Kommentar
07:00 Uhr, 22.02.2025

Welche (vermeintliche) Risiken es bei ETFs gibt

ETFs sind langweilig? Kann man so sehen. Aber nur die wenigsten Investoren und Trader schaffen es, eine Outperformance zu erzielen. In der dritten Folge meiner ETF-Serie geht um die Risiken – die (vielen) vermeintlichen und die (wenigen) echten.

Eigentlich dürfte es dieses Kapitel gar nicht geben. Denn in Folge 1 dieser Serie hatte ich ja geschrieben, dass ETFs einfach einen Index abbilden und über ein Sondervermögen vor Katastrophen wie der Lehman-Pleite in der Finanzkrise geschützt sind. Also wo ist das Problem?

Die zwei Hauptprobleme bei ETFs (und anderen Finanzprodukten)

Eigentlich gibt es zwei Probleme: uns, die Anleger, und die Finanzindustrie. Letztere verliert natürlich durch den Trend zu ETFs einträgliche Pfründe, die sie nicht kampflos aufgibt. Also werden zum einen vermeintliche Gefahren von ETFs beschworen, die sich bei genauem Hinsehen als Mythen herausstellen. Zum anderen wird versucht, quasi durch die Hintertür die alten teuren Produkte nun als ETFs unters Anlegervolk zu bringen. Natürlich mit dem Argument, die „besseren“ ETFs zu sein. Und viele Anleger fallen darauf herein – sei es aus Gier oder Unwissenheit.

Wenn du meine Ratschläge zur ETF-Auswahl beherzigst, gehst du also schon vielen Risiken aus dem Weg. Denn dadurch fallen die neuen, teuren „ETFs“ automatisch heraus, die auf Strategien basieren, die im besten Fall wirkungslos, im schlechtesten Fall renditevernichtend sind. Die meisten dieser ETFs sind zudem Nischenprodukte mit geringem und geringstem Volumen. Auch diese sortiert die vorgeschlagene Filtermethode von vornherein aus. Wenn du darüber hinaus konsequent alle ETFs meidest, die als „Strategie-ETFs“ angepriesen werden, hast du ein weiteres Sicherheitspolster.

Einzige Ausnahme für Anleger, die Wert auf hohe Ausschüttungen legen, sind z.B. Aktien-ETFs auf dividendenstarke Werte. Hier sollten aber die Regeln einfach und nachvollziehbar sein, wie z.B. bei den S&P 500 Dividend Aristocrats: Basis ist der bekannte US-Leitindex und damit die entsprechenden Qualitätsregel. Im Zweifelsfall unbedingt einen Blick in das Fondsprofil bzw. den Verkaufsprospekt werfen! Auch die Kosten sind ein Indiz für die „Reinheit“ eines ETFs: Je niedriger, umso einfacher (und besser)

Hanebüchene Argumente und entlarvte Mythen

Viele „Argumente“ zu den vermeintlichen „Risiken“ von ETFs sind so hanebüchen, dass man sie kaum ernsthaft diskutieren mag. Sie zielen erkennbar auf uninformierte Anleger, die damit von vornherein abgeschreckt werden sollen, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Dazu gehören Thesen wie „ETFs verstärken im Crash den Kursverfall“, „ETFs unterliegen einem Währungsrisiko“ oder „ETFs erleiden im Crash stärkere Kursverluste als die entsprechenden Aktien“. Hier hilft oft schon der gesunde Menschenverstand, um solche Mythen zu entlarven.

Währungsrisiken bestehen bei klassischen Fonds, Zertifikaten oder auch Aktien ebenfalls – wenn sie Wertpapiere sind bzw. auf ihnen beruhen, die in einer anderen Währung gehandelt werden. Wie beim ETF ist es dann belanglos, ob man Fonds, Zertifikat, ETF usw. an der Börse für Euro kauft oder nicht. ETFs verstärken auch weder Crash noch Rally. Was einen Crash verstärkt, sind Panikverkäufe der Anleger. Dabei ist es aber egal, ob der Anleger einen ETF, einen klassischen Fonds, ein Zertifikat oder eine konkrete Aktie verkauft – in jedem Fall werden am Ende die Kurse der jeweiligen Wertpapiere gedrückt.

Und natürlich können (Aktien-)ETFs stärkere Kursverluste erleiden als die „entsprechenden Aktien“. Es wird in einem Index stets Aktien geben, die weniger verlieren als der jeweilige Index. Aber da ein „normaler“ Index-ETF, wie wir ihn mit unserer Auswahlmethode herauspicken, stets seinem Index folgt, kann dieser ETF nicht mehr und nicht weniger verlieren (bzw. gewinnen) als eben dieser Index. Genau das ist ja das Prinzip eines Index-ETFs! Natürlich bedeutet das, dass ein solcher ETF genauso starke Einbrüche erleidet wie sein Basisindex. Das können in Crash-Phasen 20, 50 oder mehr Prozent sein, wie die langjährige Kurshistorie zeigt. Nur: Wem das zu viel ist, der muss von Aktien oder der Börse ganz die Finger lassen. Und es ist erst recht ein Mythos, dass man mit klassischen Fonds in solchen Fällen besser abschneidet. Es ist eher das Gegenteil der Fall (siehe Grafik in Folge 1).

Nur in einem Sonderfall gibt es wirklich ein Kursrisiko!

Allerdings gibt es tatsächlich die Möglichkeit, dass ETFs überproportionale Kursverluste erleiden und da­mit drastisch von ihrem Basisindex abweichen. Ursache dafür ist das Transaktionsmodell, auf dem der ETF-Börsenhandel basiert. Aus verschiedenen Gründen werden ETF-Anteile an der Börse im täglichen Geschäft nicht von den Fondsgesellschaften selbst, sondern von sogenannten Market Makern gehandelt, die in der Regel unabhängig agieren. Sie nehmen während des täglichen Handels Anteile zurück, die Anleger verkaufen, oder bieten kaufenden Anlegern diese an. Im Hintergrund müssen dafür die entsprechenden Geschäfte in den Basiswerten (z.B. Aktien) getätigt werden. Am Ende des Tages werden diese Geschäfte mit der Fondsgesellschaft abgerechnet.

Im normalen Börsenhandel ist das auch alles kein Problem. Kritisch wird es dann, wenn aufgrund von Marktanomalien z.B. für Aktien, die ein ETF enthält, aus irgendwelchen Gründen keine Kurse mehr gestellt werden können. Das geschieht z.B. dann, wenn diese Aktien aufgrund außergewöhnlicher Marktbewegungen vom Handel ausgesetzt werden, weil es die Börsenregularien so vorschreiben. Wenn dann ETF-Anleger massenhaft ihre Anteile auf den Markt werfen, hat der Market Maker keine Grundlage für deren Rücknahme, weil er für die betreffenden Aktien keine Kursnotierungen hat. Also wird er auf „Num­mer Sicher“ gehen und entweder keine Kurse stellen oder sehr niedrige, um selbst keine Verluste zu erleiden. In diesem Fall kommt es zu sogenannten „Flash-Crashs“ bei ETFs, die es vor allem an den US-Börsen in den vergangenen Jahren schon mehrfach gegeben hat.

Warum Du vor einem ETF-Flash Crash keine Angst haben musst

Was zunächst vielleicht sehr bedrohlich klingt, sollte aber für Langfristanleger irrelevant sein. Denn als Langfristinvestor solltest du niemals dem Impuls nachgeben, bei Kursturbulenzen panisch zu verkaufen! Speziell bei einem ETF-Depot gibt es intelligentere Möglichkeiten, die Volatilität des Gesamtdepot zu verringern (mehr dazu in einer späteren Folge). Und weil die beschriebenen Risiken nur intraday auf­treten, vermeidest du sie „automatisch“, wenn du dein ETF-Depot nur in größeren Abständen prüfst (z.B. ein­mal wöchentlich oder monatlich). Daher dürften die allermeisten ETF-Anleger z.B. den Flash-Crashs vom 6. Mai 2010 einfach verpasst haben…

Um zu vermeiden, dass du zufällig in so einen Abverkauf gerätst, solltest du zwei Ratschläge beherzigen: Erstens, niemals Stoppkurse für ETFs setzen! Klingt für Trader zunächst unsinnig – machen schließlich fast nichts ohne Stopps. Aber für Langfristinvestoren sind Stopps unsinnig, denn ETFs sind Buy&Hold-Positionen. Die sollen nicht „einfach so“ rausfliegen.

Und ohne Stopps umgehst du auch die Gefahr, in einen solchen Flash-Crash zu geraten und deine ETFs dadurch zu verschleudern. Zweitens solltest du einen Verkauf nach Möglichkeit stets „online“ vornehmen, sodass du die angebotenen Kurse sehen und bewerten kannst. Das gilt vor allem für Börsenphasen, in denen es ohnehin hektischer zugeht als sonst.

Zweitens solltest du als ETF-Langfristanleger den Begriff „Verkaufen“ gleich ganz aus deinem Wortschatz streichen. Schließlich willst du langfristig Vermögen aufbauen und dabei hilft es dir nicht, potenzielle Wachstumswerte zu verkaufen. Wie gesagt, in demnächst wer­de ich dir Möglichkeiten vorstellen, dein ETF-Depot laufend zu optimieren – und das ganz ohne Verkäufe!

Risiko ETF-Konstruktion?

Als weitere Risiken werden immer wieder die ETF-Konstruktionen genannt. Die Swap-Konstruktion hatte ich schon erwähnt (siehe Folge 2), aber auch bei physischer Indexabbildung gibt es „konstruktive“ Risiken. Das ist die sogenannte Wertpapierleihe. Dabei werden Wertpapiere des ETFs an Dritte verliehen, meist Hedgefonds, die z.B. Aktien, die sie so erhalten, leerverkaufen. Dafür erhält der ETF Leihgebühren.

Diese Methode zum Aufbessern der Rendite ist keine Besonderheit von ETFs, sondern auch bei klassischen Fonds üblich. Insofern ist es irreführend, die Wertpapierleihe als besonderes ETF-Risiko herauszustellen! Zudem ist die Verlustgefahr gering, denn die ausgeliehenen Wertpapiere werden weitgehend besichert, und zwar durch erstklassige Staats- und Unternehmensanleihen oder Ähnliches. Fälle, in denen Fondsanleger ein Schaden durch die Wertpapierleihe entstanden ist, sind bisher nicht bekannt. Und die Größenordnung der Wertpapierleihe ist relativ gering: Solche Geschäfte machen in der Regel nur einen niedrigen einstelligen Anteil an den Gesamterträgen aus.

Kein Risiko, aber eventuell ein Ärgernis

Zuletzt zu einem Punkt, der weniger ein Risiko als ein scheinbar unnötiges Ärgernis ist: Änderungen bei ETFs. Relativ klar liegt dabei der Fall, wenn ein ETF mangels Größe geschlossen oder mit einem anderen ETF zusammengelegt wird. Dann ist im schlimmsten Fall die ursprünglich vorgesehene Anlageidee hinfällig, weil der neue ETF vielleicht ein etwas anderes Anlageziel verfolgt.

Mitunter kommt es dadurch auch zu unerwünschten steuerlichen Effekten, oft jedoch durch fehlerhafte Abwicklung der Broker.

Wie auch immer, wenn du bei der Auswahl Deiner ETFs konsequent auf die Größe achtest (siehe Folge 2), sollte dir weder das eine noch das andere Ärgernis passieren.

Wie Du das größte Risiko bei der ETF-Anlage umgehst

Wenn nun all diese vermeintlichen Risiken gar keine sind, wo lauert dann die Gefahr bei ETFs? Die größte Gefahr – nicht nur für ETFs, sondern für unsere Geldanlage insgesamt – sind wir selbst. Die meisten Langfristanleger erreichen nachweislich deshalb nur unbefriedigende Ergebnisse, weil sie ihrer Strategie nicht treu bleiben. Das Risiko von ETFs (oder anderen Produkten) spielt dabei kaum eine Rolle. Damit dir das nicht passiert, verrate ich dir in der nächsten Folge zwei Strategien, mit denen du problemlos immer am Ball bleiben kannst.

Fazit

Die meisten vermeintlichen ETF-Risiken gibt es entweder bei anderen Finanzprodukten eben­falls oder ihre möglichen Auswirkungen sind viel geringer als oft suggeriert. Und besonnene Langfristanleger sind davon ohnehin kaum betroffen.

Im stockstreet Geldanlage-Brief, dem Börsendienst für Vermögen und Wohlstand, nehme ich ebenfalls ETFs ins Depot. Natürlich beachte ich dabei die genannten Auswahlkriterien, sodass faktisch nur das unvermeidliche Marktrisiko bleibt. Überzeuge dich selbst – mit dem 30-tägigen kostenlosen Probeabo, inklusive vollem Zugriff auf das Online-Archiv ab 2018, auch während der Testphase!

Und hier die Links zu den bisherigen Folgen dieser Serie:

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