Beherrschen Sie Ihre Position - lassen Sie sich nicht von ihr beherrschen!
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Das Problem des zu frühen Ausstiegs
Mit dem heutigen Artikel möchte ich mit Ihnen einen Handelsansatz durcharbeiten, der für sich genommen aus mehreren Einzelansätzen besteht, welche jeder kennt, deren Zusammenführung Sie aber motivieren soll, Ihren ins Auge gefassten Trading-Plan auch konsequent durchzuhandeln.
Eine kurze Frage zu Beginn: Wie oft ist es Ihnen schon passiert, dass Sie einen guten Einstieg gefunden haben, sich der Kurs Ihrer Position tatsächlich in die von Ihnen prognostizierte Richtung bewegt, Sie aber im Nachhinein betrachtet viel zu früh aus dieser Position ausgestiegen sind? Und das, nur weil Sie vielleicht sogar berechtigter Weise aus Ihrer Erst-Position ausgestiegen sind, den Wiedereinstieg am Ende aber verpasst haben?
Wenn ich ehrlich zu mir selber bin: mir ist es häufiger passiert, als es mir recht sein kann. Natürlich sagt man: „an Gewinnmitnahmen ist noch niemand gestorben“, aber es schmerzt schon irgendwo, wenn man 10 Punkte realisierte, am Ende der Bewegung aber feststellen muss, dass mitunter das Zehnfache hätte erzielt werden können. Jetzt erhöhe ich den Schmerz: Wie oft haben Sie dagegen im Verlustfalle die Reißleine nicht genauso konsequent gezogen, wie Sie Ihren Minigewinn auf der Oberseite mitgenommen haben? Sie brauchen nicht antworten – ich kenne die Antwort.
Die eigenen Positionen müssen geplant werden
Fangen wir also an. Um was geht es? Ich möchte zunächst mit Ihnen die Notwendigkeit einer Positionsplanung besprechen. Darauf aufbauend möchte ich Ihnen ein Beispiel für das Arbeiten mit „multiplen“ Positionen vorstellen, deren Zielstellung genau darin besteht, oben beschriebene Fehler zu verringern. Ganz ausschalten werden wir diese nicht können, aber wir werden uns mit dieser Vorgehensweise strenger disziplinieren.
Es ist eine banale Feststellung und dennoch wird diese immer wieder missachtet: „Wenn Sie keinen Plan haben, ist Ihr Scheitern vorprogrammiert“. Sie kontrollieren dann nicht mehr den Trade, sondern der Trade kontrolliert Sie. Im Artikel zum Thema „Emotionskontrolle“ (Sie finden diesen hier) habe ich hervorgehoben, dass es keine Alternative zur eigenen Disziplinierung gibt und ein fundamentales Arbeitsmittel dafür Ihr persönlicher Trading-Plan ist.
In diesem halten Sie alle Eventualitäten des Tages fest, in diesem gehen Sie vor dem Handelsstart durch, was Sie in welcher Situation machen werden. Lassen Sie sich nicht im Vorfeld des Handels oder auch nicht mittendrin von äußeren Einflüsterungen verrückt machen, die Ihnen sagen wollen, was „auf jeden Fall“ passieren wird.
Seien Sie versichert: niemand kann wissen, was ein Markt machen wird, man kann mit guter Analyse und Erfahrung bestenfalls Wahrscheinlichkeiten für eine Entwicklung definieren – mehr nicht. Der ganze übrige Rest, somit die verbleibenden 95 Prozent der Arbeit, obliegen Ihnen persönlich im Zusammenhang mit Ihrer Planung des Geschäftes. Steht Ihr Trading-Plan, d.h., Sie haben Ihren eigenen Schlachtplan, dann ist dieser für Sie und Ihr Trading GESETZ. Der Plan wird nur geändert, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, sonst nicht.
Warum ist dies so bedeutend? Ihr Trading wird überwiegend von Ihren psychologischen Komponenten beeinflusst. JEDER FEHLER hat seinen Ursprung in IHRER psychologischen Natur. Damit meine ich nicht die Realisierung eines Verlustes am im Vorfeld definierten Stopp-Kurs. Oben genannte Fehler treten erst dann auf, wenn Sie Ihre Stopp-Kurse überhaupt nicht setzen, oder „bei Erreichen streichen“.
