Kommentar
12:58 Uhr, 16.07.2015

Die europäische Perspektive: Chaos und Finanzdiktatur...

Was sich in Griechenland in dieser Woche abgespielt hat, das lässt erahnen, wohin unsere Reise führen wird. Doch vielleicht muss das alles so sein...

Ist es nicht ein merkwürdiger Zufall, dass der Begriff „Chaos“ (χάος cháos) ausgerechnet aus dem Griechischen kommt? Der Begriff beschreibt einen Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung. Der Gegenpol lautet übrigens „Kosmos“. Es ist das griechische Wort für Ordnung oder Universum...

Bezeichnenderweise sind die Griechen nun das erste Volk in Europa, das im Zuge der weltweiten Staatsschuldenkrise am eigenen Leib erfahren wird, was es bedeutet, von einer Finanzdiktatur in vollständiges Chaos gestürzt zu werden. Denn man sollte sich da nichts vormachen: Was dort in dieser Woche geschehen ist, das wird Griechenland nachhaltig verändern - und damit ganz Europa.

Was sich in Griechenland jetzt abzeichnet, das kann als Blaupause für den gesamten Kontinent dienen: Die Finanzindustrie übernimmt die Macht, die Demokratie wird zur reinen Lachnummer degradiert. Wer das für übertrieben hält, der möge sich in einer ruhigen Minute einmal folgende Sachverhalte vor Augen führen:

Erstens:

Die Forderungen der Geldgeber, die den Griechen in dieser Woche zur Abstimmung vorgelegt wurden, gehen weit über alles hinaus, was als „Kompromiss“ bezeichnet werden könnte. Das zeigt, worum es hier in Wahrheit geht: Ziel ist nicht etwa der Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft oder die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des geschundenen Landes.

Wie seit Beginn der weltweiten Schuldenkrise im Jahr 2007 geht es auch diesmal einzig und allein um die Rettung internationaler Großbanken. Man spricht jetzt auffallend häufig von „Geldgebern“, vielleicht, weil das etwas netter klingt. Garniert wird diese „Rettung“ diesmal jedoch, und das ist neu, mit der rücksichtslosen Plünderung eines Landes:

Wenn das euphemistisch „Privatisierungsfonds“ genannte Finanzmonstrum, mit dessen „Unterstützung“ die Griechen jetzt ihr Volksvermögen verkaufen sollen, sein Werk vollendet hat, dann wird das Land endgültig zusammenbrechen. Wie immer in solchen Fällen, wird das Prozedere auf dem Rücken der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft ausgetragen.

Zweitens:

Was sich in dieser Woche im griechischen Parlament abgespielt hat, das hat mit Demokratie nicht das Geringste zu tun. In der Nacht zum Donnerstag, 16. Juli 2015, haben die griechischen Abgeordneten ein Gesetz verabschiedet, das exakt jenen Weg fortführen wird, der Griechenland in den vergangenen fünf Jahren in einen einzigen Scherbenhaufen verwandelt hat.

Mit dem Traktat wird den Griechen, und damit uns allen, noch viel größerer Schaden zugefügt als bislang, weil die Summen um die es inzwischen geht, systembedingt immer größer werden und weil die Forderungen der Gläubiger nichts anderes sind, als die Fortsetzung des gescheiterten Rettungsprogramms.

Wohin diese „Rettung“ geführt hat, das sehen wir gerade.

Der Vorgang hat fatale Ähnlichkeit mit der „Abstimmung“ zum „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ (ESM) im Deutschen Bundestag vor drei Jahren. Hier wie dort haben demokratisch gewählte Abgeordnete Gesetze unterzeichnet, die ihnen von außen auferlegt wurden. Dabei kann jeder schon heute erkennen, dass beide Vorgänge immensen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten werden. Parlamente, die solche Beschlüsse fassen sind keine Volksvertretungen sondern Vollzugsorgane.

Und wenn alle in das griechische Parlament eingebrachten Gesetzesentwürfe künftig Wort für Wort mit der Troika abzusprechen sind, dann zeigt das nur, wer in Griechenland in Wahrheit regiert.

Drittens:

Die Härte und Unerbittlichkeit mit der die Griechen jetzt international vorgeführt und gedemütigt werden, nährt den Verdacht, dass hier ein Exempel statuiert werden soll. Mögliche Nachahmer werden es sich künftig gut überlegen, eine eigene Meinung zu haben oder gar, sich mit den "Geldgebern" anzulegen.

Mit anderen Worten: Was sich hier gerade vor unser aller Augen abspielt, das ist nicht Demokratie sondern Diktatur!

Im Übrigen wäre Griechenland gut beraten, nicht nur aus dem Euro auszusteigen. Dass diese Option schon bald wieder auf der Tagesordnung stehen wird, das zeigen nicht nur die Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der trotz des jüngsten Votums aus Athen einen „Grexit“ weiterhin für eine gute Idee hält.

Die Griechen selbst werden das auch bald erkennen.

