Kommentar
17:28 Uhr, 14.09.2014

Wer macht das Rennen – der Wissende oder der Erfahrene?

Die Hauptentscheidung zwischen Gewinn und Verlust wird nicht am Markt getroffen, sondern in unserem Kopf.

Erwähnte Instrumente

Was ist die Motivation hinter dem Realtime Future Trader Premium-Service? Es ist die Idee und der Versuch, einem interessierten, angehenden Trader, der seine ersten Schritte an der Börse bereits gegangen ist, oder diese gedenkt zu gehen, Wissen und Erfahrungen zu vermitteln, welche dieser nutzen soll, um seine Lernkurve zu verkürzen und um schneller im Börsengeschäft Fuß zu fassen. Mir ist dabei absolut bewusst, dass man auf diesem Wege nur eine Seite der Medaille unterstützen und fördern kann. Die andere Seite, nämlich das Sammeln von Erfahrungen, aber auch das ständige praktische Üben von Fertigkeiten, bis diese in Fleisch und Blut übergehen, obliegt jedem Einzelnen selbst und kann nicht durch das Lesen von Büchern und Artikeln oder dem Besuch von Seminaren, so praxisnah sie auch geschrieben und gestaltet sein mögen, ersetzt werden.

Mir wurde in den Jahren, in denen ich Schulungen von angehenden Händlern durchführte, hin und wieder die Frage gestellt, ob ich wirklich einen Nutzen darin sehe, neben praktischen Hinweisen und Regelwerkvermittlung auch theoretisches Wissen weiterzugeben. Die Frage zielte darauf ab, ob es nicht ausreichen würde, ein knappes, striktes Regelwerk zu vermitteln und dieses konsequent üben zu lassen, bis es sitzt. Die Überlegung hierbei war, dass zu viel theoretisches Wissen nicht sogar eher hemmen oder gar überfluten könnte.

Denkt man unvoreingenommen darüber nach, ist die Fragestellung nicht schlecht. Sie ist sogar recht realitätsnah. Und dennoch glaube ich, dass dies nicht der richtige Weg wäre, zumindest nicht, wenn man sich über den Hobby-Trader hinaus in die oberste Liga der Akteure entwickeln will. Um eine Chance zu haben, dauerhaft erfolgreich an der Börse bestehen zu können, müssen wir unseren Hauptgegner überwinden – uns selbst. Und dies gelingt nicht nur durch ein Höchstmaß an abrufbarem Wissen, sondern mittels der Fähigkeit, es in der Form abrufen und anwenden zu können, wie es unsere eigene Natur es zulässt. Ich glaube nicht, dass Erfolg im Handel bereits erzielt werden kann durch die Aneignung einiger Regeln und einer Portion Kaltschnäuzigkeit, diese auch diszipliniert anzuwenden. Damit wird man Gewinne realisieren können, Wochen, Monate, vielleicht Jahre. Aber es wird ein „Laufen auf dünnem Eis“ bleiben, bis die Realität uns einholt. In diesem Falle würden wir eine hohe Abhängigkeit vom Glück haben, aber keine unabhängige Grundstabilität. Und um diese geht es. Der Premium-Service soll helfen, ein solides Fundament zu schaffen, auf dem „die zweite Seite der Medaille“ geschmiedet werden kann.

