Point & Figure für Alle – Teil 2: Trend- und Kurszielbestimmung
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Erwähnte Instrumente
Kennen Sie bereits Point & Figure-Charts? Also die zeitlose Chartdarstellung, die die Informationen in einem Chart auf das wesentliche reduzieren? In dieser Artikelserie wollen wir die Welt der Point & Figure-Charttechnik kennenlernen.
- In ersten Teil zum Thema Point & Figure ging es um die Darstellungsform selbst - sowie die wichtigsten Einstellungsparameter (hier).
- Im heutigen zweiten Teil geht es um Point & Figure Trendlinien und Kurszielbestimmung
- Im dritten Teil geht es um Point & Figure-Muster und Signale (hier)
Die Point & Figure Darstellung steht in der Guidants Plattform im Chart Widget zur Verfügung. Dort kann der Anwender im Menü neben Linien-, Kerzen- auch die Point & Figure Darstellung der Kursdaten auswählen.
Die 45 Grad Point & Figure-Trendlinie
Die 45 Grand Point & Figure Trendlinie wird überwiegend bei der 3er Umkehr eingesetzt. Im quadratischen Kästchengitter der Point & Figure Darstellung verläuft diese Trendlinie von einem markanten Tief oder einem markanten Hochpunkt ausgehend genau in einem 45 Grad Winkel. Mehrere Auflagepunkte sind nicht notwendig. Der Bruch der Trendlinie erfolgt, wenn ein Kästchen ohne Berührung komplett jenseits der Linie eingezeichnet wird.
Wie bei allen Trendlinien gilt auch hier: Je mehr Berührungspunkte die Trendlinie hat, desto signifikanter wird sie und desto signifikanter ist ein Bruch derselben. Zur Konstruktion ist jedoch nur ein Punkt notwendig: Die Trendlinie kann also bereits sehr früh direkt am Wendepunkt eingezeichnet werden.
Ein Ergebnis dieser objektiven Trendlinienregel ist, dass es bei Point & Figure nur Aufwärts- oder Abwärtstrends gib. Ein „trendloser“ Zustand (Seitwärtstrend) existiert nicht. Die Konstruktion der 45 Grad Trendlinie ist eindeutig.
Im Chart Widget der Guidants Software steht ein Werkzeug zur Verfügung.
Das Werkzeug zeichnet automatisch eine Trendlinie mit einem fixen Winkel von 45 Grad in ein Point & Figure Chart ein. Es muss daher nur eine Säule (Spalte) als Ausgangspunkt ausgewählt werden. Die 45 Grad Point & Figure Trendlinie weist auch automatisch in die richtige Trendrichtung.
Betrachten wir ein Beispiel: Gold im langfristigen Chart, mit einer Boxgröße von 2,0 % über mehrere Jahre.
Abbildung: Gold-Kurs in der Point & Figure Chartdarstellung. Parameter: Boxgröße = 2,0 %, Umkehr = 3, High/Low Trendfolge, Tagesdaten. Stand 2.12.2013.
Eine 45 Grad Aufwärtstrendlinie setzt im Jahrestief 2008 am Wendepunkt A an. Der Bruch erfolgte relativ spät. Es gibt daher das Konzept paralleler, interner 45 Grad Trendlinien, wie sie A_int1 darstellt. Hier erfolgte der Bruch früher und signalisierte bereits die Trendwende.
Nach dem Bruch von A wird die neue 45 Grad Abwärtstrendlinie gesucht. Wir betrachten zunächst innerhalb des Kursgeschehens des nunmehr gebrochenen Aufwärtstrends das höchste X einer X-Säule (also das Hoch innerhalb des alten Aufwärtstrends) und zeichnen von dort eine neue 45 Grad Abwärtstrendlinie wenn dies ohne Unterbrechung durch rechts liegende Kurse möglich ist. Dies ist häufig der Fall, jedoch im vorliegenden Gold-Chart wäre die Linie nicht ununterbrochen (bitte selbst ausprobieren); sei würde durch die oberen X und O bei Punkt B laufen. Daher suchen wir rechts vom Mehrjahreshoch ein Folgehoch. Punkt B als Ansatzpunkt ist die Lösung und erlaubt das Einzeichnen einer nach rechts ununterbrochenen Abwärtstrendlinie.
Der Vorgang gilt entsprechend umgekehrt im Falle des Bruchs einer Abwärtstrendlinie.