Noch viel wichtiger wäre aber, wenn Athen auch den Kriegstreibern in Washington konsequent den Rücken kehren würden. Ein Austritt aus der Nato etwa wäre ein Schritt, mit dem das Land erneut Weltgeschichte schreiben könnte. Damit würde sich auf mittlere Sicht auch jenes Flüchtlingsproblem in Wohlgefallen auflösen, das uns vermutlich in Kürze, und zwar direkt vor unserer Haustür, noch sehr viel stärker beschäftigen wird als die Causa Griechenland.

Denn wo kein Krieg, da keine Flüchtlinge...

Bei Licht besehen wird uns für den Moment jedoch nichts anderes übrig bleiben, als Chaos und Finanzdiktatur eine Zeitlang zu ertragen. Was es bedeutet, wenn sich ein sterbendes System noch einmal aufbäumt, das werden jetzt zunächst die Griechen erfahren. Doch dieser Prozess wird gewaltige Kräfte freisetzen, denn die Entwicklungen werden schon bald ganz Europa erfassen.

Spätestens dann ist die Zeit gekommen, die Weichen in eine andere Richtung zu stellen...

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

178 Kommentare

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  • amateur
    amateur

    skurrile

    20:39 Uhr, 20.07.2015
  • amateur
    amateur

    faszinierend, wie sich hier den ganzen Tag lang skurille Personen rumtreiben

    20:38 Uhr, 20.07.2015
  • Chronos
    Chronos

    Ich bin gut gelaunt. Mein 22jähriges Pflegekind hat jetzt zwar ein Tatoo von einem Ihrer Stecher, dafür cutted sie sich nicht mehr und der Psychiater für den Ernstfall wird nicht nötig, aber gut ich schweife ab. Was Du und Investor miteinander haben ist auch eine mehr als surreale Beziehung. So bald Du ihn auch Papa nennst, flipp' ich aus.

    17:11 Uhr, 20.07.2015
    2 Antworten anzeigen
  • Chronos
    Chronos

    @Balken: Ich kann die kleinen gelben Viecher zwar nicht mehr sehen, aber

    ich hätte einen minimal-kreativen Vorschläge für Deinen Avatar. Nimm den einäugigen Monion!

    PS: Denke nur die Ironie und Selbstkasteiung wird wieder missverstanden.

    Hatten wir hier schon mit Mensch Meiner - Ton, Steine, Scherben...

    12:08 Uhr, 20.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Na ja, so Mancher wills einfach nicht verstehen. 1995 hatte ich 3 Sekretaerinnen , davon 2 Vollzeit. DANN kam die computerisierung des Bueros. 2002 hatte ich fuer alle vorher anfallenden Arbeiten nur noch eine extrem fitte, 6 sprachige 1\2 Tags Sekretaerin, die die gesammten Arbeiten global wohl genau so duch neue Systeme alleine machte. und ZUDEM nur etwa 2\3 der Vollzeitkraefte verdiente. Das hat sich global wohl ueberall so abgespielt und ist nur ein Beispiel von vielen.. Nein , Freunde die laufende Vollautomatisierung wird und muss global zu blutigen Revolten fuehrn Revolten fuehren., da bin ich mir sicher. Nicht ob , sondern wann ist hier die Frage. . Hunger kann man nicht wegautomatisieren. Wer nicht gebraucht wird kann nix kaufen. Und das sind taeglich mehr.

    09:12 Uhr, 20.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    @Investor,

    Ursache von Kriegen sind immer Regierungen von Staaten.

    Es wird immer behauptet: Die Menschen brauchen eine Regierung, denn ohne eine Regierung - im Anarchokapitalismus - gäbe es Blut auf den Straßen. Doch, es waren nicht die Anarchokapitalisten, die Nuklearwaffen auf unschuldige Menschen abgeworfen haben. Es waren keine Anarchokapitalisten, die Holocaust durchgeführt haben. Es waren auch nicht Anarchokapitalisten, die Gulags erfunden und eingeführt haben. Anarchokapitalisten sind nicht verantwortlich für die Schlachtfelder. Anarchokapitalisten haben nicht die Apartheid eingeführt. Anarchokapitalisten haben nicht die Menschen in Griechenland in die bittere Armut gestürzt.

    Es waren Regierungen!

    Anarchokapitalisten, haben verstanden, dass die größten Gräueltaten durch Regierungen begangen wurden. Und diese Regierungen behaupten, dass Menschen kontrolliert werden müssen.

    Denk an die Gräueltaten die von Regierungen begangen wurden. Willst Du immer noch deren Komplize sein?

    Ich bin für eine marktwirtschaftliche Gesellschaftsordnung, denn Marktwirtschaft (= kapitalistische = anarchokapitalistische = freie Geselleschaft) ist nicht nur eine Wirtschafts- sondern auch eine Gesellschaftsordnung.

    "Eine Wirtschaft kann nur wachsen, wenn auch die Geldmenge mitwächst."

    Das ist ein Irrtum, denn: Wenn das stimmen würde, müssten die Menschen in Deutschland, während der Hyperinflation in den 1920er Jahren alle sehr reich gewesen sein, denn das Wachstum der Geldmenge war ja gigantisch. Nun waren die Menschen seinerzeit aber doch sehr arm. Damit ist diese Aussage widerlegt.