Hierbei geht es vor allen Dingen darum, nicht dem Einheitsmuster zu verfallen, wonach die Aktivität des Tradings zunächst über den grünen Klee gelobt wird, um dann mit dem Vermitteln der „ultimativen“ Trading-Regeln den Eindruck zu vermitteln, dass damit der Weg zu einer erfolgreichen Trader-Karriere geebnet ist. Ich wehre mich sogar massiv dagegen, den Eindruck zu erwecken, Trading sei eine Sache, die ein jeder leicht erlernen kann und die einem jeden liegt, solange man sich nur an ein paar Regeln hält. Sicher, ein jeder kann Trader werden, so wie auch jeder den Beruf eines Chirurgen oder eines Piloten ergreifen kann. Aber wir wissen es doch alle selber, es gibt in jedem Beruf gewisse Hürden, die überwunden werden müssen und nicht jedem würde dieser Hürdensprung gelingen. Auch nicht jeder würde am Ende sagen, dass es nun genau der Traumberuf ist, mit dessen Ausbildung er bereits begonnen hat und sattelt dann doch konsequent um. Genauso ist es mit dem Beruf / der Berufung „Trader“. Trading ist ein Beruf wie jeder andere auch. Und dieser Beruf muss erlernt werden, von der Pike an aufwärts und wenn Sie nach einiger Zeit im Premium-Service vielleicht doch zu dem Schluss kommen, dass es Ihrem Empfinden nach doch nicht „der beste Job der Welt“ ist, dann hat das Ganze auch einen guten Zweck erfüllt, nämlich Sie womöglich vor unweigerlichen Verlusten, Nervenlassen und Frust bewahrt. Für alle anderen soll er ein Begleiter sein, der aufzeigt, in welche Fettnäpfchen, Fetttöpfe und ganze Fritteusen man treten kann, um es Ihnen dadurch vielleicht leichter zu machen, da wieder heraus zu kommen.

Ich habe eine fundierte fachliche Ausbildung erhalten, wie sicher die meisten Händler in großen Finanzhäusern. Aber es ging nicht ohne eigenen Zusatzaufwand, sicher auch guten und glücklichen Umständen und fördernden Vorgesetzten. Die Unmengen an Fachliteratur, welche ich besonders in den Anfangszeiten und dann auch während der 24 jährigen Laufbahn durcharbeitete, geben mir jedoch im Nachhinein einen Leitfaden vor. Neben fachlichen, rechtlichen und organisatorischen Themenblöcken, möchte ich mich auch mit uns selbst, den denkenden, entscheidenden Händler auseinandersetzen, denn hier wird bereits die Weiche für Erfolg oder Misserfolg gestellt.

Im Gegensatz zu einem handwerklichen Beruf, in dem eine gewisse Motorik, Geschick und Wissen / Können eine Rolle spielt, fokussiert sich unsere Quelle der Inspiration und Umsetzung auf das, was wir zwischen den Ohren haben. Unser Gehirn, als Träger von sachlichen und emotionalen Entscheidungen, ist unser wichtigstes Arbeitsinstrument. Nun bin ich kein Neuro-Wissenschaftler, der die Funktionsweise unseres Gehirns versteht bzw. dieses in gebührender Form erläutern kann, aber es gibt dennoch Aspekte, die ich über die Jahre verstanden und bestätigt gefunden habe und die für das Verständnis dessen, was wir sind und wer wir am Börsenmarkt sein wollen, von substantieller Bedeutung sind. Ich beginne somit bei uns selbst und versuche zu umreißen, was in unserer grauen Masse über den Augen abläuft, bevor wir eine Order im Markt platzieren.

Unser Bild eines Händlers und dessen Gedankenstrang, der einer Aktivität an der Börse vorangeschaltet ist, unterstellt in der Regel, dass einem logischen Gedanke ein weiterer logischer Gedanke folgt. Die neuesten Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet zeichnen heute jedoch ein ganz anderes Bild. Mittlerweile weiß man, dass die Intuition einen gewaltigen Einfluss auf unser gesamtes Entscheidungsbild hat. Intuition wiederum wird gebildet aus Erfahrung und der Fähigkeit, mit begrenztem Wissen und wenig Zeit eine Problemlösung herbeizuführen. Diese „Kunst“, wie sie von Philosophen und Psychologen genannt wird, nennt man Heuristik. Das heißt somit, dass eine rasche und möglichst richtige Entscheidung in kurzer Zeit am zuverlässigsten getroffen werden kann, wenn uns (a) ein großer Wissens- und Erfahrungsschatz zur Verfügung steht, der durch viel und stetiger Übung und Praxis blitzschnell abgerufen werden kann und wir zudem die Fähigkeit haben, diesen auch bei Bedarf abrufen zu können, ohne erst lange über mögliche Erfahrungen und Konsequenzen nachdenken zu müssen.

