Fundamentale Nachricht
08:53 Uhr, 25.04.2019

Signalisiert die US-Zinsstrukturkurve eine Rezession in den USA?

Sonal Desai, Chief Investment Officer bei Franklin Templeton Fixed Income, hat Anzeichen dafür gefunden, dass die Vorhersagekraft der Zinsstrukturkurve nicht mehr ganz so hoch sein könnte wie in der Vergangenheit.

San Mateo (GodmodeTrader.de) - Im Laufe der letzten Jahre wurde viel über die Abflachung der US-Zinsstrukturkurve gesprochen, einer grafischen Darstellung des Abstands zwischen kurz- und langfristigen Zinsinstrumenten. In jüngster Zeit haben sich einige Marktbeobachter auf die Invertierung eines Teils der Kurve und die mögliche Bedeutung dieser Entwicklung konzentriert, wie es in einem aktuellen Bericht von Franklin Templeton Investments heißt.

Eine Verengung der Abstände zwischen kurz- und langfristigen Zinsen sei in der Vergangenheit in der Regel ein Hinweis darauf gewesen dass der Markt der Ansicht gewesen sei, das Wirtschaftswachstum sei nicht nachhaltig und werde künftig sinken. Wenn die Spreads zwischen kurz- und langfristigen Zinsen negativ würden (dies werde auch als eine „Invertierung“ bezeichnet), sei dies stets als Signal für eine potenziell drohende Rezession in den USA gesehen worden. Am 22. März habe sich der Abstand zwischen dreimonatigen und zehnjährigen US-Staatsanleihen erstmalig seit 2007 umgekehrt, heißt es weiter.

Größere Aufmerksamkeit gelte sicherlich dem Teil der US-Zinsstrukturkurve, der den Spread zwischen zehn- und zweijährigen US-Staatsanleihen abbilde. Ed Perks, CIO von Franklin Templeton Multi-Asset Solutions, zufolge sei in der Vergangenheit auf eine Invertierung (d.h. ein Abrutschen unter null) dieses Teils der Zinsstrukturkurve meist eine Rezession in den USA gefolgt. In den letzten beiden Jahren habe sich der Spread zwischen zehn- und zweijährigen US-Staatsanleihen unterhalb der Marke von 100 Basispunkten bewegt. Im Dezember 2018 sei der Abstand bis auf elf Basispunkte zurückgegangen, heißt es weiter.

„Unterdessen haben diverse fundamentale Faktoren in den letzten Jahren zu einer Begrenzung der Aufwärtsbewegung langfristiger Sätze (d.h. der Renditen zehn- und 30jähriger Staatsanleihen) geführt. Einige Marktbeobachter haben angemerkt, dass die Fed das lange Ende der Zinsstrukturkurve ohne ein weiteres Programm zur quantitativen Lockerung nicht kontrollieren kann. Einfach formuliert: Wir haben beobachtet, dass die Fed ihre kurzfristigen Zinsen in den letzten Jahren angehoben hat, ohne dass dies zu einem entsprechenden Anstieg der langfristigen Zinsen geführt hätte. Hierdurch hat sich die Zinsstrukturkurve abgeflacht und in einigen Bereichen sogar umgekehrt“, so Perks.

Perks Kollegin Sonal Desai, Chief Investment Officer bei Franklin Templeton Fixed Income, hat Anzeichen dafür gefunden, dass die Vorhersagekraft der Zinsstrukturkurve womöglich nicht ganz so hoch sein könnte wie in der Vergangenheit. Der Verlauf der Zinsstrukturkurve als Signal an die Anleger für eine unmittelbar bevorstehende US-Rezession sei bedeutungslos geworden, heißt es. Desai argumentiert, dass die großen Zentralbanken die Märkte in dieser Ära globaler quantitativer Lockerung auf unkonventionelle Art und Weise beeinflussen.

Beispielsweise habe die Fed im Nachgang der Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009 erhebliche Mengen an Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten gekauft. Desai zufolge hätten diese Käufe der Fed Auswirkungen auf die Kurse von Wertpapiere gehabt, was bedeute, dass das lange Ende der Zinsstrukturkurve inzwischen zu einer Funktion von Marktmechanismen geworden sei und sich damit fast vollständig von den Fundamentaldaten, die das Wirtschaftswachstum bestimmen, gelöst habe. „Der Markt betrachtet den Verlauf der Zinsstrukturkurve immer noch als Signal. Ich finde das einfach verblüffend“, so Desai.

Nach Meinung von Michael Hasenstab, Chief Investment Officer von Templeton Global Macro, sollte die Wirtschaftstätigkeit in den USA kurzfristig vom starken US-Arbeitsmarkt und einer stützenden Entwicklung beim Konsum profitieren. „Meiner Meinung nach haben wir in jüngster Zeit einen überzogenen Pessimismus beobachten können – diese Einschätzung, dass die USA unmittelbar vor einer Rezession stehen oder sich bereits in einer Rezession befinden. Ich halte das für übertrieben. Allerdings sehe ich in der Tat zunehmende fundamentale Sorgen über die langfristige Tragfähigkeit – dieses Konzept der unbesonnenen massiven defizitfinanzierten Staatsausgaben und die populistische Politik, die eine unkoordinierte und häufig volatile Wirtschaftsagenda zur Folge hat.“

Laut Sonal Desai scheint es einen Konsens zu geben, dass die USA Ende 2019 bzw. in 18 Monaten in eine Rezession eintreten werden. Derzeit sieht sie jedoch keinen Auslöser für diese Rezession. „Aus meiner Sicht ist es über diesen Zeithorizont hinweg etwas schwieriger, zu bestimmen, was genau diese Rezession auslösen wird. Denn wir haben diese starken Arbeitsmärkte, wir haben eine alles andere als restriktive Fed – die Fed ist in ihrer Ausrichtung äußerst gemäßigt. (Hohe) Energiepreise – ein weiterer wichtiger Faktor, der zu einer Rezession beitragen kann – sind ebenfalls nicht zu beobachten. Finanzielle Stabilität und eine Blasenbildung bei den Vermögenspreisen, das sind die Dinge, die wir im Auge behalten“, so Desai.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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