Grundregeln
Eine oberste Grundregel muss Ihr Plan gleich zu Beginn beinhalten: wieviel Kapital sind Sie bereit, an diesem Handelstag zu verlieren?
Ein Verlust darf Ihre Möglichkeit, ohne Einschränkungen weiterhandeln zu können, niemals überschreiten. Geschieht dies, oder Sie fühlen sich bereits bei einer gewissen Größenordnung flau, dann senken Sie die höchstmögliche Verlustgröße durch Verringerung Ihrer Position. Niemals dürfen Sie durch einen Verlust in eine Situation kommen, in der Sie sich gehetzt fühlen, das Geld unter allen Umständen zurückholen zu müssen. Erreichen Sie Ihr gesetztes Verlustlimit, ziehen Sie die Reißleine und beenden Sie an diesem Tag den Handel. Gehen Sie weg vom Computer (da Sie sonst in die Verlegenheit kommen könnten, doch noch einmal aktiv zu werden), gehen Sie an die Luft, fahren Sie Rad, gehen Sie ins Kino.
Definieren Sie sich folgende zweite Regel: im Verlustfalle kaufe ich nicht nach!
Es gibt Ausnahmen von dieser Regel, dieser Trading-Stil ist aber sehr riskant und sollte nur von sehr erfahrenen Tradern gefahren werden. Sind Sie noch in der Lernphase oder handeln Sie nicht mit Positionsgrößen, welche von vornherein darauf ausgerichtet sind, langsam aufgebaut zu werden, lassen Sie die Finger davon. Wenn Ihre Position falsch liegt, dann ist da was falsch.
Und wir machen es nicht besser dadurch, dass wir versuchen es doch zu erzwingen, richtig zu liegen. Das unkontrollierte Nachkaufen (anders kann man es außerhalb eines planmäßigen Positionsaufbaus auch nicht nennen) entspringt der menschlichen Natur. Man will sich nicht eingestehen, einen Fehler gemacht zu haben. Trösten Sie sich: wir wissen es ja alle nicht, was der Markt als nächstes machen wird. Seien Sie bei jeder Positionierung aufs Schlimmste vorbereitet und verinnerlichen Sie: selbst der allerbeste Trader dieses Universums liegt sehr oft falsch. Der Unterschied zwischen ihm und Ihnen ist vielleicht nur der, dass er sich seine Fehlpositionierung eingesteht und diese nicht durch nachkaufen geradezubiegen versucht.
Die dritte Grundregel schreibt vor, dass Sie an Ihrer eingegangenen Position nur solange festhalten, wie diese Ihrer Argumentation entspricht, unter welcher Sie diese auch eröffnet haben. Trading ist KEIN GLÜCKSSPIEL und wir sind auch nicht bei WÜNSCH DIR WAS.
Trading ist das Handeln von Wahrscheinlichkeiten!
Liegen die Bedingungen Ihrer vorangegangenen Positionseröffnung, welche Sie im VORFELD SCHRIFTLICH definiert und festgehalten haben, nicht mehr vor, schließen Sie Ihre Position. Sie können sich immer wieder selbst überprüfen, in dem Sie sich fragen: „Würde ich jetzt noch immer die bereits bestehende Position eingehen?“ Ist dies nicht der Fall, gibt’s nur eines: RAUS DAMIT!!!
In unserem börsentäglichen Handelstagebuch und in den neuen Arbeitsblättern zum Markt, werden wir für uns die Eckpfeiler unserer Aktivitäten festlegen. Wir raten Ihnen aber dennoch dringend, sich Ihren eigenen Trading-Plan zu erstellen, auch wenn Sie sich unsere Herangehensweise selbstverständlich als Muster heranziehen können. Aber Ihr Risikomanagement muss Ihren Risikoparametern entsprechen. Sie verantworten Ihre Ein- und Ausstiege immer selbst, deshalb kann ich immer wieder nur davor warnen, sich blind oder in vollem Vertrauen einer Strategie anderer zu 100 Prozent zu ergeben.
