Kommentar
08:12 Uhr, 25.11.2014

Steuerabsurditäten

Dass einige Unternehmen sehr wenig Steuern zahlen ist inzwischen bekannt. Wie weit das gehen kann, ist aber wirklich bemerkenswert. Manche Unternehmen zahlen ihren Top Managern mehr als sie an Steuern bezahlen.

Erwähnte Instrumente

In den USA sind vor allem Großunternehmen unter besonderer Beobachtung. Von den 30 größten Unternehmen zahlten 7 keine Steuern. Insgesamt bekamen sie sogar 1,5 Mrd. USD an Steuern zurück, obwohl der Gewinn dieser 7 Unternehmen vor Steuern bei knapp 100 Mrd. USD lag.
Die 7 Unternehmen sind JP Morgan, Ford Motors, Chevron, General Motors, Boeing, Citigroup und Verizon Communication. Am liebsten möchte man diese Unternehmen öffentlich an den Pranger stellen. Bevor man das tut, muss man aber etwas genauer in die Bücher schauen. Der Gesamtgewinn und die Steuern, die letztlich nicht gezahlt wurden bzw. die sogar vom Staat zurückflossen, wirken auf den ersten Blick schockierend. Das hat aber natürlich zwei Seiten. In den USA bekamen die Unternehmen zwar 1,5 Mrd. für 2013 vom Staat zurück, dafür zahlten sie international Steuern – und zwar 18,2 Mrd. USD. Die Gesamtsteuerquote lag damit immerhin bei 17%. Das ist immer noch weniger als der durchschnittliche Unternehmenssteuersatz, aber immerhin liegt er trotz Steuervermeidungstaktiken nicht bei 0%.

Hätten die Unternehmen in den USA Steuern gezahlt, dann läge die Steuerquote wahrscheinlich bei ca. 25%. Dass in den USA keine Steuern gezahlt wurden, liegt letztlich nicht allein an den Unternehmen, sondern an den Gesetzen. General Motors führte für den Minimalsteueraufwand von 54 Mio. USD einen Steuerverlustvortrag an. Andere Unternehmen konnten bestimmte Assets gegenrechnen. Hier ist also nicht unbedingt der Pranger gefordert, sondern der Gesetzgeber. Solange die Gesetzgebung die Steuerminimierung zulässt werden Unternehmen das auch nutzen.

Für die Schließung von Steuerschlupflöchern kämpfen viele Politiker. In Deutschland steht Wolfgang Schäuble ganz vorne an der Front. Das ist zwar löblich, aber auch nicht einfach umzusetzen. Reformiert ein Staat seine Gesetzgebung, dann nutzen Unternehmen die Möglichkeit ihren Hauptsitz ins Ausland zu verlagern. Ikea hat ein Unternehmen, welches Gebühren von jedem Ikeageschäft für die Nutzung der Markenrechte verlangt. Die Ikeageschäfte zahlen 3% ihres Umsatzes an diese Gesellschaft in Luxembourg, die dann dort weitaus geringere Steuern zahlt. Ikea selbst zahlt in den einzelnen Ländern kaum Steuern, weil die Geschäfte nur wenige Gewinn machen, weil sie so hohe Gebühren an die luxemburgische Gesellschaft zahlen. Hier hilft nur ein internationales, gemeinsames Vorgehen. Leider sind viele Länder sehr unkooperativ.

Das ganze ist eine Art Gefangenendilemma. Dieses Dilemma kommt aus der Spieltheorie. Es gibt zwei Spieler bzw. Gefangene. Die Gefangenen werden ohne Möglichkeit sich abzustimmen verhört. Schweigen beide und verraten sich nicht, dann bekommen sie eine geringe Strafe. Gestehen beide, bekommen beide die Höchststrafe. Verrät nur einer der beiden den anderen, dann bekommt dieser als Zeuge eine Minimalstrafe, während der andere, der geschwiegen hat die Höchststrafe bekommt. Kooperieren beide und schweigen, dann erhalten beide nur eine geringe Strafe. Für beide Personen wäre dies das Optimum. Verrät aber einer der beiden den anderen, kann er sich besser stellen und den anderen schlechter, allerdings auf die Gefahr hin, dass der andere das gleiche denkt und so beide unbeabsichtigt gestehen und wieder die Höchststrafe bekommen.
Wie man es dreht und wendet, am besten wäre es, beide würden kooperieren und schweigen. Genauso wäre es am besten, wenn die Staaten sich international auf Gesetze einigen könnten, um Steueroptimierung einzudämmen. Viele Staaten kooperieren aber nicht, um sich auf Kosten anderer besser zu stellen. Das ist zwar nicht gesetzeswidrig, aber moralisch sicherlich bedenklich.

Staaten, die keine oder nur wenige Sonderkonditionen bieten, werden sich kaum auf ein Steuerdumping einlassen. Sie haben mehr zu verlieren als zu gewinnen. Sie könnten zwar wieder mehr Unternehmenssitze ins Land locken, aber das bringt nur kleineren Ländern etwas. Würde Deutschland die Unternehmenssteuer dritteln, dann verliert der Staat mehr Einnahmen als er durch den Zuzug von Unternehmen gewinnen kann.

Lockt ein kleineres Land Unternehmen an, dann kann die Rechnung aufgehen. In einem fiktiven Beispiel nehmen wir an, Deutschland würde durch die Drittelung der Unternehmenssteuer 15 Mrd. verlieren. Dafür kommen aber 100 neue Unternehmenssitze ins Land. Diese 100 Unternehmen zahlen jetzt in Deutschland Steuern, sagen wir 5 Mrd. Unterm Strich verliert der Staat. Macht Luxembourg das gleiche, dann verliert der Staat vielleicht nur 3 Mrd. und gewinnt dieselben 5 Mrd. Das macht Sinn, zumindest für Luxembourg. Würden nun beide Länder kooperieren und reformieren, würde Deutschland vielleicht 10 Mrd. gewinnen und Luxembourg vielleicht 1,5 Mrd. Luxembourg gewinnt immer noch, aber weniger als vorher. Zusammen werden hingegen 11,5 Mrd. gewonnen. Global gesehen stellt die Kooperation alle besser.
Bis das eingesehen wird bzw. bis Politiker sich nicht mehr durch unkooperatives Verhalten in Versuchung führen lassen, vergehen wahrscheinlich noch Jahrzehnte. Warten würde ich darauf nicht.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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