Kommentar
15:25 Uhr, 26.10.2023

Lagarde: EZB hat nicht über Zinssenkungen gesprochen

Nach zehn Zinserhöhungen in Folge hebt die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen vorerst nicht weiter an, ohne weitere Anhebungen vollständig auszuschließen. Es sei noch viel zu früh, um über mögliche Zinssenkungen zu sprechen, betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz.

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Erstmals seit Juli 2022 hat die EZB bei ihrem Zinsentscheid am Donnerstag wie erwartet nicht weiter an der Zinsschraube gedreht. Der eigentliche Leitzins (Hauptrefinanzierungszins) bleibt bei 4,5 %, der Einlagensatz für die Banken bei 4,00 % und der Spitzenrefinanzierungszins bei 4,75 %, wie die EZB im Rahmen ihres Zinsentscheids am Donnerstag ankündigte. Die Leitzinsen befinden sich damit weiter auf dem Rekordhoch seit Gründung der EZB, nachdem bei zehn Zinsentscheiden in Folge im Kampf gegen die Inflation die Zinsen angehoben wurden. Inzwischen hat sich die Inflation zwar deutlich abgeschwächt, befindet sich aber immer noch deutlich über dem 2%-Ziel der EZB.

„Der EZB-Rat ist entschlossen, für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von 2 % zu sorgen“, heißt es weiter im Statement zum Zinsentscheid. „Auf Grundlage seiner aktuellen Beurteilung ist der EZB-Rat der Auffassung, dass sich die EZB-Leitzinsen auf einem Niveau befinden, das – wenn es lange genug aufrechterhalten wird – einen erheblichen Beitrag zu diesem Ziel leisten wird. Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden.“

Mögliche künftige Zinserhöhungen schließt die EZB mit ihrem heutigen Entscheid nicht aus. Es könnte sich also nur um eine Zinspause und kein Ende der Anhebungen handeln. „Bei der Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus wird der EZB-Rat auch künftig einen datengestützten Ansatz verfolgen. Die Zinsbeschlüsse des EZB-Rats werden vor allem auf seiner Einschätzung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund aktueller Wirtschafts- und Finanzdaten, der Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation sowie der Stärke der geldpolitischen Transmission basieren“, heißt es im Statement zum Zinsentscheid.

Anders als zum Teil erwartet hat die EZB kein vorläufiges Ende ihrer Reinvestitionen aus dem Pandemie-Kaufprogramm PEPP angekündigt. Diese sollen, wie bisher kommuniziert, mindestens bis Ende 2024 fortgesetzt werden, heißt es unverändert im Statement.

Updates von der Pressekonferenz: EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, dass die Inflation zu hoch für zu lange bleibe und die EZB entschlossen sei, die Inflation zeitnah wieder auf 2 % zu reduzieren. Die wirtschaftliche Entwicklung werde in den kommenden Monaten vermutlich gedämpft bleiben, wobei die niedrigere Nachfrage und strengere Finanzierungsbedingungen die Wirtschaft belasten. Die Industrieproduktion gehe zurück und auch der bisher widerstandsfähige Dienstleistungssektor beginne, sich abzuschwächen. Die Dynamik am Arbeitsmarkt lasse nach. Regierungen sollten ihre im Rahmen der Energiekrise beschlossenen Stützungsmaßnahmen zurückfahren, um die Inflation nicht weiter anzuheizen, so Lagarde.

Die Inflation sei im September deutlich gesunken und der Rückgang sei breit angelegt gewesen, was zum Teil auch an Basiseffekten gelegen habe. Die Energiepreise seien wegen der geopolitischen Risiken weniger vorhersehbar als früher. Die Risiken für das Wirtschaftswachstum seien abwärts gerichtet. Die langfristigen Zinsen hätten seit dem letzten Zinsentscheid kräftig zugelegt und Kreditkosten für Banken und Unternehmen seien deutlich gestiegen. Die Folgen des Krieges in Israel beobachte man genau.

Über ein vorzeitiges Ende der PEPP-Reinvestitionen, über das Beobachter spekuliert hatten, sei nicht gesprochen worden, sagte Lagarde. Auch Zinssenkungen seien nicht diskutiert worden und es wäre auch sehr verfrüht, auch nur über die Bedingungen für mögliche Zinssenkungen zu sprechen, betonte Lagarde. Dass man die Zinsen dieses Mal nicht angehoben habe, bedeute nicht, dass man die Zinsen nie wieder anheben werde. Sie könne nicht sagen, ob man am Zinshoch angekommen sei, betonte Lagarde. Künftige Entscheidungen würden datenabhängig getroffen.

Fazit: Der EZB-Zinsentscheid ist ohne große Überraschungen geblieben. Die EZB hat ihren Zinserhöhungskurs vorerst beendet, ohne weitere Anhebungen wirklich auszuschließen. Über mögliche Zinssenkungen will Lagarde nicht einmal sprechen, auch nicht über Bedingungen dafür. Die EZB-Geldpolitik sei weiter datenabhängig und die EZB hält sich ausdrücklich alle Optionen offen. Niemand solle an der Entschlossenheit der EZB zweifeln, die Inflation wieder auf 2 % zu senken, betonte Lagarde. Sollte die Inflation weiter sinken, dürfte es nicht zu weiteren Zinsanhebungen kommen. Sollte sich die Inflation wieder beschleunigen, könnte dies aber durchaus anders aussehen, wie auch Lagarde andeutete. Zinssenkungen sind derzeit noch nicht absehbar, während der Markt bereits ab März 2024 mit Senkungen rechnet, was deutlich verfrüht sein könnte.

Marktreaktionen: Die Aktienmärkte legten in einer ersten Reaktion auf den Zinsentscheid zu, während die Anleihenrenditen sanken. Nach 14.30 Uhr wurden die Märkte auch von besser als erwartet ausgefallenen US-Wirtschaftsdaten beeinflusst. Während der Pressekonferenz ab 14.45 Uhr legten die Aktienindizes zunächst weiter zu.

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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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