Kommentar
06:10 Uhr, 14.05.2014

Wirkt "Quantitative Easing" in der Realität ganz anders als angenommen?

Die gängige Annahme lautet, dass mit genug "geldpolitischer Lockerung" automatisch Inflation entsteht. In den USA werden Stimmen laut, die das Gegenteil behaupten. Und auch andere negative Folgen von QE rücken in den Vordergrund.

Erwähnte Instrumente

Während in Europa der Ruf nach „Quantitative Easing“ lauter wird, werden in den USA die Käufe von Staatsanleihen durch die Fed nicht nur monatlich reduziert, sondern mittlerweile auch von prominenteren Stellen, noch bevor das Programm überhaupt erkaltet ist, zu Grabe getragen. Beispielsweise von Larry Summers auf der INET Conference, vom letzten Monat:

„..what are the distribution consequences of reducing discount rates and boosting asset prices when it is the top of society that owns all the assets?“

Letzten Mittwoch nun stimmte auch Paul Gambles (MBMG Group) in den Chor der QE-Kritiker ein, und warnte vor einem monströsen „Market Meltdown“, wenn die Investoren ihr Missverständnis bezüglich den Ankäufen (QE == Money Printing) realisieren. Seiner Meinung nach ist das Programm nämlich nicht nur ganz und gar nutzlos bei der Erzeugung von Preisdruck, sondern wirkt sogar regelrecht deflationär.

Vorneweg: Nichts von dem, was der Managing Partner von MBMG so elegant formuliert ist wirklich neu, und die Hinweise, dass „Asset Swaps“ nichts mit „Geld drucken“ zu tun haben, verhallen schon seit Jahren ungehört.

Gambles bezieht sich auf das Quarterly Bulletin der Bank of England mit dem Titel „Money Creation in the Modern Economy“, in welchem die irrige Annahme beseitigt wird, dass die Erzeugung von Überschussreserven resultierend aus dem Kauf von Staatsanleihen durch die Zentralbanken, Einfluss auf die Kreditvergabe der Geschäftsbanken hat:

„Another common misconception is that the central bank determines the quantity of loans and deposits in the economy by controlling the quantity of central bank money — the so-called ‘money multiplier’ approach..“

Banken können wie die BoE erklärt, theoretisch immer Kredit in fast beliebiger Höhe schaffen, und Einlagen sind dabei nicht Ursprung, sondern viel mehr Resultat der Geldschöpfung. Auch Standard & Poors hat diese Mechanik schon vor einiger Zeit [Link "anschaulich illustriert" auf www.standardandpoors.com/... nicht mehr verfügbar] .

Obwohl die Notenbanker sich meiner Meinung nach wahrscheinlich sehr bewusst waren, dass möglicherweise ein Großteil der Investoren mit ihrem Glauben an eine hemmungslose „Gelddruckerei“ über Jahre falsch lag, wurde diese Auffassung von offizieller Seite nie dementiert - QE war schließlich von Beginn an hauptsächlich als psychologische Waffe angedacht, um das Bekenntnis zu einer höheren Inflation glaubhaft wirken zu lassen („Signaling Effect“).

Nach der Kritik am „Money Multiplier Effect“ macht sich Gamble an die Dekonstruktion eines weiteren Übertragungskanals von QE, dem sogenannten „Wealth Effect“.

Laut der wenig hinterfragten These führen die Ankäufe von Staatsanleihen zu einem sogenannten „Portfolio Rebalancing“, d.h. Anleger verkaufen ihre Bonds an die Zentralbank und investieren die Erlöse in risikoreichere Vermögenswerte, welche in der Folge an Wert gewinnen. Dies wiederum führt dazu, dass die Verbraucher sich „reicher“ fühlen und ihre Konsumausgaben steigern, was dann in mehr Inflation resultieren sollte. Für Gamble ist jedoch selbst dieser bisher kaum bestrittene Prozess ab einem gewissen Zeitpunkt grundsätzlich infrage zu stellen:

„Just think of a property market where unclear job or income prospects make consumers nervous about borrowing but house prices keep going up. The higher prices may act as either a deterrent or a bar to market entry, such as when first time buyers are unable to afford to step onto the property ladder. „

Die Kreditnachfrage hänge schließlich nicht nur von der Höhe des aktuellen Zins, sondern auch von zahlreichen anderen Faktoren wie Jobsicherheit, Zuversicht in die Wirtschaft, etc. ab. Steigen nun z.b. die Hauspreise (getrieben von großen Institutionellen Investoren) kontinuierlich an, ändert sich der Charakter dieses Preisdrucks und morpht von Anreiz zu Hürde, was sich beim Privatinvestor in Paralyse anstatt Kaufpanik niederschlägt.

Angenommen das Ankaufprogramm wirkt aus diesen (und anderen) Gründen tatsächlich schädigend, und die Investoren fangen an den Braten zu riechen – wäre wirklich ein Marktkollaps die Folge? Ich weiß es natürlich nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass eine Neubewertung von QE aus tapering-politischen Gesichtspunkten möglicherweise sogar äußerst wünschenswert wäre, denn: Was, wenn nicht super-bullisch wäre die Rückabwicklung eines potentiell deflationären Programms?

Simon Hauser

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5 Kommentare

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  • Harald Weygand
    Harald Weygand Head of Trading

    hi Simon, grüß dich :-)

    sehr guter beitrag!

    00:46 Uhr, 15.05. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • student
    student

    Seit der Deregulierung ist es Praxis, dass sich Banken von der kreditabhängigen Normalwirtschaft völlig abkoppeln und nur noch spekulativ und virtuell Geschäfte machen. Daran lässt sich nur etwas ändern, wenn eine Bindung zur Realität durch Regulierung wiederhergestellt wird. Erst dann werden sie wieder SYSTEMrelevant.

    14:48 Uhr, 14.05. 2014
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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