Ein Experte erlangt auf seinem Gebiet einen Grad an Intuition, welche ihn von anderen Nichtexperten abhebt und das ist kein Zauberwerk. Der Psychologe Herbert Simon hat Intuition im Bezug auf Expertenwissen einmal sehr treffend beschrieben. Er hatte hierzu Schachgroßmeister entsprechenden Tests unterzogen und stellte fest, dass sie nach vielen Tausend Stunden Übung die Figuren auf dem Brett anders sehen als wir. Er schrieb dazu „Die Situation liefert einen Hinweisreiz; dieser Hinweisreiz gibt dem Experten Zugang zu Informationen, die im Gedächtnis gespeichert sind, und diese Informationen geben ihm die Antwort. Intuition ist nicht mehr und nicht weniger als Wiedererkennen“ (Schnelles Denken, Langsames Denken / Daniel Kahneman / Siedler-Verlag / 2012 / Seite 23). Dieser Definition folgend ist man Meister seines Faches, wenn man gelernt hat, vertraute Elemente in einer neuen Situation wiederzuerkennen und in einer angemessenen Weise zu handeln, wie Kahneman in seinem Meisterwerk „Schnelles Denken, Langsames Denken“ schreibt.

Damit ist das offensichtliche Grundprinzip unseres Denkens auf Mustererkennung und das Auffinden von Analogien ausgerichtet und wird gesteuert durch die Fähigkeit, schnell oder langsam Bezüge daraus herzustellen in einem Umfeld immer neuer äußerer Reize. Unser gesamtes alltägliches Leben ist auf diese Abfolge herunterzubrechen. Nur weil wir in der Lage sind, in dieser Form einen stetigen Abgleich des äußeren Reizes auf unsere Erfahrungsschablonen durchzuführen, sind wir überhaupt in der Lage, auf Umweltreize im Grunde und Allgemeinen richtig zu reagieren.

Damit lässt sich eine erste, stark vereinfachte Aussage treffen: ein erfolgreicher Trader muss (a) die Möglichkeit haben, auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen können, oder / und aber auch auf einen großen Fundus von Wissen, um eine ausreichend große Basis zu haben, um daraus Analogien ableiten zu können. (b) Ein erfolgreicher Trader muss aber auch in der Lage sein, blitzschnell auf seine gespeicherten Daten im Gehirn zugreifen zu können und die notwendigen Ableitungen, Vergleiche und Schlussfolgerungen daraus ziehen zu können, ohne erst lange das „Wenn“ und „Aber“ abwägen zu müssen.

In der Psychologie hat man in den letzten 25 Jahren folgenden Ablauf in der Lösungsfindung unseres Denkens auf äußere Reizeinflüsse gefunden:

(a) Zunächst durchlaufen wir einen Prozess der spontanen Suche auf eine intuitive Lösung, ohne dass es dazu eines höheren, intellektuellen Aufwandes bedarf. Alltägliche Reaktionen auf alltägliche Reize vollziehen wir nahezu automatisch, ohne dass wir darüber nachdenken müssen. Je häufiger und „gewöhnlicher“ diese Reize für uns sind, umso leichter, sicherer und schneller reagieren wir „offensichtlich richtig“ auf diese. Jeder von uns, ist ein Experte in einer Vielzahl von Problemlösungen, nur fällt uns dieser Expertenstatus nicht auf, weil diesen Status nahezu alle uns umgebenden Menschen haben bzw. wir dies schon nicht mehr als etwas Besonderes werten. Gemeint sind solch profane Dinge wie: die Bremse treten, wenn die Ampel auf Rot schaltet, das Verziehen des Gesichts, wenn wir jemanden in eine Zitrone beißen sehen, das sich rasche Umdrehen in die Richtung eines plötzlichen, ungewohnten Geräusches, aber auch die Vervollständigung einfacher, gebräuchlicher Redewendungen. Experten zählen dazu das Verstehen einfacher Sätze, lesen einfacher Texte auf Reklametafeln, das Bedienen einfacher alltäglicher Technik, wie Fahrstühle, Wasserhähne oder Toilettenspülungen.

