Kommentar
22:45 Uhr, 30.03.2015

Wie bereitet man sich sinnvoll auf den Handelstag vor?

Der Vorbereitung des Handelstages kommt eine besondere Bedeutung zu, wobei man sich von einer gewissen Komplexität nicht abschrecken lassen sollte. Hier stellen wir unsere ersten Weichen für einen möglichen erfolgreichen Handelstag.

Erwähnte Instrumente

Wir unterteilen die Vorbereitung in zwei Abschnitte, wobei wir auf der einen Seite von einer „grundsätzlichen Handelsvorbereitung“ sprechen und auf der anderen Seite von einer „konkreten Tagesvorbereitung“. Gewöhnt man sich hier einen gewissen Rhythmus und eine stetige Kontinuität bei der Abarbeitung dieser Arbeitsschritte an, greifen diese ohnehin ineinander, womit sie Bestandteil unseres normalen Tagesablaufes werden und nur einen überschaubaren Arbeitsaufwand benötigen. Wichtig ist die Kontinuität, das „immer am Ball bleiben“.

Was verstehen wir unter einer „grundsätzlichen Handelsvorbereitung“?

„Grundsätzliche Handelsvorbereitungen“ sind ein breit gefasster Begriff. Hierzu zähle ich alles, was wir als Basiswissen um das Börsengeschehen herum bezeichnen könnten. Dieses Basiswissen wird abgedeckt durch eine allgemeine, aber auch regelmäßige Information aus Nachrichten, Dokumentationen im Fernsehen und Wirtschafts- und Politikartikeln in der Presse / Internet. Wenn wir hier über ein breites Wissensfundament verfügen, welches wir zusätzlich durch das Lesen von Fachartikeln und aus anderen Informationsquellen stetig erweitern, lassen sich die aktuellen Nachrichten und Entwicklungen rasch und einfacher bewerten und einordnen.

Ich kenne keine stetig guten Trader, die nicht auf ein breites Wissen des Zeitgeschehens zurückgreifen konnten, ich glaube, hier greift eines ins andere.

Aber auch auf die „konkrete Handelsvorbereitung“ kommt es an

(1) Die Nachbereitung

Unsere „konkrete Handelsvorbereitung“ beginnt im Grunde bereits am Vorabend bei der Nachbereitung des Handelstages. Diese Nachbereitung sollte auf keinen Fall unterschätzt werden.

Besonders der rasche Futures-Handel basiert auf dem zweckmäßigen Einsatz eines Handelsregelwerkes aber auch auf Erfahrung und „Marktgefühl“. Das ist jetzt rasch daher gesagt, ich möchte es somit konkretisieren und auch aufzeigen, wie wir uns diese Erfahrung und das „Marktgefühl“ durchaus in einem überschaubaren Zeitfenster durch eine gute Nachbearbeitung des Handelstages aneignen können.

Im Vorfeld habe ich bereits des Öfteren darauf verwiesen, dass der Handel nach Regelwerk nicht das „Primat“ darstellt, sondern sogar nur sekundärer Natur ist. Das Primat bildet das Verständnis der Aktivitäten der Marktteilnehmer: Kurzfristhandel - wann dominiert dieser, wie bewegt sich der Markt in Phasen seiner Dominanz, wie erkenne ich diese Akteure im Markt? – Woran erkenne ich Arbitrage oder auch direkte Finalorders im Markt, wie kann ich daran profitieren? Da diese Akteure leider nicht mit Fähnchen schwenken, wenn sie im Markt aktiv werden (oder diesen wieder verlassen), müssen wir ein Gespür für ihre Spuren im Markt entwickeln. Hierzu hilft es, wenn Sie sich jeden Tag den intraday-Chart Ihres Marktes ausdrucken und diesen nachträglich mit Ihren Anmerkungen versehen.

(a) Markieren Sie zunächst all Ihre Trades im Kursverlauf und vermerken Sie dazu in kurzen Stichpunkten, was Sie getan haben und warum. Besonders wertvoll ist es, wenn Sie kurz aufschreiben, wie Sie den Markt in diesem Moment empfunden haben. Was haben Sie im Bezug auf die Akteure gefühlt? Wie dachten Sie, sind deren Bücher (long, flat, short)? Es sind diese „Nebensächlichkeiten“, welche das „Gefühl“ für das Aufspüren und Erkennen der Akteure wichtig sind. Die Börse bewegt sich zwar jeden Tag anders, aber dennoch ist die Entwicklungsvielfallt nicht unendlich. Je länger Sie sich mit dem Kursverhalten des Marktes in Form dieser Nachbearbeitung befassen, umso auffälliger werden Sie Ähnlichkeiten feststellen, was „Ahnungen“ erlaubt und zunehmend zuverlässiger werden lässt.