Auch zur 45 Grad Trendlinie B lässt sich eine parallele, interne Trendlinie B_int1 einzeichnen. Sie ist signifikant, denn sie hat viele Berührungspunkte. In die Zukunft blickend gilt: Der Bruch der Abwärtstrendlinie B_int1 wäre ein erstes Zeichen für einen Trendwechsel.
Ein Trendbruch ist ein wichtiges Signal und kann im Zusammenhang mit einem neuen lokalen Tief oder Hoch (welches immer auch zu einem Point & Figure Muster führt, siehe Teil 3) gehandelt werden.
Allgemein gilt die Handelsregel: Trendfolgend werden nur Kaufsignale über einer Aufwärtstrendlinie gehandelt und Verkaufssignale werden nur unter einer Abwärtstrendlinie gehandelt. Ein Trendbruch geht zumeist mit einem Handelssignal einher.
Natürlich hängen die konkreten Handelsaktivitäten von der Granularität der Darstellung der Point & Figure Charts ab. Die vorige Abbildung mit einer Boxgröße von 2,0 % liefert uns sehr langfristige Signale.
Betrachten wir abschließend denselben Wert in einer kurzfristigen Darstellung
Abbildung: Gold-Kurs in der Point & Figure Chartdarstellung. Parameter: Boxgröße = 3 (absolute Skalierung), Umkehr = 3, High/Low Trendfolge, 15-Minutendaten. Stand 2.12.2013.
Auch hier erkennen wir 45 Grad Trendlinien und jeweils parallel dazu interne 45 Grad Trendlinien (dünn gezeichnet). Eine mögliche Erholung bei Gold liefert beim Bruch der internen abwärts weisenden Trendlinie ein erstes Signal, dass für potentiell Käufer wichtig ist. Im obigen Beispiel wäre dies bei Notierungen über etwa 1.255 $ der Fall. Doch erst der Bruch der primären Abwärtstrendlinie gilt als nachhaltigeres Signal.
Die Kurszielbestimmung
Um die typische Ausdehnung einer Abwärtsbewegung oder einer Aufwärtsbewegung zu bestimmen, nutzen wir die Point & Figure Kurszielbestimmung. Es gibt zwei Varianten.
Vertikales Kursziel
Es wird eine Säule als Ausgangspunkt ausgewählt. An einer Aufwärtsbewegung (X-Säule) wird ein Aufwärtsziel bestimmt. An einer Abwärtsbewegung (O-Säule) ein Abwärtskursziel.
Derartige Zielbestimmungen sind an wichtigen Wendemarken (nicht an beliebigen Säulen) sinnvoll. Die 3er Umkehr ist dabei die übliche zugrundeliegende Darstellungsform.
Die Berechnungsformel lautet:
- Bei einer Aufwärtsbewegung: vertikales Ziel = Basis + Anzahl der Boxen*Boxgröße*Umkehr
- Bei einer Abwärtsbewegung: vertikales Ziel = Basis - Anzahl der Boxen* Boxgröße*Umkehr
- Die Basis ist dabei jeweils das Tief einer X-Säule bzw. das Hoch bei einer O-Säule.
Erfreulicherweise nimmt uns ein Werkzeug die manuelle Rechenarbeit ab (sie wäre insbesondere im Falle von prozentualen Darstellungen mühsam).
Das Werkzeug aus dem Tool-Menü bestimmt automatisch ein vertikales Kursziel bei einem Point & Figure Chart.
Ein Beispiel
Abbildung: Gold-Kurs in der Point & Figure Chartdarstellung. Parameter: Boxgröße = 3 (absolute Skalierung), Umkehr = 3, High/Low Trendfolge, 15-Minutendaten. Stand 2.12.2013.
Wir betrachten dasselbe Chart wie zuvor beim Thema 45 Grad Trendlinie. Von links nach rechts:
- Ein vertikales Aufwärtskursziel von 1.347 $ wurde vom Wendebereich des Aufwärtstrend ausgehend bestimmt. Hierbei wird der ursprüngliche Ausbruchsimpuls zweimal verlängert (oder von der Basis ausgehend die Anzahl der Boxen (10) mit der Boxgröße (hier 3) und mit der Umkehr (3) multipliziert. Insgesamt also 90 Punkte als erwartete Ausdehnung für die Aufwärtsbewegung – abgetragen von der Basis bei 1.257 Punkten – ergibt das 1.347 $ Kursziel.
