Fundamentale Nachricht
14:28 Uhr, 20.12.2021

Treibt Erdogan die Türkei in den Konkurs?

Die finanz- und geldpolitische Ausrichtung des türkischen Präsidenten wird immer erratischer und irrationaler. Nach seinen jüngsten Ankündigungen, dafür zu sorgen, dass die Zinssätze weiter sinken, stürzte die Lira erneut auf Rekordtiefstände.

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Istanbul (Godmode-Trader.de) - Der Islam verbietet Wucher. So weit, so gut. Doch für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist diese Verbotslosung hinreichender Grund, um seinem Land noch niedrigere Zinssätze zu verordnen, obwohl solcher Art Geldpolitik Gift für die Preisstabilität ist. Nach entsprechenden jüngsten Äußerungen brach der Wert der Lira erneut ein - um mehr als 6 Prozent. Im Handel am Montagmittag mussten zuletzt 17,84 pro Dollar bezahlt werden und damit so viel wie noch nie zuvor. In den letzten drei Monaten hat die Lira fast die Hälfte ihres Wertes verloren, der größte Werteinbruch aller Währungen weltweit in diesem Zeitraum. Zugleich steigen die Verbraucherpreise immer schneller.

Die türkische Zentralbank CBRT, als Vollstreckungsorgan der Zinspolitik, folgt dabei den Anweisungen Erdogans, der eine eigene, um nicht zu sagen eigentümliche Inflationstheorie erfunden hat. „Wir senken die Zinssätze. Erwarten Sie nichts anderes von mir", sagte Erdogan am Sonntag in einer im Fernsehen übertragenen Stellungnahme aus Istanbul. Als Muslim werde ich weiterhin das tun, was der ‚nas‘ verlangt", sagte er und benutzte dabei ein arabisches Wort, das im Türkischen für die islamische Lehre verwendet wird.

Es ist das zweite Mal innerhalb eines Monats, dass Erdogan sich auf den Islam beruft, um seine geldpolitische Haltung zu rechtfertigen, und seinen Forderungen nach niedrigeren Zinskosten zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums Geltung zu verleihen. Der Einbruch der Lira sei das Ergebnis einer wirtschaftlichen Belagerung, aber die Türkei werde von ihrer neuen Wirtschaftspolitik nicht abrücken, sagte er.

Ökonomen können nur noch mit dem Kopf schütteln. „Niedrigere Realzinsen, schwächer werdende Fundamentaldaten und straffere globale Finanzbedingungen werden die Lira weiter schwächen", wenn Erdogan seinen Kurs nicht ändert, schreiben Analysten der Danske Bank in einem am Montag veröffentlichten Kommentar.

In den Augen des Präsidenten kann sich die Türkei aus der Abhängigkeit von ausländischen Kapitalströmen befreien, indem sie eine Politik aufgibt, die höhere Zinssätze und starke Kapitalzuflüsse in den Vordergrund stellt. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen steht dabei die Überzeugung, dass niedrigere Zinssätze auch das Wachstum der Verbraucherpreise dämpfen werden. Doch das ist das Gegenteil dessen, was Währungshüter weltweit übereinstimmend annehmen.

Er hat diese These im September auf die Probe gestellt, als die Zentralbank trotz steigender Inflation einen neuen Zinssenkungszyklus startete, der am Donnerstag in einer weiteren Senkung um 100 Basispunkte mündete, was den Leitzins auf 14 Prozent drückte. Die geldpolitische Maßnahme führte dazu, dass die Lira gar kein Vertrauen mehr genießt und nun fast täglich auf neue Rekordtiefs fällt. Der Zusammenbruch der Währung schlug fast über Nacht auf die Verbraucherpreise durch und führte zu einer so starken Inflation, dass die Supermärkte mit der Neuettiketierung der Preisschilder kaum noch nachkommen.

Die führenden Wirtschaftsverbände des Landes machen die Regierung derweil öffentlich für die Destabilisierung der Wirtschaft verantwortlich und fordern Maßnahmen zur Stabilisierung der Lira. Der mächtige Wirtschaftsverband Tusiad forderte Ankara am Wochenende auf, den derzeitigen politischen Kurs aufzugeben und führte die jüngsten Marktturbulenzen als Beweis dafür an, dass das experimentelle geldpolitische Modell zum Scheitern verurteilt ist.

Tusiad dürfte auf taube Ohren in Ankara stoßen. „Natürlich wissen wir, welche Auswirkungen die Preiserhöhungen auf das tägliche Leben der Menschen haben. Wir sind uns natürlich der Instabilität bewusst, die durch die Schwankungen der Lira und ihre Auswirkungen auf die Preise verursacht wird", sagte Erdogan. „Aber wir werden Widerstand dagegen leisten. Ich verkünde von hier aus: Es gibt keinen Rückzieher“.

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2 Kommentare

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  • mariahellwig
    mariahellwig

    Ich frage mich, was sein Plan ist. Die Auswirkungen dürften auch Erdogan verborgen bleiben

    16:36 Uhr, 20.12.2021
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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