(b) Markieren Sie sich im intraday-Verlauf auffällige Kursabschnitte, auch wenn Sie dort nicht aktiv wurden. Schreiben Sie sich in Stichpunkten dazu: „Hier Arbitrage aktiv – Orderfluss im Kassemarkt“ oder „Kurzfristhandel unter sich, keine Finalorder im Markt gewesen“. Der Sinn dieser Maßnahme korreliert mit den Ausführungen unter (a).

Mit der Zeit baut sich ein Grundverständnis für das Geschehen am Markt auf, welches einige Jahre Erfahrung im Handel kompensieren kann.

(2) Bewertung der Rahmenbedingungen des Tages

Der Handelstag beginnt mit der Einschätzung der Rahmenbedingungen. Hierzu zählen die fundamentalen Eckpunkte, praktisch die „Großwetterlage“. Interessant ist z.B. die Klärung der Frage, wie mögliche Geldströme im Markt fließen, wer könnte kaufen und warum, was machen die Zentralbanken? Wie sind die Investoren positioniert, was machen aktuell die Fonds und Versicherungen (als Finalkunden). Verschaffen Sie sich einen Überblick über mögliche Auffälligkeiten und mögliche Probleme – dazu zählen z.B. auffällige Open Interest im Optionsmarkt (finden Sie im Internet).

Wo bekommen wir diese Nachrichten und Informationen her? Hier möchte ich vorweg pauschal sagen: suchen Sie sich Gleichgesinnte, mit denen Sie arbeiten können und wollen. Ideal wäre es, wenn diese Kontakte in den Berufshandel haben (das sind immer noch die besten Quellen) oder doch wenigstens gute Informationsquellen aus dem Internet kennen. Allein zu kämpfen, auf sich selbst gestellt zu sein, bringt auf Dauer kaum stetigen Erfolg.

(3) Durchführung der Marktanalyse

Nach dem Abstecken der Rahmenbedingungen lege ich z.B. den Fokus auf die Analyse des Marktes. Hier sehe ich mir zunächst den Hauptmarkt an, nämlich den Markt, den ich handle. Ich persönlich halte nichts davon, viele verschiedene Märkte zu handeln. Dann handelt man alles ein bisschen, aber nichts richtig. Gehen Sie Ihren Hauptmarkt in verschiedenen Zeitfenstern durch. Den Wochenchart eher selten, aber Tages- und Stunden-Chart regelmäßig. Skizzieren Sie sich Szenarien für den Tag. Was könnte passieren, ab wann haben Sie sich geirrt, ab wann ist Ihr Szenario hinfällig?

Neben dem Hauptmarkt (z.B. FDAX) kommen auch die „Randmärkte“ zum Tragen, nämlich jene, welche das Bild abrunden (z.B. Rentenmarkt) oder Währungsmärkte. Darüber hinaus sehen wir uns die Märkte an, welche gerade „in Mode“ sind, also (temporär) starke Beachtung im Markt haben. Als ich in Spanien in der Deutschen Bank den IBEX-Handel verantwortete, gab es mal einige Monate, da wurde der Bovespa (Brasilien) stark beachtet und als Leitindex betrachtet. Es spielt keine Rolle, ob wir das für sinnvoll halten oder nicht – wenn die Mehrheit der am Markt agierenden Teilnehmergruppen es für wichtig hält, tun wir das auch.

Welche Grundkenntnisse sollten wir haben? Die Grundregeln der Technischen Analyse sollten sitzen. Allein weil die Technische Analyse ein tolles Analyse-Regelwerk bereithält, ist dieses Vorgehen der einzig sinnvolle Ansatz, der uns sagt, wann wir uns geirrt haben. Ein weiterer wichtiger Grund ist die Tatsache, dass der Markt sehr gut technisch gehandelt werden kann, wenn der Kurzfristhandel dominiert. In einem solchen Falle greifen für gewöhnlich gängige Regelwerke. Kommen Arbitrage bzw. Finalorders dazwischen, können Sie dagegen den sinnvollen Einsatz technischer Regelwerke zurückstellen.

Darüber hinaus sollte man Kenntnisse über Form, Definition und statistischer Trefferquote von exakt definierbaren Kursmustern haben. Beachten Sie bitte, dass Muster nicht gleich Muster ist, sondern deren Trefferquote bei gleicher Ausprägung und gleicher Lage im Markt von Wert zu Wert mitunter heftig variieren kann.

Was sollte man lesen, um sich hier Rüstzeug und Informationen zu holen? Ich persönlich ziehe Fachzeitschriften den Fachbüchern vor, da Zeitschriften aktueller, interessanter, kürzer, kompakter und auf eine breitere Autorenschaft zugreifender sind, als Bücher. Wenn man sich mit der Presse beschäftigt, um sich besonders mit politischen und wirtschaftlichen Aspekten zu befassen, bevorzuge ich Presseartikel, welche nicht dem Mainstream entsprechen. Es sind mitunter die Randzeitungen, welche andere und mitunter tiefergehende Analysen bereithalten, als „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und Co.

(4) Zahlen und Daten

Welche Zahlen stehen heute an? Welche Daten werden vom Markt als wichtig angesehen? Drucken Sie sich jeden Morgen die Datenaufstellungen aus. Lernen Sie auch, was die einzelnen Zahlen wirklich widerspiegeln. Kennen Sie die Bedeutung der Kennziffern? Erstellen Sie sich auch hier börsentäglich eine kleine Aufstellung mit Szenarien, was passieren könnte bei Abweichungen der Daten von ihren veröffentlichten Schätzungen.

Das klingt alles recht umfangreich, aber glauben Sie mir: wenn Sie diese Schritte routiniert börsentäglich abarbeiten, beschränkt sich Ihre konkrete Handelsvorbereitung am Morgen auf maximal eine Stunde und am Abend auf 30 Minuten. Wenn wir aber bedenken, dass uns diese Vorbereitung tagtäglich wertvolle Punkte liefern kann, sollte man sich diese Ablauf-Routine unbedingt angewöhnen.

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3 Kommentare

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  • rezearcher
    rezearcher

    Eine sehr fundierte und hilfreiche Anleitung von Uwe Wagner für den komplexen Börsenalltag - davor und danach. Mir ist bereits einiges vertraut und kann daher hinzufügen, dass die Recherchen einiges an Zeit und Energie beanspruchen. Dennoch ist es wichtig, um sich einen Überblick für sämtliche Eventualitäten zu verschaffen. Danke!

    16:30 Uhr, 31.03.2015
  • Hellseherin
    Hellseherin

    All das Geschriebene hat "Hand und Fuß". Im Gegensatz zu den Chart-Wahrsagern mit Scheuklappen für all das, was Kurse in ihrer Gesamtheit beeinflusst.

    Denn, wenn Chart-Technik allein für sich ausreichend treffsicher funktionieren würde, könnte der Handel automatisiert erfolgen. Sozusagen im Autopilot-Modus, wo der Händler nur noch am Arbeitsplatz anwesend ist, um im automatisiert erkannten und signalisierten Notfallfall schnell manuell eingreifen zu können.

    09:33 Uhr, 31.03.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Uwe Wagner
Uwe Wagner
Technischer Analyst und Trader

Uwe Wagner arbeitete bereits während seines Wirtschaftsstudiums als Maklergehilfe an den Börsen in Berlin, Wien und Madrid. 1991 trat er dann in die Deutsche Bank AG ein, wo er eine fundierte Ausbildung im Wertpapier- und Derivatehandel erhielt – in Frankfurt/Main sowie in Chicago im International Trading Institute unter dem bekannten Warenhändler Toni Saliba. Innerhalb der Deutschen Bank AG durchlief Wagner diverse Etappen im Handelsbereich. So betreute er als DTB Market Maker zunächst diverse Werte, verantwortete anschließend den Options- und Future-Handel in der Deutsche Bank S.A. in Madrid und mehrere Jahre die spekulative Verwaltung von Teilen des Eigenkapitals der Bank über DB Advisor. Wagner baute innerhalb der Deutsche Bank AG das damals erste Internet-Tool für Technische Marktanalysen (dbS-Trade) auf und führte den systembasierten Handel in Future-Märkten. Sein Schwerpunkt liegt seit über 20 Jahren auf dem FDAX und dem Bund-Future-Markt, den er täglich analytisch seziert, um daraus Handelsszenarien zu entwickeln und diese dann auch aktiv umzusetzen. Seit 2003 lebt und arbeitet Wagner in Hamburg. Uwe Wagner ist aktiv im FDAX und Bund-Future tätig.

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