Kursziele bei Point & Figure erheben keinen Anspruch auf perfekte Genauigkeit. Im vorliegenden Beispiel kann das Ziel durchaus als getroffen gelten und lieferte einen guten Hinweis auf die zu erwartende Ausdehnung.
- Die folgende Abwärtsbewegung lieferte zunächst ein ersten Ziel bei rund 1.300 $. Es wurde erreicht. Daher wird ein Folgeziel gesucht, von einer weiteren O-Säule die aus einer Gegenbewegung nach unten ausbricht. Auch das nächste Ziel bei 1.254 $ wurde erreicht. Aktuell (Stand 2.12.2013) noch offen ist ein vertikalen Folgekursziel bei 1.191 $.
Horizontales Kursziel
Horizontale Zielbestimmungen sind an Stauzonen sinnvoll, aus denen nach einer Seitwärtsbewegung der Kurs wieder ausbricht. Die Anzahl der Säulen der Stauzone bestimmt das Kurspotenzial.
Die Berechnungsformel lautet:
- Ein horizontales Kursziel berechnet sich bei einer Bodenbildung und Ausbruch nach oben wie folgt: horizontales Ziel = Basis +Breite*Boxgröße *Umkehr. Die Basis ist das dabei das Tief der Stauzone.
- Bei einer Topbildung und Ausbruch nach unten: horizontales Ziel = Basis -Breite*Boxgröße *Umkehr. Die Basis ist das Hoch der Stauzone.
Auch in diesem Fall nimmt uns ein Werkzeug die manuelle Rechenarbeit ab.
Das Werkzeug berechnet automatisch ein horizontales Kursziel bei einem Point & Figure Chart. Es müssen zwei Säulen ausgewählt werden. Bei einem Aufwärtskursziel werden links eine O-Säule und rechts eine X-Säule ausgewählt. Bei einem Abwärtskursziel werden links eine X-Säule und rechts eine O-Säule ausgewählt.
Wir erweitern das vorige Chart um horizontale Kursziele:
Abbildung: Gold-Kurs in der Point & Figure Chartdarstellung. Parameter: Boxgröße = 3 (absolute Skalierung), Umkehr = 3, High/Low Trendfolge, 15-Minutendaten. Stand 2.12.2013.
Wir können zwei sinnvolle horizontale Kursziele dem vorigen Chart hinzufügen. Von links nach rechts:
- Ein horizontales Aufwärtskursziel von 1.344 $ wurde vom Wendebereich ausgehend bestimmt. Der Wendebereich wird deutlich durch eine abwärts weisende O-Säule (links) und durch eine nach oben ausbrechende X-Säule (rechts) begrenzt. Dazwischen liegt eine Stauzone (Seitwärtsbewegung). Die Breite (10 Säulen) multipliziert mit der Boxgröße (3) und der Umkehr (3) definiert nun das Kursziel. Abgetragen vom Boden bei 1.254 $ ergibt dies ein Kursziel von 1.344 $.
- Das Kursziel stimmt mit dem vertikalen Impulsziel fast überein. Dies ist ein positives Zeichen und stärkt die Aussage zum erwarteten Zielkursniveau.
- Die folgende Abwärtsbewegung zeigt ebenfalls eine ausgeprägte Wendezone mit einer linken X-Säule und einer rechts liegenden ausbrechenden O-Säule. Das Kursziel von 1.254 $ liegt deutlich unter dem initialen vertikalen Kursziel von 1.299 $. Später jedoch, als ein vertikales Folgekursziel bestimmt wurde nachdem das erste Kursziel erreicht war, finden wir erneut eine Übereinstimmung von horizontalem und vertikalem Kursziel.
Ausblick: Für das aktive Handeln fehlt uns noch das Konzept der Point & Figure Muster. Sie bilden die Basis für Chance-Risiko Betrachtungen und für konkrete Einstiegs- und Ausstiegspunkte. Mehr hierzu im nächsten Teil der Artikelserie: Point & Figure für Alle - Teil 3: Muster und Signale
Literatur zum Thema Point & Figure
- Deutsch: Scholl, Reinhard: Point & Figure – Traden mit der zeitlosen Charttechnik. FinanzBuch Verlag, 2013
- Englisch: du Plessis, Jeremy: The Definitive Guide to Point and Figure. Harriman House Ltd., 2. Auflage 2012
(geschrieben von Reinhard Scholl)
Passende Produkte
WKN | Long/Short | KO | Hebel | Laufzeit | Bid | Ask |
---|
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.