Fundamentale Nachricht
15:48 Uhr, 24.06.2022

Die Potemkinsche Rubel-Stärke

… und was der starke Wechselkurs der russischen Währung mit den Ölpreisen und den westlichen Sanktionen zu tun hat.

Erwähnte Instrumente

  • USD/RUB
    ISIN: XC000A0C31G0Kopiert
    Kursstand: 54,20700 р. (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Brent Crude Öl
    ISIN: XC0009677409Kopiert
    Kursstand: 111,448 $ (JFD Brokers) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Der russische Rubel erreichte am Mittwoch zum US-Dollar den höchsten Stand seit Mai 2015. Am Freitag wurde Russlands Währung immer noch in der Nähe des Siebenjahreshochs gehandelt. Dabei war der Rubel Anfang März, kurz nach dem Ukraine-Einmarsch und den schnell aufgelegten ersten Sanktionen des Westens gegen Russland noch beispiellos abgestürzt.

Die bemerkenswerte Erholung in der Zeit danach stützt das Narrativ des Kremls, dass die westlichen Sanktionen keinerlei Wirkung zeigen. „Die Idee war klar: die russische Wirtschaft gewaltsam zu zerschlagen", sagte der russische Präsident Wladimir Putin letzte Woche auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Offensichtlich habe das nicht funktioniert.

Ende Februar, nach dem anfänglichen Absturz des Rubels und vier Tage nach Beginn der Invasion in der Ukraine am 24. Februar, hat Russlands Zentralbank ihren Leitzins von zuvor 9,5 auf satte 20 Prozent mehr als verdoppelt. Im Zuge dessen wertete der Rubel so stark auf, dass der Zinssatz mittlerweile wieder dreimal auf das alte Niveau gesenkt. Der Rubel ist sogar so teuer geworden, dass die Bank Rossii aktiv Maßnahmen ergreift, um ihn zu schwächen, da sie einen negativen Effekt auf die Exporte des Landes befürchtet.

Doch was steckt wirklich hinter dem Anstieg der Währung, und ist er auch nachhaltig?

Die Gründe dafür sind zunächst in den auffallend hohen Energiepreisen, den Kapitalverkehrskontrollen und auch den Sanktionen selbst zu sehen. Russland ist der weltweit größte Exporteur von Gas und der zweitgrößte Exporteur von Öl. Hauptabnehmer ist noch immer die Europäische Union, die russische Energie im Wert von wöchentlich mehreren Milliarden von Dollar einkauft und gleichzeitig versucht, Russland mit Sanktionen zu bestrafen.

Das hat die EU in eine missliche Lage gebracht: Sie hat nun de facto mehr Geld in Form von Öl-, Gas- und Kohlekäufen an Russland überwiesen, als sie Hilfszahlungen an die Ukraine geleistet hat. Letztendlich wurde die Kriegskasse des Kremls gut gefüllt. Und da die Preise für Rohöl auf Mehrjahreshochs gestiegen sind, fährt Moskau, das schon mit einem Brent-Preis von 40 Dollar/Barrel Gewinne erzielt, traumhafte Renditen ein.

In den ersten gut drei Monaten des Russland-Ukraine-Krieges hat die Russische Föderation laut dem finnischen Centre for Research on Energy and Clean Air fast 100 Mrd. Dollar an Einnahmen aus dem Export fossiler Brennstoffe erzielt. Mehr als die Hälfte dieser Einnahmen stammte aus der EU. Und obwohl viele EU-Länder bestrebt sind, ihre Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu verringern, könnte dieser Prozess noch Jahre dauern.

Zwar hat die EU im Mai ein weiteres Sanktionspaket verabschiedet, das die Einfuhr von russischem Öl bis Ende dieses Jahres teilweise verbietet, aber es enthält erhebliche Ausnahmen für Öl, das per Pipeline geliefert wird, da Binnenländer wie Ungarn und Slowenien keinen Zugang zu alternativen Ölquellen (über den Seeweg) haben.

Der Wechselkurs profitiert davon, dass Russland einen rekordverdächtigen Leistungsbilanzüberschuss in Devisen erwirtschaftet. Diese Einnahmen, hauptsächlich Dollar und Euro, werden über einen komplexen Mechanismus in Rubel konvertiert. Nach Angaben der russischen Zentralbank betrug der russische Leistungsbilanzüberschuss von Januar bis Mai dieses Jahres etwas mehr als 110 Mrd. Dollar - mehr als das dreieinhalbfache des Vergleichszeitraums im Vorjahr.

Die Kapitalverkehrskontrollen der russischen Zentralbank haben darüber hinaus eine große Rolle gespielt (vor allem die Pflicht für russische Exporteure, 80 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ausland in russische Rubel zu konvertieren), ebenso wie die Tatsache, dass Russland dank der Sanktionen nicht mehr so viel importieren kann, was bedeutet, dass es weniger Geld für den Kauf von Waren aus anderen Ländern ausgibt.

Der Wechselkurs des Rubels ist allerdings nur auf dem Papier stark. Er ist auch das Ergebnis kollabierender Importe. Da Russland nun zu einem guten Teil vom internationalen SWIFT-Bankensystem abgeschnitten und praktisch vom internationalen Dollar- und Euro-Handel ausgeschlossen ist, muss das Land im Wesentlichen mit sich selbst handeln. Experten sprechen daher von einem ‚Potemkinschen Kurs‘.

