Inflation USA/Deutschland: warum sinkt sie dort, und steigt sie hier?
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Schauen wir uns zunächst die nackten Fakten an:
In den USA hat sich die Inflation im Oktober den vierten Monat in Folge abgeschwächt. Gegenüber dem Vorjahresmonat stiegen die Verbraucherpreise um 7,7 Prozent, wie das Arbeitsministerium in Washington am Donnerstag mitteilte. Im Vormonat hatte die Inflationsrate bei 8,2 Prozent gelegen. Die Kerninflation, ohne die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise, fiel im Oktober den weiteren Angaben zufolge von 6,6 auf 6,3 Prozent.
Ein anderes Bild an der Preisfront zeigt sich hierzulande: Die Inflation in Deutschland ist im Oktober auf den höchsten Stand seit 1951 geklettert. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 10,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte. Im Vormonat September hatte die Teuerungsrate noch bei 10,0 Prozent gelegen. Ein Ende der Teuerungsspirale ist vorerst auch nicht in Sicht. „Im November ist mit weiter hohen Inflationsraten oberhalb von zehn Prozent zu rechnen", sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien.
Warum klafft die Schere zwischen der weltgrößten Volkswirtschaft und Europas größter in Sachen Preisteuerung immer weiter auseinander?
Zur Beantwortung dieser Frage ist die Energiekomponente im Inflationskorb näher zu betrachten. Denn die USA erzeugen mehr Energie im eigenen Land. Rohöl und Erdgas müssen deshalb kaum eingeführt werden, was grundsätzlich vor Preiserhöhungen schützt. So sind die US-Energiepreise im September vor allem dank heimischer Produktion mit 25 Prozent binnen Jahresfrist deutlich geringer gestiegen als in Deutschland mit fast 45 Prozent Aufschlag.
So steht fest: Kerntreiber der Inflation in Europa resp. Deutschland ist und bleibt die Energie. Die Preise für Strom und Kraftstoffe machten im Euroraum 60 Prozent der Inflationstreiber aus. In den USA spielt die Energie bei der Teuerung eine deutlich geringere Rolle.
Zudem ist die Art der Inflation dies- und jenseits des Atlantiks eine unterschiedliche. In Amerika beruht der Preisdruck eher auf Nachfrage-Effekten, während es hierzulande tendenziell am knappen Angebot liegt, dass die Preise in die Höhe springen. Angebotsengpässe und Störungen der Lieferketten haben die Preise in Europa steigen lassen.
Nicht zuletzt darf auch die Währungsseite nicht übergangen werden. Der aufgewertete Dollar hat über die Importpreise in den USA einen dämpfenden Effekt ausgeübt, in Europa die Lage dagegen verschärft.
Freilich ziehen die Verbraucherpreise in den USA noch immer stark an. Das liegt an steigenden Mieten und höheren Arbeitskosten. Doch die US-Notenbank agierte früher und entschiedener als die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die anziehende Teuerung. Im Übrigen ohne Rücksicht auf Verluste, Wirtschaftseinbußen wurden in Kauf genommen.
Und US-Währungshüter pochen auf einen weiterhin strengen Kurs. Laut dem Präsidenten des Fed-Bezirks von Minneapolis, Neel Kashkari, ist angesichts des anhaltend starken Preisdrucks in den USA ein weiterer großer Zinsschritt unabdingbar. Es sei „komplett verfrüht," über einen geldpolitischen Wendepunkt zu sprechen, sagte Kashkari bei einem Vortag in South Dakota am gestrigen Donnerstag. Die Wirtschaft sei noch recht weit von dem Punkt entfernt, an dem die beiden Ziele der Fed - stabile Preise und Vollbeschäftigung - in Konflikt geraten würden, was eine Wende der Geldpolitik erzwingen würde, betonte Kashkari. Er merkte an, während die Fed die Zinsen „aggressiv erhöhe“, könne sie unterdessen beobachten, wie sich die Wirtschaft entwickele. Dieses Vorgehen verringere das Risiko, geldpolitisch über das Ziel hinauszuschießen.
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