer jetzt investiert, der braucht gute Nerven. Für steigende Preise auf Sicht mehrerer Monate spricht vor allem ein Ende der Dollarrally, dagegen sprechen die Sorgen um eine sich abkühlende Weltkonjunktur.

Es gibt zaghafte fundamentale Hinweise, dass der Markt bei einigen Rohstoffen übertreibt. Trotzdem muss man sich eingestehen: Die Lage ist alles andere als eindeutig. Bullenfalle oder Turnaround - man kann es nicht sagen. Eines aber kann man auf jeden Fall feststellen: den absoluten Boden wird wohl kaum jemand erwischen. Der derzeitige Bärenmarkt ist inzwischen der schwerste der letzten 65 Jahre. Das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, ist also wirklich sehr selten. Da kann man schon einmal mit ersten, kleinen Positionen und langem Zeithorizont den Markt abtasten.

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19 Kommentare

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  • Unentschieden
    Unentschieden

    Fragezeichen hin oder her. Es kommt darauf an, was man mit dem Inhalt des Artikels anfängt. Man muss ihn ja nicht lesen.

    Und unabhängig davon sind Schmale´s Artikel die qualitative hochwertigsten auf dieser Plattform - zumindest für so einfach gestrickte Personen wie mich...

    14:01 Uhr, 12.02. 2016
  • Jogi Löw
    Jogi Löw

    Die Fragezeichenverliebtheit kommt nah an das Level heran: Kann die Deutsche Bank Ihre Coco-Anleihen bedienen?

    Das hat nichts mit BaFin & Co. zu tun, da es sich ja sowieso nicht um Empfehlungen handelt, sondern lediglich irgendwelche Einschätzungen darstellt.

    08:00 Uhr, 12.02. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Ich finde diese ständigen Fragezeichen auch lächerlich ... - egal ob es in der Finanzbranche nun üblich ist oder nicht ...

    22:05 Uhr, 11.02. 2016
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Schaut euch mal den Glasenberg an. Der kontrolliert die Hälfte des weltweiten Kohlemarktes. Entweder über Glencore direkt oder Beteiligungen. Eigentlich ein Unding.

    16:15 Uhr, 11.02. 2016
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Was mich immer wieder wundert. Nach jeder größeren Krise sehen wir immer wieder die selben großen Namen in den Kurslisten. Die Kleinen sind verschwunden. Man könnte, wäre man ein Schelm auch sagen, die Krisen werden absichtlich angezettelt. Mit hohen Preisen lockt man die penetranten kleinen Mitbewerber in Fehlinvestitionen und dann provoziert man einen Crash.

    Könnte mir vorstellen, die Chefs von Glencore, BHP, Anglo und Rio gehen Abends zusammen saufen und hecken dann sowas aus.

    16:10 Uhr, 11.02. 2016
  • cafu
    cafu

    Gedankengang:

    Wenn die Rohstoffpreise niedrig sind und die Nachfrage (sagen wir mal) eher schleppend ist, wie hoch kann dann die Marge eines Rohstoffunternehmens sein und wie sieht dann die "starke" Bilanz aus ?

    15:24 Uhr, 11.02. 2016
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Absoluter Topartikel...großes Lob für Ihre Arbeit

    14:45 Uhr, 11.02. 2016
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Sehr guter Artikel, Clemens. Dass das Kapital in den Rohstoffbereich der Entwicklungsländer strömt war mir gar nicht so bewusst. So werden das Überangebot ausgelöst, das ist die Ursache. Ich denke, die Rohstoffaktien fallen nochmal massiv. Die Edelmetall Aktien scheinen eine Art Vorläufer für die restlichen Rohstoffaktien zu sein. Und die Ölaktien bilden das Schlusslicht, sind ja noch gar nicht richtig gefallen.

    Vermute, BHP, Rio und Anglo American fallen locker nochmal 30-50%. Anglo wahrscheinlich sogar noch mehr.

    Letztendlich wird man auch nichts falsch machen, wenn man jetzt schon zuschlägt. Die Kurse werden sich langfristig wieder erholen, denn wir brauchen ja die Rohstoffe und irgendwann wird die Nachfrage wieder höher als das Angebot sein, schon allein aufgrund von Investitions-Stopps vieler Bergbauunternehmen. Aber ist halt ärgerlich, wenn man zu früh rein geht. Habe ich bei Goldaktien gesehen. Zu früh rein und ich partizipiere gar nicht richtig vom Anstieg, lediglich die Verluste wurden wett gemacht. Bis auf die letzten, die ich 2015 gekauft habe, da sind jetzt satte Kursgewinne zu verzeichnen.

    14:33 Uhr, 11.02. 2016
  • Jogi Löw
    Jogi Löw

    Verwenden Sie in den Überschriften doch nicht permanent Fragestellungen. 9 von 10 Ihrer Beiträge sind in dieser Form gestaltet. Letztendlich weiß man dann schon, dass es wieder eine weichgespülte Feststellungsorgie wird, die untermauert von diversen Grafiken aufgebläht wird. Fakten im Sinne von ja oder nein hinischtlich Ihrer Überschriften kann ich eigentlich nie erkennen.

    14:28 Uhr, 11.02. 2016
    3 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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