Der Conviction-Circle
In dem Fachbuch von Valentin Rossiwall und Philipp Schröder mit dem Titel: „No Speed Limit – Day-Trading: Schnell, schneller, Scalping“ (ein Werk, welches sich mit meinen Erfahrungen absolut deckt und welches eines der wenigen Bücher ist, welches sich wirklich zum Thema lohnt zu lesen), stellen beide Autoren einen Überprüfungsmodus vor, den man vor einer Positionseröffnung im Kopf durchgehen sollte. Sie nennen diese Herangehensweise den „Conviction-Circle“ und bildet einen grafischen Kreis, der in vier Viertel (wie vier große Tortenstücke) geteilt wird. Ich möchte im Folgenden diese Vorgehensweise gleich auf unseren Handel im FDAX und FGBL anpassen, weise aber darauf hin, dass Sie diese „Prüfmethode“ auf alle Werte anwenden können, in denen Sie aktiv werden wollen.
In Übereinstimmung mit der Darstellung im genannten Fachbuch benennen wir Tortenstück 1 nach Ihrer Idee, konkret: wollen Sie eine Long- oder Short-Position eröffnen?
Das Tortenstück 2 beinhaltet eine Einschätzung zum Gesamtmarkt. Ist dieser long oder short einzuschätzen, konkret: sind die Aktien-Indizes überwiegend gesucht oder unter Angebotsdruck? Wie sieht es mit den US-T-Bonds aus, wenn wir uns mit dem FGBL befassen? Lassen zudem mögliche Korrelationen zum Währungspaar EUR/USD und zu Gold eine bestätigende Tendenzrichtung erwarten? Tortenstück 3 fokussiert sich auf die konkrete Analyse des zu handelnden Wertes (in unserem Falle also FDAX oder FGBL). Rechtfertigt die Analyse unsere Handelsabsicht? Und schlussendlich Tortenstück 4 : Wie sieht zum Zeitpunkt des beabsichtigten Trades das Kursmuster aus? Wie sieht die Markttechnik aus? Rechtfertigen diese unsere Aktivitäten?
Im Idealfall sind alle vier Tortenstücke gleich groß, doch die Realität zeigt, dass wir mitunter einzelne Faktoren überbewerten. Dann kommt es zu Verzerrungen und in der Folge kommt es nicht selten (in diesen Fällen) zu einem Verlust.
Eine vierte Grundregel Ihres Trading-Konzeptes muss die Handhabung von Stopp-Kursen beinhalten. Jeder weiß, dass Stopp-Kurse Ihre Lebensversicherung im Handel sind. Sie setzen Ihre Stopp-Kurse nicht, weil sie gerade mal „in“ sind und lassen diese nicht weg, weil sie möglicherweise „out“ sind. Stopp-Kurse sind Ihre Lebens-, Hausrats- und Haftpflichtversicherung in einem Stück. Jeder, der sich dessen nicht bewusst ist, sollte sich eine andere Beschäftigung suchen.
Sind Stopp-Kurse so gut wie ihr Ruf?
Und doch lassen Studien die Einschätzung zu, dass ein Stopp-Kurs nicht nur Vorteile mit sich bringt, sondern auch seine Nachteile hat. Diese Nachteile muss man kennen und schließlich in seiner Strategie berücksichtigen. Ein Stopp-Kurs produziert Kosten. Auch in dieser Hinsicht ist das oben genannte Fachbuch eine interessante Fundgrube, denn die beiden Autoren stützen sich hierbei auf eine Studie, welche von Robert Macrae von Arcus Investments durchgeführt wurde, in der er sich mit genau mit dieser Thematik auseinandersetzt.
Die Kernaussage ist, dass Stopp-Kurse eine nicht unerhebliche Auswirkung auf die Renditeverteilung haben und damit naturgemäß zu einer größeren Volatilität innerhalb eines Portfolios führen. Man stutzt, wenn man das liest, denn im Prinzip impliziert diese Aussage genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich durch den Einsatz von Stopp-Kursen erreichen will – nämlich eine schöne Glättung der Ertragskurve.
