Analysteneinschätzung
11:33 Uhr, 23.12.2022

Tech-Aktien: Götterdämmerung oder Aufbruchstimmung?

Stehen Technologiewerte vor einer längeren Phase der Underperformance oder können sie wieder attraktiv werden? Diese Untersuchung will aufklären und Hinweisgeber sein.

Erwähnte Instrumente

  • Microsoft Corp.
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    Kursstand: 238,190 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • Alphabet Inc. (Class C)
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    Kursstand: 88,260 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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In dem sich dem Ende neigenden Jahr 2022 gab es viele Wendungen – sogar eine Zeitenwende, wie Bundeskanzler Olaf Scholz das zu Beginn des Ukraine-Krieges im Februar formulierte. Im Wirtschafts- und Finanzbereich sei der Umschwung der Immobilienbranche von jahrelanger Erfolgssträhne hin zur Misere genannt. Doch auch für die seit einer Dekade haussierenden Technologiewerte brach eine neue, ungemütlichere Zeit an.

„2022: EIN RABENSCHWARZES JAHR FÜR DIE TECH-BRANCHE“. So hat aktuell die Investmentbank Oddo BHF den Jahresverlauf der Tech-Riesen in einer Sektorstudie überschrieben. Meta, Amazon, Microsoft, Apple, Alphabet – die Namen sorgen bei Anlegern keineswegs mehr für funkelnde Augen, sondern vielmehr für tiefe Sorgenfalten. „Alle Segmente des Sektors erlebten 2022 lange, schmerzhafte Abwärtsphasen, die in eine schwere Kapitulation mündeten“, schrieb Oddo BHF. „Den Anfang machten chinesische Tech-Aktien und die Halbleiterindustrie, dann waren die GAFAM-Unternehmen (Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) an der Reihe, und am 4. November kapitulierten schließlich auch die Software-Aktien“.

In nackten Zahlen zeigt sich das Tech-Schreckensbild an der Börse folgendermaßen: Die Jahresperfomance ausgewählte Sektortitel: Apple -25 %, Meta -65 %, Tesla (gilt auch als Tech-Unternehmen) -65 %, Amazon -51 %, JD.com -16 %, Oracle -11 %, Intel 50 %). Spricht für sich!

Der Kurssturz im Technologiesektor ist laut Oddo BHF Teil einer breiteren Sektorrotation. Kapital werde aus der Tech-Branche abgezogen und fließe in zwei Arten von Sektoren: Zyklische Sektoren (Energie, Finanzen und Industrie) und Defensive Sektoren: Sektoren, bei denen auch in einer Rezession relativ stabile Ergebnisse erwartet würden (Pharma und Lebensmittel).

Doch welche Auslöser resp. Ursachen liegen der Rotation, also dem Kapitalfluss, zugrunde? Nun, da ist zuvorderst die Zinswende zu nennen. Wachstums (Growth)-Aktien, die zur Finanzierung ihres Wachstums einen großen Kapitalbedarf aufweisen, sind in Zeiten höherer Zinsen weniger attraktiv. „Die Geschichte des Technologiesektors ist gekennzeichnet vom Aufstieg und Niedergang großer Unternehmen, die von einer neuen Generation innovativerer Akteure mit disruptiven Geschäftsmodellen abgelöst wurden“, schrieben die Oddo-BHF-Analysten mit Blick auf die Aktien von Alphabet, Amazon, Meta, Apple und Microsoft. „Der massive Rückgang der Marktkapitalisierung, den wir im Oktober und November bei diesen Titeln erlebt haben, könnte in diese Richtung weisen“.

Doch ist die Zeit der großen Tech-Werte damit vorbei? Götterdämmerung? Diese Schlussfolgerung wäre zu voreilig. Oddo BHF betreibt in der Branche Stockpicking und sieht etwa in der Aktie von Microsoft großes Potenzial: „Microsoft gegenüber bleiben wir weiterhin sehr optimistisch eingestellt. Grund ist die Fähigkeit des Konzerns, in Schlüsselsegmenten wie Teams, Cybersicherheit oder der Power Platform nachhaltig zu wachsen. Auch für Google (Alphabet) sind wir zuversichtlich, zum einen aufgrund der Resilienz seines Kerngeschäfts, aber auch wegen seiner Investitionen in künstliche Intelligenz (Waymo, Calico, Verily). Dies ist bei den anderen Unternehmen weniger der Fall, bei denen die Gewinnaussichten kürzlich um den Faktor 4 geschrumpft sind und insbesondere die erwarteten Werbeeinnahmen deutlich nach unten korrigiert wurden. Auch das Smartphone-Segment von Apple entwickelt sich negativ, was sich unserer Analyse zufolge in der Aktienbewertung niederschlagen dürfte.“

Auch für den Fall eines tiefen wirtschaftlichen Einbruchs sieht Oddo BHF noch widerstandsfähige Titel im Sektor: „Sollte sich die Rezession verschärfen, wäre ein denkbarer Kandidat hierfür eindeutig der Bereich Infrastruktur-Software wie ERP (SAP, Oracle, Workday). Gleiches gilt für einen größeren Teil der Halbleiterfertigung für die Industrie.

Was könnte den Sektor aus Sicht der Analysten kurzfristig und mit Blick auf 2023 stützen? Oddo BHF benennt vier Punkte für eine Erholung: 1. Eine Pause bei den Zinserhöhungen, 2. Das Ende der Abwärtskorrekturen bei den Gewinnerwartungen, 3. Eine Wiederbelebung der Fusions- und Übernahmeaktivitäten und 4. Der Einstieg opportunistischer und aktivistischer Anleger in unterbewertete Aktien.

Fazit: Die gegenwärtig tieferen Kurse im Technologiesektor könnten aus Sicht von Oddo BHF für bestimmte Titel gute Einstiegschancen in den Tech-Sektor bieten. Sogar für den Fall einer tiefen Rezession gäbe es noch aussichtsreiche Kandidaten. Da ist Stockpicking gefragt. Der Investor sollte informiert und risikobewusst an die Anlage herangehen.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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