Fundamentale Nachricht
10:24 Uhr, 19.12.2018

Europäische Aktien: Potenzial für spätzyklische Kursgewinne

Die europäischen Aktienmärkte steuern nach Einschätzung von Dylan Ball, leitender Stratege für europäische Aktien bei der Templeton Global Equity Group, auf ein besseres Jahr 2019 zu.

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  • EURO STOXX 50
    ISIN: EU0009658145Kopiert
    Kursstand: 3.060,92 Pkt (STOXX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

San Mateo (GodmodeTrader.de) - 2018 hat sich in jederlei Hinsicht als enttäuschendes Jahr für die europäischen Aktienmärkte erwiesen. Die lang erwartete spätzyklische Erholung der regionalen Märkte hat sich immer weiter hinausgezögert, da viele Anleger schneller wachsende US-Unternehmen bevorzugt und sich um die politische Lage in Europa Sorgen gemacht haben, wie Dylan Ball, leitender Stratege für europäische Aktien bei der Templeton Global Equity Group, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

„Nichtsdestotrotz deuten die zugrundeliegenden Fundamentaldaten des Markts unserer Einschätzung nach auch weiterhin auf Potenzial für eine kurzfristige Erholung hin. Die Unternehmensgewinne und Bewertungen in Europa haben aus unserer Sicht noch sehr viel Luft nach oben, während der Markt und der Konjunkturzyklus eine reifere Phase erreichen. Wir gehen davon aus, dass sich die Trends, die in den letzten Jahren dazu geführt haben, dass sich US-amerikanische Aktien stärker entwickeln als ihre europäischen Pendants, allmählich umkehren werden“, so Ball .

Ultraniedrige Zinsen und Anleihenkäufe seitens der Zentralbanken hätten über Jahre hinweg zu Verzerrungen an den Märkten geführt, da hierdurch Aktien mit hohen Wachstumserwartungen begünstigt und Titel mit einem moderateren Wachstumsausblick abgestraft worden seien. Von diesem Trend hätten während der letzten Jahre vor allem große Technologiewerte in den USA profitiert. Zusätzlich verstärkt worden sei dieser Trend durch passive Anlageformen, da hierdurch mehr Kapital den Marktführern zufließe, während Werte mit sinkenden Kursen einen Kapitalabfluss verzeichneten. Dieser Prozess habe wenig mit Preisfindung und Bewertung zu tun, sondern sei sehr viel Stärker an Momentum und Trendfolge gekoppelt, heißt es weiter.

„Wir sind der Ansicht, dass diese Trends allmählich ein Ende finden, während die Zinsen in den USA steigen und die Zentralbanken beginnen, ihre außerordentlichen Anreizmaßnahmen zurückzufahren. Während weiter Liquidität abgezogen wird, sollten sich die Märkte einmal mehr auf Gewinne und Bewertungen konzentrieren. Da es unwahrscheinlich ist, dass sich das zuletzt in den USA vorgelegte Gewinnwachstum auch im Jahr 2019 fortsetzt, könnte robustes Gewinnwachstum bei europäischen Unternehmen allmählich mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen“, so Ball.

Im Gegensatz zu den USA umfassten die europäischen Märkte eine größere Anzahl von Unternehmen, deren Gewinne empfindlich auf Zinssätze und Preiserhöhungen reagierten, wie etwa Banken und Rohstoffhersteller. Ein leichter Anstieg der Zinsen könnte beispielsweise positive Auswirkungen auf die Ertragslage von Banken haben, während sich die Vorteile höherer Rohölpreise allmählich in den Ergebnissen von Ölgesellschaften bemerkbar machten. Zudem könnten robuste Metallpreise europäischen Bergbaufirmen sowie den verschiedenen Unternehmen, die sie mit Ausrüstung und Dienstleistungen belieferten, Unterstützung bieten. Des Weiteren seien die Bewertungen in Europa sehr viel attraktiver geblieben als in den USA. Die Unternehmen der Region seien zuletzt zu historischen Bewertungsabschlägen gegenüber ihren Pendants auf der anderen Seite des Atlantik gehandelt worden. So habe sich beispielsweise das rückblickende Kurs-Gewinn-Verhältnis in Europa allein in den letzten beiden Jahren halbiert, obwohl die Gewinne je Aktie zweistellig gestiegen seien, heißt es weiter.