Eine starke Währung, die einer starken Ökonomie vorsteht - davon kann keine Rede sein. Mit der russischen Wirtschaft sieht es ganz und gar nicht gut aus. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine haben Tausende von internationalen Unternehmen das Land verlassen und ein Heer von Arbeitslosen zurückgelassen. Die ausländischen Investitionen sind massiv eingebrochen, und die Armut hat sich nach Angaben der russischen Statistikbehörde Rosstat allein in den ersten fünf Wochen des Krieges fast verdoppelt. Auch die von der Statistikbehörde in Moskau zuletzt beobachtete Deflationstendenz, die ihren Grund in der starken Landeswährung sowie einer gesunkenen Nachfrage hat, müsste besorgen.

Vor dem russischen Überfall auf die Ukraine war der Rubel allerdings extrem unterbewertet. Der Statista Big-Mac-Index" von Januar 2022 zeigt, dass der Rubel international die am niedrigsten bewertete Währung war, noch hinter der türkischen Lira (https://www.statista.com/statistics/274326/big-mac-index-global-prices-for-a-big-mac). Einen gewissen Teil der Rubel-Aufwertung seit Jahresbeginn könnte also auch als eine Art Wiederkehr des Wechselkurses in Richtung jahrelanger Niveaus betrachtet werden.

USD/RUB
Statischer Chart
Live-Chart
Chart in stock3 Terminal öffnen
Brent Crude Öl
Statischer Chart
Live-Chart
Chart in stock3 Terminal öffnen

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

6 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Malla512
    Malla512

    Herr Lammert, nach Ihrer Argumentation wäre dann wäre die Konvertierung von allen Währungen in USD auch eine künstliche Aufwertung des USD? Bei Russland (dem Feind) ist das eine künstliche Aufwertung und bei der USA vollkommen in Ordnung? Wir sind hier auf einer Witschaftsseite und polemische Politik hat hier nicht viel zu suchen. Sie machen es sich zu einfach. Russland wurde wegen der westlichen Saktionen gezwungen die Bedingungen für die Zahlungen Ihrer Ausfuhren zu ändern, weil von den westlichen Staaten die dort liegenden Devisen einfach eingefroren wurden (Kommt im Prinzip einem Diebstahl gleich). Dem gleichzusetzen ist im Prinzip ein Vertrausensverlust in diese Währungen. Diese Sanktionsgebahren könnte ja so auch bei allen anderen Staaten angewand werden. Diese Handlungen beschließen den Anfang des Endes der USD-Hegemonie und wird leider unabänderbar sein. Man kann wirklich sagen, dass der Westen sich ins eigene Knie geschossen hat. Einer der wichtigsten Gründe für die Aufwertung wurde von Ihnen gar nicht aufgeführt: Das Versprechen der Zentralbank bis zum 30.06.2022 Gold für einen festen Kurs von 5000 Rubel für ein Gramm Gold zu tauschen. Auch die Handlungen vom Wochenende (Das Verbot des Goldexports der westlichen Staaten) stützt die Bedeutsamkeit dieser Handlungen der russischen Zentralbank!

    08:51 Uhr, 27.06.2022
  • Bernd Lammert
    Bernd Lammert Finanzredakteur

    Zunächst einmal meinen Dank für Eure Resonanz und auch die Kritik. Konstruktive Kritiken finde ich bereichernd, den hier teilweise zur Schau gestellten unverschämten Tonfall kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Der Artikel beschreibt die wichtigsten Entwicklungen zum Thema und ist dazu frei zugänglich. Es ist auch kein Verschwörungsartikel, sondern faktenbasiert mit der These, dass die Rubel-Aufwertung zu einem guten Teil künstlich herbeigeführt wurde. Nochmal: Der Zustrom von Euros und Dollars aus dem Export hochpreisiger Rohstoffe Richtung Russland, wo die Einnahmen in Rubel konvertiert werden, sorgt in der Hauptsache nun mal für den Aufwertungsdruck bei der russischen Währung. Hinzu kommen die Kapitalverkehrskontrollen, vor allem die Pflicht für russische Exporteure, 80 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ausland in russische Rubel zu konvertieren. Das sind die wichtigsten Punkte. Der Rubel wertet auf, die Kreml-Maßnahmen wirken. Aber ein unabhängiger Wechselkurs, frei von jeglicher staatlicher Beeinflussung, ist das nicht. Also, man kann sich hier gerne über die These in der Diskussion streiten und auseinandersetzen, bei Beleidigungen sag ich, runter vom Gas!

    13:35 Uhr, 25.06.2022
  • Limes123
    Limes123

    Der phänomenale Aufstieg des Rubels nach seinem Absturz auf neue Höhen liegt daran, das der Rubel innerhalb Russland eine goldgedeckte Währung ist. Leider haben Sie den wichtigsten Grund überhaupt nicht berücksichtigt. Jeder Russe hat das Recht zu einem festgelegten Preis seine Rubel in Gold zu tauschen. Somit hat er keinen Grund diese in andere Währungen zu tauschen.

    07:00 Uhr, 25.06.2022
  • Lückenhafte und unzureichende Erklärung für die Dämlichkeit des Westens

    16:46 Uhr, 24.06.2022
  • infochristian
    infochristian

    Ich hätte mir auch mehr Qualität in der Berichterstattung über ein derart komplexes Thema erwartet. Aber der deutsche Qualitätsjournalismus ist leider tot.

    16:31 Uhr, 24.06.2022
  • kantate
    kantate

    Verehrter Herr Lammert, es sind nur einige russ. Banken vom Swift ausgeschlossen, keineswegs ist Russland gänzlich ausgeschlossen. Schlechte Recherche ihrerseits, sorry, ich erwarte mehr journalistische Qualität und weniger Oberflächlichkeit.

    MfG

    Schulze

    16:07 Uhr, 24.06.2022

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten