Kommentar
13:30 Uhr, 06.06.2018

Vollgeld-Initiative: Das Wunder fällt aus…

Am Sonntag könnten die Schweizer das Geldsystem revolutionieren. Doch daraus wird nichts. Noch nicht...

„Würden die Menschen unser Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen Früh“. Dieses Zitat des Firmengründers Henry Ford ist mehr als 100 Jahre alt – und doch ist es aktueller denn je:

Am kommenden Sonntag entscheiden die Schweizer über die Vollgeld-Initiative und haben es damit in der Hand, das ungedeckte Papiergeldsystem aktueller Prägung ein für alle Mal zu beenden.

Würde die Initiative angenommen, würde dies einen Sturm der Revolution in Europa entfachen:

In ihrem Kern fordern die Initiatoren nicht weniger als die Abschaffung des Geldmonopols der privaten Banken. Dass hier die Ursache vieler Ungleichgewichte in unserem Geldsystem zu finden ist, hat sich bei vielen Menschen längst herumgesprochen. Auch elektronisches Buchgeld soll nach den Vorstellungen der Vollgeld-Initiative deshalb künftig nur noch von der Schweizer Nationalbank in Umlauf gebracht werden.

Wenig verwunderlich wird die Initiative von Medien und Politik nach allen Regeln der Kunst torpediert und madig gemacht. Besonders hervorgetan hat sich hier die Neue Zürcher Zeitung, die in den vergangenen Tagen ein ganzes Sammelsurium an Negativ-Prognosen für den Fall herausgegeben hatte, dass die Schweizer sich erdreisten sollten, der Initiative zuzustimmen.

Hier,hier und hier.

Doch die Angst von Mainstream und Politik vor einer Revolution mit „neuem Geld“, das die Banken an die Kandare nehmen könnte, ist unbegründet:

Gerade die Schweizer haben überhaupt keine Veranlassung, ihr Geldsystem auf den Kopf zu stellen: Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt und nirgendwo sonst lebt es sich so komfortabel.

Viele Eidgenossen mögen die Untiefen des ungedeckten Papiergeldsystems vielleicht verstanden haben, denn in Gelddingen hatten die Schweizer die Nase schon immer weit vorne. Doch werden sie deshalb den Worten Henry Fords folgend eine Revolution anzetteln, bei dem sie am Ende als der Buhmann Europas dastehen, mit einem Geldsystem, das in der jüngeren Finanzgeschichte nirgendwo ausprobiert wurde?

Das ist nicht anzunehmen.

Wie Geldsystemrevolutionen tatsächlich gedeihen, das zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher: Das so genannte „Wunder von Wörgl“ etwa, ein Freigeld-Versuch, der wegen seiner erstaunlichen Erfolge schnell wieder abgebrochen wurde, konnte nur im Umfeld der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre entstehen:

Weil die Menschen hungerten und zu Tausenden ihre Arbeitsplätze verloren, waren sie bereit zu einem Experiment, das die bestehende Geldordnung vollkommen außer Kraft setzte. Der Erfolg war beachtlich: Der kleine Ort in Tirol konnte sich von der Weltwirtschaftskrise nahezu vollständig abkoppeln. In den USA schlug der angesehene Wirtschaftswissenschaftler Irving Fisher der Regierung deshalb sogar vor, Wörgl-ähnliches Geld zur Überwindung der Depression einzuführen.

Auch das Ende des Wörgler Wunders ist vielsagend: Weil die Österreichische Nationalbank ihre Felle davonschwimmen sah, wurde das Notgeld kurzerhand verboten - und Wörgl versank wieder in der Weltdepression.

Es lohnt sich, dazu ein wenig zu stöbern, denn die Geschichte ist wirklich erstaunlich. Sie zeigt, dass auch das bestehende Geldsystem keineswegs in Stein gemeißelt ist.

Das "Wunder von Wörgl" zeigt: Änderungen am Geldsystem sind jederzeit möglich – wenn die Bereitschaft dazu da ist und ein entsprechendes Umfeld. Und genau das ist der springende Punkt:

Leider braucht es dazu meist eine existenzielle Krise.

Doch weil in der Schweiz niemand hungert und die Menschen nicht nur satt und zufrieden, sondern auch noch sehr vermögend sind, wird die Geldrevolution, die manche schon heraufziehen sehen, an diesem Sonntag nicht stattfinden.

Wohlgemerkt, an diesem Sonntag nicht. Denn längerfristig sieht die Sache vollkommen anders aus:

Eine Geldreform ist dringend notwendig, und viele Menschen werden das auch bereits erkennen. Doch das alleine reicht nicht: Revolutionen kommen historisch betrachtet immer erst dann in Gang, wenn es nicht mehr anders geht. Wenn die Not die Menschen zu neuen Ideen zwingt.

Auf den Punkt gebracht: Revolutionen werden nicht gemacht, sie werden durch äußere Ereignisse erzwungen.

Also nehmen wir an, die Rentenansprüche der Bürger in Europa fallen aus, weil Staaten aufgrund eines Flächenbrands im internationalen Bankensystem Bankrott gehen und die Regierungen mit in den Abgrund reißen. DANN wären wohl alle bereit, noch heute das Geldsystem zu reformieren. Notfalls auch mit Gewalt.