Die Konsequenz dieser Studie lässt nur einen Schluss zu: nicht der Stopp-Kurs als solches ist in Frage zu stellen, sondern die Platzierung dessen ist die Herausforderung. Es ist klar: würden die Kosten eines Stopp-Kurses dessen Nutzwert übersteigen, würde ein Einsatz dieser Besicherung völlig unsinnig sein. Und hier kommt jetzt die eigentliche Überraschung der Studie ins Spiel: im kurzfristigen Handel (Day-Trading) liegt der Nutzen des Stopp-Kurses über den Kosten (welche er produziert), sofern man die Platzierung einer Besicherungsorder sinnvoll an die Markdynamik anpasst. In strategischen, also wirklich extrem langlaufenden Positionierungen (z.B. auf Sicht mehrerer Monate, mit denen man versucht, einen Primärtrend zu handeln), wird laut dieser Studie mitunter der Vorteil des Stopps durch dessen Kosten aufgehoben. Die Studie besagt ganz klar: in strategischen Positionen bringt ein Stopp-Kurs auf lange Sicht keinen Mehrwert (das gilt übrigens auch für die Platzierung für Ziel-Kurse). Dieses Thema ist jedoch so vielschichtig und interessant, dass ich diesem einen separaten Artikel widmen werde.
Für diesen Artikel wollen wir festhalten, dass Grundregel vier, die Handhabung von Stopp-Kursen in diesem Zeitfenster, welches wir handeln, zwingend ist.
Was machen wir mit einem Flugzeugträger und seinen Beibooten?
Kommen wir jetzt zum Umgang mit dem Handeln von Kern- und entsprechenden Hedge- bzw. Scalping-Positionen.
Als eine Kern-Position bezeichnen wir jene Positionierung, welche wir auf der Grundlage unseres Conviction-Circles eingehen werden, dessen Herzstück unser morgendliches Handelstagebuch darstellt. Diese Position werden wir eröffnen auf der Grundlage unserer Einschätzung, basierend auf dem besprochen Tortenmodell, welches die Grundstruktur unserer morgendlichen Marktanalyse darstellt. Hier werden wir mit zwei Herausforderungen konfrontiert: (a) auf Grund der enormen Schnelllebigkeit der Märkte, welche mitunter dazu führt, dass Analysen von Morgens von der Realität am Nachmittag wieder eingeholt werden, besonders wenn man sich, wie wir, in intraday-Zeitfenstern bewegt, müssen wir dies in unserer Trading-Planung berücksichtigen und folglich ein Exit Szenario aus unserem, „in Beton gegossenen“ Trading-Plan definieren. (b) Die zweite Herausforderung ist die Platzierung unseres ersten Stopp-Kurses. Folgen wir nämlich unserer Ausgangslage, wonach die Kern-Position unser Kursentwicklungsszenario möglichst komplett ausreizen soll, können wir nicht mit einem Stopp-Kurs arbeiten, der für taktische Positionierungen im Grunde alternativlos ist. Unser Stopp-Kurs einer Kern-Position steht mitunter soweit vom Einstand weg, dass er der Funktion des Einhaltens unseres maximalen Verlustrisikos des Tages wohl kaum genügen kann.
Es gibt noch eine dritte Herausforderung. Ich habe es einleitend angesprochen: wir gehen eine Position ein und schließen diese mitunter bereits zu Beginn ihrer eigentlichen Entfaltung. Wir kommen nicht mehr in den Markt, weil wir kein Widereinstiegsniveau finden und sehen frustriert zu, wie sich unsere Erwartungshaltung entfaltet, nur leider ohne uns.
Hier brauchen wir ebenfalls ein Hilfsmittel, welches uns ganz automatisch erlaubt, unseren Hauptimpuls zu handeln. Setzen wir dieses Hilfsmittel konsequent ein, heißt das natürlich nicht, dass wir kein Geld mehr verlieren. Aber wir verlieren es nicht mehr wegen emotionaler Fehler, geistiger Lähmung oder anderer Unpässlichkeiten, sondern dann schon eher, weil unser Plan falsch war. Aber ganz ehrlich: das ist dann ein GUTER VERLUST !! Lieber auf der Grundlage einer sinnvollen, nachvollziehbaren und in sich logischen Methode ein wenig verlieren und sich damit dennoch sicher sein, weiterhin im Spiel zu bleiben und per Saldo erfolgreich aus dem Handel zu gehen, als durch Hektik, Unwissen, temporärer Panik oder Nervosität einen unkontrollierbaren Verlust anzuhäufen, welcher sich auch in allen Folge-Trades erneut einstellen kann.
