Fundamentale Nachricht
16:46 Uhr, 14.05.2020

Eurozone: Näher am Auseinanderbrechen oder an der Vergemeinschaftung der Schulden?

Wird die Euro-Zone diese Krise überstehen? Wird sie eher auseinanderbrechen oder die Schulden auf alle Schultern verteilen? Das fragt Paul Brain, Leiter des Fixed Income Teams bei Newton Asset Management – einer Gesellschaft von BNY Mellon Investment Management.

„Unserer Meinung nach werden sich die nordeuropäischen Länder weiter gegen ein gemeinsam unterstütztes staatliches Anleiheemissionsprogramm wehren. Denn sie befürchten, dass durch ein solches Programm „schlechtes Verhalten“ als Belohnung aufgefasst werden würde. Außerdem müssten sie sich vor den eigenen Steuerzahlern dafür rechtfertigen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kann aufgrund ihrer derzeit lockeren Auslegung der Obergrenzen für den Kapitalschlüssel beträchtliche Summen italienischer Anleihen aufnehmen, die wahrscheinlich ausreichen, um die notwendige Anleiheemission bis zum Jahresende abzudecken. Hinzu kommt, dass die Renditeniveaus der Neuemissionen italienischer Staatsanleihen (BTP) immer noch nahe an historischen Tiefstständen sind. Die Spreads sind noch nicht so groß wie während der durch die Wahlen im letzten Jahr verursachten Volatilität. Aus diesen Gründen sehen wir keine kurzfristigen Finanzierungsprobleme.

Da die Wirtschaft der Euro-Zone jedoch weiter schrumpft und der Bankensektor Schwierigkeiten hat, werden die Stimmen, die einen gemeinsamen europäischen "Konjunkturfonds" befürworten, wahrscheinlich lauter werden. Dennoch glauben wir, dass die Nordeuropäer argumentieren werden, dass Italien unter solchen Umständen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nutzen sollte, der Ländern oder Banken in der Eurozone finanzielle Unterstützung in Krisenzeiten bereitstellt. Jedoch werden die südeuropäischen Länder aus unserer Sicht einen solchen Schritt nicht akzeptieren, da sie glauben, dass dies mit zu vielen Einschränkungen und Bedingungen verknüpft wäre, wie sie ihre eigenen Volkswirtschaften gestalten sollten.

Wir nehmen deshalb an, dass eine Art Konjunkturfonds eingerichtet werden wird, der im Einklang mit bestehenden Organisationen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) steht oder der sogar über eine gemeinsame Haushaltsstruktur verwaltet werden würde. Die Verwendung einer bestehenden Struktur könnte als "gesichtswahrende" Maßnahme angesehen werden, die die wahren Kosten verschleiern und diese gleichzeitig unter Kontrolle halten könnte. Einen solchen Fonds könnte man einfacher schließen, sobald er nicht mehr benötigt werden sollte.

Die Idee eines Konjunkturfonds wird zunehmend wahrscheinlicher, da das Bundesverfassungsgericht in Deutschland die EZB aufgefordert hat, ihr Anleihekaufprogramm zu rechtfertigen. Deshalb könnte es sein, dass die lockere Auslegung der Regeln durch die EZB nicht über das Jahr hinaus Bestand haben. Ein Konjunkturfonds wäre dann eine mögliche und gangbare Alternative.“

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