(b) Scheitert die spontane Suche, fällt uns also nicht sofort eine intuitive Lösung ein, weder aus unserem Experten-Fundus an Erfahrungen noch aus unserer heuristischen Fähigkeit, wechseln wir in eine andere Form des Denkens: das langsamere, besser überlegte und anstrengende Denken.

Die Psychologen unterteilen beide Arten des Denkens in System 1 und System 2. Zur Beschreibung des System 1 werden folgende definitorischen Faktoren aufgeführt: System 1, das schnellere Denken umfasst das intuitive Denken. Hierbei werden sowohl das rasche Suchen von Analogien in unserem Erfahrungswissensschatz, als auch das heuristische Suchen nach Lösungen zusammengefasst. System 1 umfasst damit auch die vollkommen automatisierten mentalen Wahrnehmungs- und Gedächtnisprozesse, mit denen wir einen Großteil unseres aktiven Lebens meistern, ohne großartig darüber nachdenken zu müssen. Dazu gehören solche Prozesse wie das Erkennen des Objektes auf unserem Schreibtisch als Computertastatur oder als eine Kaffeetasse oder das Benennen der Namen unserer Kinder und Ehepartner. Die Experten sind sich heute weitestgehend darüber einig, dass dieses System 1 einen weit höheren Einfluss auf uns und unsere alltäglichen Entscheidungsfindungen hat, als wir uns das subjektiv vorstellen mögen. Im Grunde fliegen wir über weite Strecken unseres bewussten Lebens tatsächlich mit „Autopilot“.

System 2 kommt zum Zuge, wenn System 1 keine spontane Lösung findet. System 2 zeichnet sich dadurch aus, dass hier ein anstrengender Denkprozess einsetzt. Wir müssen uns konzentrieren und unseren Fokus ausrichten. Alles, was von unserem alltäglichen Allgemeinablauf abweicht und gesonderte Aufmerksamkeit abverlangt, wird von System 2 übernommen. Problemorientierte Gespräche, die ein anstrengendes Mitdenken erfordern, das Lösen komplexer Gleichungen, die über 1 + 1 = 2 hinausgehen, das Identifizieren eines unbekannten Geräusches, Tätigkeiten, welche für uns ungewohnt sind und damit unter Umständen ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit abfordern, das alles sind Problemlösungen, mit denen System 1 überfordert ist und sich System 2 auseinandersetzen muss.

Experten haben herausgefunden, dass neue Tätigkeiten, solange sie nicht automatisiert „sitzen“, von System 2 geführt werden, unter Aufbringung eines hohen Arbeitsaufwandes in der Denkleistung, was rasch zur Ermüdung und Unkonzentriertheit führt. Das Gehirn ist folglich darauf programmiert, eine erlernte Abfolge rasch zu „automatisieren“ und damit diese in das System 1 zu überführen, um wieder in den Sparmodus übergehen zu können.

Warum ist das so? Unser Gehirn ist eine Hochleistungsmaschine, mit einer bisher unerreichten Komplexität und Fähigkeit. Im Vergleich zu den größten Rechenmaschinen der Welt, welche in ihrer Kapazität noch um Lichtjahre hinter denen des Gehirns hinterherhinken, verbraucht die graue Masse nur einen Bruchteil an Energie (wenn man diese ins Verhältnis zur Leistung stellt), aber in unserem Körper ist das Gehirn ein wahrer Energiefresser. Bei einem erwachsenen Menschen entspricht das Gehirn in etwa nur 2 Prozent der Körpermasse. Das Gehirn verbraucht aber etwa 20 Prozent des so genannten Grundumsatzes (bei einem Neugeborenen sollen es sogar 50 Prozent sein). Als Grundumsatz bezeichnet man die Energiemenge, die der Körper pro Tag bei völliger Ruhe, nüchtern (mit leerem Magen) und bei 28 Grad Celsius verbrauchen muss, um alle Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten. Da der Mensch in seiner bisherigen Lebensgeschichte in der Regel nicht problemlos an die notwendige Energie gekommen ist, hat sich das Gehirn evolutionär an einen Rhythmus gewöhnt, der in erster Linie im „Energiesparmodus“ läuft. Somit ist die Unterteilung in die Systeme 1 und 2 ein evolutionärer Entwicklungsschritt, der bis heute fortwirkt.

