Kommentar
09:55 Uhr, 10.10.2022

"Der perfekte Zeitpunkt, um einzusteigen"

Der ehemalige Credit-Suisse-Chef Oswald Grübel preist nach dem dramatischen Kursrutsch die Aktien seines Ex-Arbeitgebers an. Sollten Anleger darauf hören?

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  • Credit Suisse Group AG - Kurs: 4,530 Fr (SIX)

Zumindest bis vor rund einer Woche hat der Kursverlauf der Credit-Suisse-Aktie so manchen Anleger an Charts der US-Investmentbank Lehman Brothers erinnert, die auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 kollabiert war. Und auch Händler sprachen mit Blick auf die Risiken in der Bilanz der Schweizer Großbank von einem drohenden Lehman-Moment.

Seit ungefähr einer Woche hat sich der Kurs allerdings kräftig erholt und am Wochenende trommelte auch der ehemalige Credit-Suisse-Chef Oswald Grübel für seinen Ex-Arbeitgeber. "Die Behauptungen, dass die CS am Abgrund stehe und dringend auf neues Kapital angewiesen sei, entbehren jeglicher Grundlage. Die Bank verfügt mit einer Kernkapitalquote von 13,5 Prozent über ein solides Polster", sagte Grübel in einem Interview mit der Schweizer Sonntagszeitung "SonntagsBlick".

Für die starken Kursverluste macht Grübel "Gerüchte und Unwahrheiten" verantwortlich, die von Hedgefonds gestreut und von britischen Finanzmedien weiterverbreitet worden seien. Auch die seriösen britischen Finanzmedien betrachte er sehr kritisch und er habe bereits 1967, als er das erste Mal in England war, eine große Antipathie gegen Schweizer Banken wahrgenommen, so Grübel.

Er selbst habe letzte Woche Aktien der Credit Suisse gekauft, sagte Grübel in dem Interview. "Die Bank ist aktuell massiv unterbewertet. Der Börsenwert entspricht nur einem Viertel des Buchwerts der Bank, also dem Unternehmenswert gemäß Geschäftszahlen. Der perfekte Zeitpunkt, um einzusteigen."

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Anleger sind sicher gut beraten, die Worte Grübels zur Kenntnis zu nehmen, sollten sie aber gleichzeitig nicht überbewerten. Dass ein Topmanager für seinen Ex-Arbeitgeber trommelt, ist alles andere als ungewöhnlich, zumal Grübel auch ein finanzielles Interesse am Wohlergehen seines ehemaligen Arbeitgebers hat.

Hinzu kommt, dass bisher jeder Kollaps einer Großbank von Dementis und Hinweisen auf die angebliche finanzielle Gesundheit der Bank begleitet war. Auch Lehman-Brothers-Chef Richard Fuld machte für die Kursverluste beim Aktienkurs öffentlichkeitswirksam Shortseller verantwortlich, bevor die Bank tatsächlich kollabierte.

Der Buchwert und das Kernkapital einer Bank können sich erfahrungsgemäß schnell in Luft auflösen, wenn die von der Bank gehaltenen Vermögenswerte rapide an Wert verlieren und/oder die Bank wegen austrocknender Märkte sich nicht mehr refinanzieren kann. Beides brach auch Lehman Brothers seinerzeit das Genick. Als die Bank Insolvenz anmeldete, verfügte sie auf dem Papier über Vermögenswerte von 639 Milliarden Dollar und Verbindlichkeiten in Höhe von 619 Milliarden Dollar, war aber trotz des positiven Saldos zahlungsunfähig, weil die Märkte an der Werthaltigkeit der Vermögenswerte in der Bilanz zweifelten und Lehman Brothers deshalb keinen Zugang zu frischer Liquidität mehr hatte.

Fazit: Anleger sollten die Worte des ehemaligen Credit-Suisse-Chefs Oswald Grübel zur Kenntnis nehmen, aber nicht überbewerten. Eine weitere Erholung des Aktienkurses der Credit Suisse ist nicht ausgeschlossen, aber auch keine ausgemachte Sache. Die Aktien der Credit Suisse (die in Deutschland nur außerbörslich gehandelt werden können) sollten nur von spekulativen Anlegern angefasst werden, die sich des erhöhten Risikos bewusst sind.


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