Aber so lange alles „irgendwie“ läuft, im TV demnächst wieder die Fußball-WM für Stimmung sorgt und im Kühlschrank ein kühles Bier steht, wird es keine Geldreform geben.

Man kann das schade finden. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass historische Umbrüche ein entsprechendes Umfeld brauchen. Und dieses Umfeld heißt nicht:

„Wir leben im Friede-Freude-Eierkuchen-Land und haben uns alle lieb…“

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Weitere Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

33 Kommentare

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  • Sonnenschein
    18:53 Uhr, 10.06.2018
  • Sonnenschein
    Sonnenschein

    Auch eine Alternative zum bestehenden Geldsystem ? :-)

    https://www.bild.de/geld/wirts...

    12:45 Uhr, 10.06.2018
  • Sonnenschein
    Sonnenschein

    Herr Hoose, ich glaube die Schweizer stimmen überwiegend mit "Ja zu Vollgeld". Die Schweizer sind bodenständige Menschen.

    Schaun mer mal ... :-)

    21:06 Uhr, 09.06.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Auch Vollgeld ist Papiergeld, Herr Hoose! Auch heute ist es schon so, dass die Zentralbank das Geldmengenwachstum steuert und die Geschäftsbanken nur im Rahmen der Vorgaben der Zentralbanken Geld aus dem Nichts schöpfen können.

    "Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) hat eine Reihe von
    Instrumenten, um die Geldmenge steuern zu können....

    Es gibt drei Gruppen von geldpolitischen Operationen:

    Offenmarktgeschäfte, ständige Fazilitäten und Mindestreserven."

    Quelle: http://www.wirtschaftslexikon....

    Es ändert sich mit Vollgeld lediglich, dass die Politik noch mehr Einfluss auf die Geldschöpfung nimmt. Was nach aller Erfahrung dazu führen wird, dass noch mehr Geld aus dem Nichts geschöpft wird, mit verheerenden Konsequenzen. Siehe dazu meine Kommentare hier: https://www.godmode-trader.de/...

    08:41 Uhr, 09.06.2018
    1 Antwort anzeigen
  • rosarot
    rosarot

    https://www.godmode-trader.de/...

    deustche bank, long auf 6 Monate vor dem knock out

    wer dort geld hat, ich würde es abheben....

    14:22 Uhr, 07.06.2018
  • rosarot
    rosarot

    EZB FED

    das establishment hat versagt, ihre Gier hat das System zum Einsturz gebracht

    .

    Türkische Notenbank hebt Leitzins auf 17,75 Prozent - Wachstum im Euroraum verlangsamt sich | GodmodeTrader Immer bestens informiert: Mit dem News-Flash auf Godmode-Trader.de haben Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages auf einen Blick!https://www.godmode-trader.de/artikel/...ulationen-angefeuert,6106757

    Donnerstag, 07.06.2018 - 13:55 Uhr Türkische Notenbank hebt Leitzins auf 17,75 Prozent - Wachstum im Euroraum verlangsamt sich Fiat vor dem Kollaps, nach vorhersagen https://mises.org/

    .

    "Wachstum im Euroraum verlangsamt sich"

    trotz billiger Geldschämme der EZB.. das ist der knock out der Zentralbanken, sie können NICHTS mehr tun!!!!!!!!!!!!!!

    14:19 Uhr, 07.06.2018
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Warum das Vollgeld nach den Vorstellungen der Schweizer Initiative auch inhaltlich nicht funktionieren kann, analysiert Professor Dr. Thorsten Polleit im folgenden Beitrag für die WirtschaftsWoche. Zitate:

    Es wäre vermutlich naiv zu glauben, man könnte eine politisch unabhängige Institution schaffen, die gerade nur so viel neues Geld in Umlauf bringt, wie die Volkswirtschaft braucht. Denn woher soll die Vollgeld ausgebende Zentralbank wissen, wieviel Geld die Volkswirtschaft benötigt wird? Soll die Geldmenge um zwei, vier oder acht Prozent pro Jahr wachsen, damit die Volkswirtschaft prosperiert? Die Zentralbankräte wissen es nicht, sie können es nicht wissen.

    Vielmehr müssen sie nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ verfahren. Dass dabei Fehler passieren, liegt auf der Hand und ist nur zu menschlich: Weiten die Zentralbankräte die Geldmenge zu stark aus, gibt es Inflation. Fällt die Geldmengenausweitung zu gering aus, stellt sich Deflation ein. Es ist nicht wirklich einsichtig, warum die Kaufkraft des Vollgeldes – im Sinne seiner Kaufkraft – besser sein sollte als die des heutigen ungedeckten Papiergeldes. Es kommt noch etwas erschwerend hinzu: Früher oder später wird jedes politisch geschaffene Monopol von Interessengruppen vereinnahmt und für deren Zwecke eingesetzt.

    (...)