„Wir sind der Ansicht, dass die Underperformance Europas teilweise auf wahrgenommene politische Risiken zurückzuführen ist, die insbesondere mit den Handelsspannungen, dem Brexit und der Lage in Italien zusammenhängen. Letzten Endes dürften diese Situationen unserer Einschätzung nach jedoch jeweils ohne eine wesentliche Störung der globalen und europäischen Finanzmärkte beigelegt werden. Wir gehen davon aus, dass sich im Handelsstreit der USA mit China letztendlich Pragmatismus durchsetzen wird. Die beiden Seiten scheinen zwar weit voneinander entfernt zu sein, wir glauben jedoch, dass sich die Trump-Regierung früher oder später auf eine Einigung einlassen wird. Die Beilegung dieses Konflikts ist für europäische Unternehmen wichtig, da sie stark auf den Export in die USA und Asien angewiesen sind“, so Ball.

Auch wenn in den Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union (EU) über die Bedingungen für den Austritt des Landes aus der Union zuletzt ein Durchbruch erzielt worden sei, dürfte die Unsicherheit hoch bleiben. Daher sei man bezüglich des britischen Marktes weiterhin vorsichtig, insbesondere was inländisch orientierte Unternehmen anbelange, heißt es weiter.

„Wir betrachten den Markt während dieses laufenden Brexit-Prozesses als eine ‚Sondersituation‘, die Anlegern mit dem richtigen Ansatz, Risikotoleranz und einem angemessenen Zeithorizont potenzielle Chancen eröffnet. In Italien gestaltet sich die Lage ein bisschen schwieriger, insbesondere in Anbetracht der jüngsten Haushaltsverhandlungen zwischen der populistischen Regierung des Landes und der EU. Mit der vorgeschlagenen Anhebung seiner defizitfinanzierten Ausgaben zur Ankurbelung des Wachstums verstößt Italien gegen einige der Haushaltsvorschriften der EU. Trotz der jüngsten Rhetorik glauben wir allerdings nicht, dass dies zu einem Bruch zwischen Italien und Brüssel führen wird“, so Ball.

Auf Basis der jüngsten Meinungsumfragen sei davon auszugehen, dass die meisten Italiener einen Verbleib des Landes im Währungsblock bevorzugen. Zudem sehe man kaum wirtschaftliche Argumente für eine Abspaltung. Ganz im Gegenteil: Dank des starken Exportwachstums im dominanten Fertigungssektor im Norden des Landes genieße Italien sowohl einen Leistungsbilanz- als auch einen Handelsüberschuss, was nahelege, dass es kaum Grund für eine wettbewerbsförderliche Abwertung der Währung gebe. Darüber hinaus seien die Kreditkosten Italiens dank seiner Mitgliedschaft in der Eurozone sehr viel niedriger geblieben, als sie es wären, wenn das Land dieser Gruppe nicht angehören würde, heißt es weiter.

„Die italienische Politik könnte zwar auch weiterhin turbulent bleiben, unserer Einschätzung nach dürfte dies jedoch keine gravierende politische Krise in Europa auslösen. Sobald sich die Anleger bezüglich der politischen Verwerfungen und der Unsicherheit wieder beruhigt haben, dürften Fundamentaldaten aus unserer Sicht wieder wichtig werden, während der Zyklus in eine reifere Phase eintritt. Und da das Gewinnwachstum und die Marktbewertungen in Europa unserer Ansicht nach im Vergleich zu anderen Regionen attraktiv sind, sehen wir Potenzial für eine Erholung im Laufe des kommenden Jahres“, so Ball.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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