Welche Schlussfolgerungen ziehen wir aus diesem Wissen?

Wir als Händler arbeiten an der Börse in einem Umfeld höchster Unsicherheit. Die Börse ist ein Bereich der Wirtschaft, in dem nicht die wirtschaftlichen Faktoren aufeinanderprallen, sondern deren intellektuelle Interpretation, was wiederum deren „Vorhersage“ schwieriger macht, als z.B. die Berechnung der Wetterentwicklung der nächsten 48 Stunden. In diesem höchst fragilen Umfeld müssen wir als Händler bestehen, nicht als Liquiditätsspender, sondern möglichst als derjenige, der überwiegend regelmäßig Erträge abschöpft. Wie Sie sich vorstellen können, wird eine auf völliger Zufälligkeit basierende Investmentstrategie hier mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen dauerhaften Erfolg erbringen können. Es entspricht bereits unserem intuitiven Verständnis von dem, was dort an der Börse geschieht, dass wir ohne „Hilfsmittel“ kaum werden bestehen können. Wir wären komplett auf Glück angewiesen, Glück, welches wir nicht beeinflussen könnten. Seit den Beginnen des Handels an der Börse versucht der Mensch nach Mustern, somit nach Analogien zu suchen, eben nach etwas, was unserer natürlichen Denkweise entspricht. Ich will hier und jetzt noch überhaupt nicht schlussfolgern wollen, ob der reale Markt tatsächlich bewert- und damit handelbare Analogien aufweist, aber Fakt ist, dass wir diese ständig suchen und hineininterpretieren. Wir können nicht anders, denn wir können nur so denken.

Was passiert jetzt, wenn wir plötzlich mit der Wirklichkeit der Kursentwicklung an der Börse konfrontiert werden? Als Neuling sehen wir zunächst etwas, zu dem unser Gehirn seinen Erfahrungsspeicher krampfhaft nach Analogien durchsucht. Auch aus der Intuition heraus versuchen wir Lösungsansätze zu finden und diese mit der Realität abzugleichen. Je weniger akzeptables Vergleichsmaterial uns selbst vorliegt, umso eher sind wir bereit, auf externe Informationsquellen zuzugreifen, die wir jedoch wiederum mangels analogem Wissen zu diesem Thema in unserem frühen Stadium überhaupt nicht auf Sinnhaftigkeit hin überprüfen können. Jetzt hat die Psychologie folgende Verhaltensreaktion bei uns Menschen herausgefunden:

(a) Wenn wir eine für uns komplexe Frage durch den Abgleich aus unserem Wissensspeicher nicht lösen / klären können, wechseln wir zur heuristischen Problemlösung.

(b) Erscheint uns auch dies mit unserem Wissen und Fähigkeiten zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, schalten wir intuitiv einen Gang tiefer: wir suchen nach einer LEICHTEREN Frage in diesem Zusammenhang, OHNE dass wir bemerken, wie wir die ursprüngliche Fragestellung damit ersetzen.

Das heißt übersetzt in unser Börsenumfeld:

(a) Wir werden mit der Interpretation der Kursentwicklung im ersten Moment (der durchaus Wochen oder Monate dauern kann) überfordert. Wir suchen krampfhaft, intuitiv nach Hilfsanalogien.

(b) Finden wir mangels eigener Erfahrungen keine entsprechenden Problemlösungen bei uns, greifen wir auf externe Quellen zu.