    Wenngleich die Vollgeld-Initiative keine überzeugende Alternative zum heutigen ungedeckten Papiergeldsystem ist, so ist sie dennoch verdienstvoll: Ihre Kritik am herrschenden ungedeckten Papiergeldsystem und an den Missständen, die es verursacht, ist ökonomisch richtig. Das staatlich beherrschte Papiergeldsystem verursacht wirtschaftliche und politische Schäden. Es sorgt für Krisen und Konflikte, ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen, es untergräbt die freie Marktwirtschaft, schwächt die Wachstums- und Beschäftigungskräfte, treibt die Volkswirtschaften in die Überschuldung. Eine Besserung muss her. Doch das Vollgeld würde die Missstände nicht abstellen, es würde nicht die erhoffte Besserung bringen.

    Es gibt nur eine ökonomisch und ethisch überzeugende Lösung des „Geldproblems“: Das staatliche Geldproduktionsmonopol muss beendet werden und durch einen freien Markt für Geld ersetzt werden. Was für alle freien Märkte gilt, gilt auch für einen freien Markt für Geld: Gutes Geld entsteht und setzt sich durch, wenn die Firmen und Verbraucher die volle Freiheit haben, das Geld nachzufragen, das ihren Bedürfnissen am besten entspricht – und gleichzeitig Anbieter die volle Freiheit haben, die Geldnachfrager mit Angeboten bestmöglich zu bedienen. Solange aber der Staat die Hoheit über die Geldproduktion hat – ob nun in Form des heutigen ungedeckten Papiergeldes oder in der Ausprägung des Vollgeldes –, wird es kein gutes Geld geben.

    https://www.wiwo.de/finanzen/g...

    13:33 Uhr, 07.06.2018
    1 Antwort anzeigen
  • The Secessionist
    The Secessionist

    Herr Hoose ,sein Sie so gut und checken mal die Kommentare durch unter dem Aspekt "Durch das Abschicken eines Kommentars erkläre ich mich mit der Netiquette einverstanden" . Ein gewisser Grad an Primitivitaet mag ja durchgehen, aber diesen Grad hat ihr Beitrag nicht verdient! Wenns denn nur noch Mundstuhl ist .............

    08:42 Uhr, 07.06.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Der typische Schweizer im wahlfähigen Alter ist ein Bünzli, sein deutsches Pendant firmiert unter der wenig schmeichelhaften Bezeichnung Michel. Sowohl dem einen als auch dem anderen, fehlt die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die das Schiff erzittern lassen, eigentlich sind diese Jungs bereits mit 40 tot. Sie entscheiden sich, falls sie sich überhaupt entscheiden, für den goldenen Mittelweg. Dabei weiß der Volksmund: In Gefahr und großer Not, ist der Mittelweg der Tod. Wer den Typus des Bünzlis oder auch des Michels im Schwarm antreffen will, der sollte einfach mal einen Investoren- Kongress oder eine Hauptversammlung der Daimler AG besuchen. Da sitzen sie dann in Reih und Glied, im feinen Zwirn, Doppelkinn, Stau am mittleren Ring, mit Schweißrändern untern den Achseln,etwas kurzatmig, denn Bewegung kennen sie nur in ihrem Depot und lauschen ergriffen den Ausführungen der „Experten“.

    Mit diesen Zeitgenossen gewinnt man weder Schlachten und schon gar keinen Krieg————>>>>>die 68er haben damals das Sprichwort erfunden: Und unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren. Passt irgendwie auch zu den Bünzlis und den Michels.

    Falls jedoch der BünzliMichel mit einer Situation höchster Gefahr konfrontiert wird, wäre auch er geneigt, Entscheidungen zu treffen, die ihm im Grunde seines Herzens zuwieder sind. Das könnte ein Euro-Crash sein, mit zyprisierten Kundenkonten bei der Deutschen Bank oder auch die von Dr. Markus Krall prognostizierten Zwangshypotheken auf deutsche Kredit-Eigenheime bis in 2Jahren. Ein Euro-Crash und das ist Fakt, würde auch die Schweizer schnellstens aus ihrer Komfortzone verjagen und brutalstmöglichen Verbesserungen im Geldsystem den Weg bereiten.

    21:17 Uhr, 06.06.2018
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  • spiderl
    spiderl

    Lieber Secessionist, ich frage mich jetzt wirklich, wen in Ihrem Umfeld Sie wirklich kennen, oder was für ein Umfeld Sie haben? Ich kenne vom blödstudierten Akademiker bis zum gleichzeitigen selbsternannten Hedonisten praktisch leider nur Leute mit Konsumproblemen, bin daher eher alleine und habe zum Glück meine Frau, die es genauso empfindet und täglich erlebt. Es fängt beim sehr guten Bäcker hier auf dem Dorf in Bayern schon an: nur ein Drittel der Leute kauft dort, die anderen im Supermarkt oder bei Lidl 8 km entfernt, der Bäcker macht bald zu. Ist sowas intelligent? Nein, aber scheinbar billiger, und deswegen läuft es so. Brot und Spiele wie vor 2000 Jahren, alles sehr traurig.....

    18:14 Uhr, 06.06.2018
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