    Wenn die Geldmenge nicht steigt, werden Güter durch die Steigerung der Produktivität preiswerter und die Menschen können für die gleiche Menge Geld mehr Güter erwerben. Damit wächst ihr Wohlstand auch ohne dass sich die Geldmenge erhöht.

    "@Blasen: Ich bezweifele, daß in einer freien Marktwirtschaft Blasen erfolgreicher am Wachsen gehindert werden."

    Ohne ZB fehlt aber das Geld, um die Blasen so stark wachsen zu lassen, so dass sie nicht die Zerstörung anrichten können, wie heute. Im Fiat Money System, wo Geld aus dem Nichts geschaffen wird, verschwindet das Geld beim Platzen der Blasen wieder dahin, wo es hergekommen ist, im Nichts. Und genau das führt dann in eine zerstörerische Rezession.

    Ich behaupte auch nicht, dass es keine Blasen geben würde, sie wären lediglich nicht so zerstörerisch und wären schnell behoben, da die Marktwirtschaft einen sehr viel effektiveren Regelmechanismus durch die Unsichtbare Hand hat, als es eine zentrale Institution je haben kann.

    09:05 Uhr, 20.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Wird demnächst Schäuble zurücktreten? Merkel hat dementiert, also kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, das die Tage von Wolle aus dem Schwabenland gezählt sind. US-Vasallin Merkel legt dem deutschen Steuerzahler mit List und Tücke das Senkblei um den Hals. Inzwischen steht bei der neuerlichen Griechenrettung die Summe von 100 Milliarden Euro im Raum, alternativlos versteht sich, aber nur solange, bis die Fetzen fliegen, denn bei 100 Milliarden wird es mit Sicherheit nicht bleiben. So wie Frau Merkel das Michelland konsequent mit Neubürgern mit Migrationshintergrund flutet, betreibt sie auch nachdrücklich den Untergang des Mittelstands, indem sie Deutschland finanziellen Risiken aussetzt, die an die Versailler Verträge erinnern. Falls Merkel abdanken muss, steht bereits Flinten-Ursel bereit um zu übernehmen.

    Wie lange werden die Deutschen Schlafschafe noch benötigen um aufzuwachen? Antwort: Bis Griechenland auch bei uns stattfindet. Das wird spätestens dann passieren, wenn die Volkszertreter auch zur alternativlosen Rettung von Spanien oder gar Italien schreiten. Es ist schon erstaunlich wie sich die Masse der Menschen von dem Ossi-Duo Gauck/Merkel an der Nase herum führen lässt. Was die beiden anbelangt, war der Fall der Mauer Fluch und nicht Segen.

    22:02 Uhr, 19.07.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Investor
    Investor

    Spannende Diskussion über den Euro

    http://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/we...

    17:38 Uhr, 19.07.2015
    2 Antworten anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    @Investor,

    Ist es nicht aber so, dass sich die Löhne in sogenannten Niedriglohnländern den Löhnen in den entwickelten Ländern im Laufe der Zeit anpassen? Dann sind diese ehemaligen Niedriglohnländer aber auch Käufer von Gütern aus den ehemaligen Hochlohnländern, wenn diese Güter den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Deutschland war nach dem 2. Weltkrieg auch mal Niedriglohnland für die USA. Hat das den USA oder Deutschland seinerzeit geschadet? GM prosperierte seinerzeit, trotz Konkurrenz aus Deutschland.

    "Die Globalisierung führt durch internationale Arbeitsteilung und -vernetzung dazu, dass armutsrelevante Indikatoren in globalisierungsintegrierten Staaten zu Armutsbekämpfung führt. Die unterentwickelten Länder sind heute weiterentwickelt, als die reichen Staaten des 19. Jahrhunderts. Wer den durch die Globalisierung generierten Fortschritt nicht erkennt, ist blind. Und ,,[w]enn manche Leute der Globalisierung die Schuld geben, wenn sie Probleme sehen, dann machen sie den selben Fehler wie manche russische Bauern im 19. Jahrhundert. Diese sahen, daß Dörfer mit Pocken mehr Besuche von Ärzten bekamen - also glaubten sie, daß die Ärzte die Pocken erzeugt hätten. Sie erschossen die Ärzte. Sie haben schlicht nicht erkannt, daß die Ärzte da waren, um Probleme zu lösen." (http://www.freitum.de/2010/10/johan-norberg-ein-pladoyer-fur-den.html )

    17:01 Uhr, 19.07.2015
  • tk007
    tk007

    Hallo Herr Hoose,

    wie meine Sie das mit "Damit würde sich auf mittlere Sicht auch jenes Flüchtlingsproblem in Wohlgefallen auflösen, das uns vermutlich in Kürze, und zwar direkt vor unserer Haustür,"

    Danke - was passiert - eine Idee/Realität kann man etwa in Argentinien sehen - was alles so kommt - Danke für Ihre gegenläufige Meinung - als erhalt einer Meinungskultur und den Zustand der Vielfältigkeit - sonst bleibt nur Monsanto für alle Bereiche des Lebens.

    Gruß

    15:40 Uhr, 19.07.2015