(c) Diese können wir mitunter auch nicht bewerten, da uns im Anfangsstadium dazu ebenfalls Analogien fehlen. Also senken wir unsere Suchprofil nach Analogien eine Stufe ab und fangen erneut an, nach einer Problemlösung zu suchen. Die könnte z.B. so aussehen: „Ich verstehe nicht, was an der Börse passiert. Also wende ich mich den Aussagen von Herrn Mustermann zu. Ich verstehe auch nicht, was Herr Mustermann dazu sagt, aber Herr Mustermann ist groß, hat dunkle Haare und helle Augen. Er sieht sympathisch aus und spricht zumindest überzeugend. Da ich in meinen Analogien diese Erkennungsmittel (dunkelhaarig, helle Augen, überzeugend reden) einem Siegertypen zuordne, wird er recht haben (auch wenn ich rein gar nichts verstehe) und ich werde mich an ihn halten.“

Das heißt, wir irren durch ein unsicheres Umfeld und halten nach Informationsmustern Ausschau, welche unsere fehlende Analogiefähigkeit ersetzt, selbst wenn dieser Prozess unter Umständen auf einem Niveau stattfindet, der mit dem Ursprungsproblem nichts mehr zu tun hat. Wohin diese Entwicklung führen kann, ist nun wiederum leicht vorstellbar, diese Analogien haben wir durchaus alle.

In der Konsequenz ist eine Schlussfolgerung rasch gezogen.

(1) Auf Erfahrung allein können wir zu Beginn unserer Händler-Laufbahn kaum aufbauen, weil wir sie zu diesem Zeitpunkt schlicht und ergreifend noch nicht haben.

(2) Wir kommen folglich nicht umhin, unseren Wissensspeicher zu füllen, der zwar unsere Erfahrungen nicht ersetzt, aber uns erlaubt, die zumindest gröbsten Fehler zu vermeiden, um die Phase der ersten Erfahrungen zu überleben. Durch diesen Flaschenhals müssen wir nämlich ALLE erst durch.

(3) Wir müssen unsere ersten praktischen Schritte an der Börse Hand in Hand mit der Beherrschung eines ersten, rudimentären Grundregelwerkes gehen, welches in erster Linie darauf ausgerichtet ist, dass wir überleben. Es geht also nicht um das Erzielen von Gewinn, es geht darum, nicht zu verlieren. Ein Nichtschwimmer strebt ja auch nicht nach Bestzeiten, sondern will zunächst nicht ertrinken.

(4) Der Ausbau des Regelwerkes und die Hinwendung zu profitorientierten Handelsansätzen erfolgt erst und in winzigen Schritten, wie auch unser Erfahrungsschatz und unser Wissen von Dritten zu unserem eigenen, bisher ungeprüften Wissen wird. Wir müssen aber noch immer strikt trennen, zwischen dem, was wir an Wissen, Halbwissen und Unsinn aufnehmen und dem, wie wir uns im Markt bewegen, um Erfahrungen zu sammeln. Wir müssen mit der Zeit lernen, was von unseren von Dritten gesammelten Informationen etwas taugt oder nach unseren bereits vorhandenen Analogien möglicherweise nicht taugt. Seien Sie äußerst kritisch und voreingenommen gegenüber dem, was Sie mangels eigener Erfahrung von Dritten aufnehmen müssen. Solange Sie nicht eigenständig in der Lage sind, zu filtern, schieben Sie zunächst alles in den „Spamfilter“ des Gehirns und holen Sie es erst heraus, wenn Sie es mit anderen Analogien abgleichen und für „richtig“ und „sauber“ einordnen können oder die Quelle als hinreichend akzeptabel einstufen.

(5) Achten Sie auf viel Praxis, handeln Sie nicht einfach nur nebenbei. Ziel muss es sein, alle Ihre praktischen und verständigen Abläufe von System 2 in das System 1 ihres Denkens zu bekommen. Und das geht nur, wenn Sie Ihrerseits Ihre Mustererkennung und Ihre daraus zu ziehende praktische Umsetzung so verinnerlichen, dass sie fest im System 1 verankert wird. Erst dann wird System 2 wieder frei für neue Modifikationen. Die Psychologie hat herausgefunden, dass unser System 2 nicht über ein unbegrenztes Aufnahmebudget verfügt. Der Psychologe Kahneman schrieb dazu: „Man verfügt über ein begrenztes Aufmerksamkeitsbudget, das man auf verschiedene Aktivitäten verteilen kann; wenn man versucht, sein Budget zu überschreiten, misslingt dies. Es ist das Kennzeichen anstrengender Aktivitäten, dass sie einander überlagern, und aus diesem Grund ist es schwer oder unmöglich, mehrere gleichzeitig auszuführen. Wir können nicht das Produkt von 17 * 24 berechnen, während wir bei dichtem Verkehr links abbiegen … Man kann mehrere Dinge gleichzeitig tun, aber nur wenn sie einfach und anspruchslos sind.“ (Schnelles Denken, Langsames Denken / Daniel Kahneman / Siedler-Verlag / 2012 / Seite 36).

Damit ist der Weg praktisch vorgezeichnet. Wir kommen um das Lernen von allem, was den Handel direkt oder indirekt betrifft nicht umhin, wenn wir es ernst meinen und in nahezu jeder möglichen Situation an der Börse überleben und Erfahrungen sammeln wollen. Und wer mehr sein will, als ein Liquiditätsgeber der echten Experten, muss sich in deren Richtung hin entwickeln. Es gibt nun einmal keine Börse für Hobby-Trader und eine andere für Profis. Alle hängen am gleichen Trog und die Mittel, die verteilt werden können, sind begrenzt.

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2 Kommentare

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  • Member
    Member

    Gnadenlos gut! Immer wieder ein Gewinn, Danke!​

    14:52 Uhr, 15.09.2014
  • Ertronic
    Ertronic

    ​Ach Herr Wagner, die Worte sind so wahr und doch so schwer in den Kopf zu bekommen. Im Moment bin ich dem Punkt näher, wo ich sage, der Beruf des Traders wird wohl nicht zu mir passen, irgendwann muss man das akzeptieren. Ich habe mir einen konkreten Ausstiegspunkt gesetzt, 2 Jahre war in meiner Jugend eine Ausbildung, sollten die nicht langen, Trader zu sein, so ist es eben. Glaube eh 95% scheitern in der Championsleague .

    11:05 Uhr, 15.09.2014

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Über den Experten

Uwe Wagner
Uwe Wagner
Technischer Analyst und Trader

Uwe Wagner arbeitete bereits während seines Wirtschaftsstudiums als Maklergehilfe an den Börsen in Berlin, Wien und Madrid. 1991 trat er dann in die Deutsche Bank AG ein, wo er eine fundierte Ausbildung im Wertpapier- und Derivatehandel erhielt – in Frankfurt/Main sowie in Chicago im International Trading Institute unter dem bekannten Warenhändler Toni Saliba. Innerhalb der Deutschen Bank AG durchlief Wagner diverse Etappen im Handelsbereich. So betreute er als DTB Market Maker zunächst diverse Werte, verantwortete anschließend den Options- und Future-Handel in der Deutsche Bank S.A. in Madrid und mehrere Jahre die spekulative Verwaltung von Teilen des Eigenkapitals der Bank über DB Advisor. Wagner baute innerhalb der Deutsche Bank AG das damals erste Internet-Tool für Technische Marktanalysen (dbS-Trade) auf und führte den systembasierten Handel in Future-Märkten. Sein Schwerpunkt liegt seit über 20 Jahren auf dem FDAX und dem Bund-Future-Markt, den er täglich analytisch seziert, um daraus Handelsszenarien zu entwickeln und diese dann auch aktiv umzusetzen. Seit 2003 lebt und arbeitet Wagner in Hamburg. Uwe Wagner ist aktiv im FDAX und Bund-Future tätig.

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