Damit sind wir bei den Hedge- und Scalping Positionierungen. Stellen Sie sich unsere Kern-Position als unseren „Flugzeugträger“ vor, welcher von Kurs A zu Kurs B „fahren“ soll, basierend auf unserer Analyse, unseren Schlussfolgerungen und dem daraus skizzierten Szenario. Mit dieser Position möchten wir möglichst viel des als möglich erwarteten Potentials aus der Kursbewegung ziehen. Da die Börse auch intraday keine Einbahnstraße ist oder wir mit unserer Kern-Position auch kompletten Schiffbruch erleiden könnten, weil unser Szenario einfach falsch war, kommen jetzt unsere Hedge- und Scalping Positionen (unsere Beiboote) ins Spiel. Diese sollen uns flankieren, gegebenenfalls (da wo es sich anbietet) unsere ohnehin bestehende Kern-Position noch zusätzlichen Zunder geben durch eine Hebelung in Richtung der im Szenario erarbeiteten Grundrichtung des Tages (oder Vor- oder Nachmittages). Oder aber wir besichern unsere Kern-Position durch das Eingehen einer Gegenposition, weil der Markt in die entgegengesetzte Richtung drängt.
Was ist denn jetzt das Besondere?
Wenn Sie bis hierher aufgepasst haben, wird sich Ihnen jetzt die Frage aufdrängen, worin jetzt das Besondere an dieser Herangehensweise liegt. Auch hier eröffnen wir eine Position und stellen sie wieder glatt, wenn wir entweder gut im Plus liegen oder unser Stopp-Kurs im negativen Falle erreicht wurde. Das „Besondere“ dieser Herangehensweise liegt einmal mehr in der „Überlistung“ unserer „geistigen Trägheit“. Ich möchte es an einem Beispiel erklären: stellen Sie sich vor, Sie gehen eine Kaufposition mit 9.400 im FDAX ein (Sie gehen long) und erreichen jetzt ein Kursniveau (z.B. 9.430), bei dem Sie diese Position wieder glattstellen, weil Sie der Meinung sind, der jüngst gesehene Aufwärtsimpuls könnte ausgereizt sein. Ihre Analyse hat allerdings ein Kurs-Ziel-Szenario hervorgebracht, wonach Sie 9.480 als ein realistisches Potential für den laufenden Bewegungsimpuls festgelegt haben. Mit dem Kauf bei 9.400 und dem Verkauf bei 9.430 haben Sie 30 Punkte realisiert, in Ihrem Kopf ist dieser Trade abgeschlossen. Unser Gehirn (evolutionär so geprägt, dass es jetzt wieder in den Spargang umschalten kann) hat keinen Grund mehr, die vollen 100 Prozent Aufmerksamkeit weiter aufrechtzuerhalten. Sie haben Ihren Gewinn eingefahren, alles ist gut. Jetzt können Sie sich wieder leicht ablenken, es fällt Ihnen schwer, einen Neueinstieg zu finden, denn im Grunde (sagt das Gehirn), haben Sie doch alles erreicht für den Tag. Und schon verpassen Sie den Neueinstieg und die folgenden 50 Punkte macht der Future ohne Sie.
Mit der Methodik der Kern-Position und ihrer „Beiboote“, bauen Sie in Ihrem Gehirn eine ganz andere Konstellation auf, denn jetzt bleiben Sie mental im Spiel. Sehen wir uns das gleiche Beispiel an: Sie steigen mit 9.400 auf der Kaufseite in den Markt. Der FDAX schnellt auf 9.430, Ihr Szenario sagt aber 9.480 als Ziel voraus. Sie überprüfen Ihre Position nach der Methode des Conviction-Circles und stellen fest, dass die Grundparameter weiterhin stimmen, es gibt aktuell keinen Grund die Kern-Position zu schließen. Dennoch leiten sich in Ihrer Analyse, welche Sie ununterbrochen durchführen, Indikationen ab, welche eine temporäre Zwischenkonsolidierung erwarten lassen. Folglich verkaufen Sie eine Position mit 9.430.
Was haben wir jetzt in der Realität? In der Realität sind wir glatt. In unserem Kopf aber sind wir weiterhin positioniert, denn wir haben eine Kauf-Position mit 9.400 und (!) wir haben eine Verkaufs-Position mit 9.430. Verstehen Sie den Unterschied? Sie haben Ihre Position NICHT GLATT GESTELLT, Sie HABEN JETZT ZWEI POSITIONEN. Ihr Gehirn bleibt wach, es arbeitet weiter im Hochleistungsmodus, denn es muss jetzt zwei Positionen handeln. Jetzt wird auch im Falle eines erneuten Kursschubes ein Widereinstieg einfacher: (a) klettert der Markt weiter, haben wir für unseren Short eine Stopp-Kurs-Order, welche erreicht wird und damit den Short, unseren Hedge, schließt. Und damit sind wir wieder in unserer Kern-Position. Oder (b) der Future fällt und wir realisieren irgendwann einen Gewinn auf unseren Short, in dem wir den verkauften Kontrakt wieder eindecken – wir sind damit praktisch wieder long. Kommen wir an Ausbruchs-Niveaus, macht es Sinn, durch die Hinzunahme eines zweiten Kontraktes, den bestehenden Kontrakt der Kern-Position zu hebeln. Sie scalpen sich praktisch nach oben, OHNE IHRE KERN-POSITION anzufassen. Ändert sich das Gesamtumfeld so, dass es Einfluss auf Ihren Conviction-Circle hat, beenden Sie Ihre Gesamttransaktion durch die Herausnahme Ihres „Flugzeugträgers“, Sie stellen die Position komplett glatt.
Ich hoffe, mich verständlich gehalten zu haben: natürlich handeln Sie nur eine Position. Aber um diesem „Offen-Zu“ Rhythmus, dem nachweislich bei jedem „Zu“ ein Aufmerksamkeitstief folgt, zu entgehen, bietet sich der Gedanke, eine oder zwei Positionen gleichzeitig zu führen an, um genau diese temporären Erschöpfungsphasen unseres Gehirns, welche uns unmerklich aber wirkungsvoll blockieren, zu umschiffen.
Ich fasse somit noch einmal zusammen: Über unser morgendliches Handelstagebuch, erstellen wir für den DAX / FDAX unsere Analyse auf der Grundlage des im Text beschriebenen Conviction-Circles. Unser Arbeitsblatt für den Tag, definiert (neben allen Arbeitsparametern, welche Ihnen Ihre Tagesarbeit im FDAX oder FGBL erleichtern soll) UNSERE Kern-Positionierung. Über unseren Stream folgen wir unserem „Flugzeugträger“, überprüfen unsere Conviction-Circle-Analysen und Schlussfolgerungen auf ihre fortgesetzte Richtigkeit und „steuern unsere Beiboote“. Schlussendlich fassen wir am Abend zusammen, was wir richtig und was wir falsch gemacht haben.
Allabendliche Reflektion
Welchen Sinn hat eine allabendliche Reflektion dessen, was man über den Tag gehandelt hat? Es geht hierbei nicht um Beweihräucherung oder Geißelung. Man führt auch keine Einzel-Trades auf – darum geht es nicht. Der Hintergrund dieser Maßnahme ist es zu überprüfen, ob man in seiner Analyse richtig lag, was verbesserungswürdig ist und vor allen Dingen: was lief nicht so gut? Wo hätte man im Sinne des aufgestellten Regelwerkes konsequenter, schneller arbeiten müssen. Gab es Parallelen zu vergleichbaren Marktphasen, in denen man vergleichbar gehandelt hat?
Haben wir diese Arbeitsweise, welche eine von vielen sein kann, komplett verinnerlicht, beherrschen wir diese im Schlaf, dann haben wir zumindest eine Chance, im ersten Drittel der Liga mitzuspielen und nicht mittig innerhalb der „Nahrungskette“ zu stehen.
Uwe Wagner
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Danke !!
Wieder ein sehr guter Artikel. Vielen Dank!
Servus Herr Wagner,
da gibt es nichts weiter zu sagen. Danke für diesen Beitrag.