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16:05 Uhr, 13.06.2022

Javier Blas: Der Ölpreisschock wird dieses Jahr nicht enden

An der Wall Street mag das Gerede von einer Rezession im nächsten Jahr die Runde machen, aber auf dem Energiemarkt sieht es anders aus. Die meisten Händler, politischen Entscheidungsträger und Analysten gehen davon aus, dass die Ölnachfrage bis 2023 steigen wird und das Angebot damit nicht Schritt halten kann.

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  • WTI Öl
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    Kursstand: 119,920 $ (JFD Brokers) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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    Kursstand: 122,404 $ (JFD Brokers) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

New York (Godmode-Trader.de) - Inmitten der weit verbreiteten Befürchtungen, dass der Ölpreis in diesem Sommer in die Höhe schießen könnte, bahnt sich hinter dem Horizont ein weiterer Sturm an: Der Ölschock wird nicht im Jahr 2022 enden. Er wird sich mit ziemlicher Sicherheit bis ins nächste Jahr hinziehen. Davon geht Bloomberg-Experte Javier Blas in einer neuen Kolumne aus. „Einige Marktbeobachter befürchten, dass es noch weiter nach oben geht, wobei wildes Gerede über einen Ölpreis von 175 oder sogar 180 Dollar bis Ende 2022 die Runde macht, angetrieben von der aufgestauten Nachfrage nach Covid und den europäischen Sanktionen gegen Russland. Der Schock wird dieses Jahr nicht enden“, schreibt Blas.

Die Internationale Energieagentur wird ab diesem Mittwoch ihren ersten Ausblick auf die Angebots- und Nachfragebilanz für 2023 veröffentlichen. Das Datum markiert laut Blas den Beginn des jährlichen Wendepunkts, bei dem die Anleger ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf das folgende Jahr richten. Bereits jetzt fließen Gelder in den Brent-Kontrakt für Dezember 2023, was den Preis zuletzt auf fast 100 Dollar/Barrel ansteigen ließ. Laut Blas ein deutliches Zeichen dafür, dass die Händler von einem anhaltend angespannten Markt ausgehen.

Während alle Marktbeobachter auf die Prognose der IEA warten, haben viele Rohstoffhandelshäuser, Ölgesellschaften, die OPEC-Mitglieder und westliche Verbraucherländer bereits ihre Zahlen vorgelegt. Der Konsens für die Ölnachfrage im Jahr 2023 schwankt zwischen zusätzlichen 1 Mio. und 2,5 Mio. Barrel pro Tag. Im Jahr 2022 dürfte die Nachfrage laut IEA um 1,8 Mio. Barrel pro Tag auf etwa 100 Mio. Barrel gestiegen sein.

Auf der Angebotsseite sieht es nicht viel besser aus. Im besten Fall erwarten Ölhändler, dass Russland sein derzeitiges Niveau von etwa 10 Mio. Barrel pro Tag halten wird, das seit dem Einmarsch in die Ukraine um etwa 10 Prozent gesunken ist. Viele glauben jedoch, dass die Fördermenge um weitere 1 Mio. Barrel oder sogar 1,5 Mio. Barrel sinken könnte. Auch das OPEC+-Kartell, das zu Beginn des Jahres 2022 über reichlich freie Produktionskapazitäten verfügte, stößt an seine Grenzen. „Mit Ausnahme von zwei bis drei Mitgliedern sind alle am Limit", sagte OPEC-Generalsekretär Mohammad Barkindo letzte Woche.

Die Aussichten für 2023 sind mit einigen großen Fragezeichen versehen - und die meisten von ihnen beziehen sich auf staatliche Maßnahmen, erklärt Blas. Jede dieser Maßnahmen könne zu einer Verschiebung von Angebot und Nachfrage um 1 bis 1,5 Mio. Barrel pro Tag führen - mehr als genug, um die Preise erheblich zu beeinflussen. Das wichtigste Datum sei die Dauer der Ölsanktionen gegen Russland. Die anderen seien Chinas Nullzollpolitik, die westlichen Sanktionen gegen den Iran und Venezuela sowie die Freigabe strategischer Reserven.



Ölpreisschocks bleiben laut dem Bloomberg-Experten in der Regel durch ihre Preisspitzen in Erinnerung. Aber das sei nur die eine Hälfte der Wahrheit; die andere betreffe die Dauer. Und das ist seiner Meinung nach der entscheidende Punkt für die Prognose für 2023, schreibt Blas: „Die letzte Ölpreisspitze war von kurzer Dauer. Nach einem sanften Preisanstieg während des Jahres 2007 und Anfang 2008 beschleunigte sich die Rally im Mai 2008, und die Preise kletterten auf über 120 US-Dollar. Im Juli erreichten die Ölpreise ihren Höchststand von 147,50 Dollar, aber Anfang September waren sie auf unter 100 Dollar gefallen. Im Dezember 2008 wurde Brent unter 40 Dollar gehandelt.

Bis jetzt sei die Ölpreisrally 2021/22 eine Kopie derjenigen von 2007/08. Auf "gespenstische Weise laufen die Preisdiagramme nahezu perfekt synchron". Doch wer hoffe, dass der Ölmarkt bald dem Muster der Ereignisse von vor 14 Jahren folge, verkenne die Realität, meint Blas. „Die Ölpreise stehen nicht vor einem Absturz“. Eine bessere Analogie sei der Zeitraum zwischen 2011 und 2014: Die Ölpreise haben das Rekordhoch von 2008 nie wieder erreicht, lagen aber dennoch über 40 Monate lang fast ununterbrochen über 100 US-Dollar. Im Jahr 2022 lag der Durchschnittspreis der Sorte Brent bereits bei 103 US-Dollar je Barrel und damit über dem Jahresdurchschnitt 2008 von 98,50 US-Dollar. „In den nächsten sechs Monaten könnten die Preise noch weiter steigen. Viel wichtiger ist jedoch, wie lange diese Preise auf hohem Niveau bleiben. Im Moment ist noch kein Ende in Sicht“.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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