Der Kapitalmarkt im Wandel der Zeit – ist das ein für uns alle relevantes Thema?
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Frühere Formen eines Börsenhandels, wie z.B. die regelmäßigen Zusammenkünfte von (vorrangig italienischen) Kaufleuten im Hause der in Brügge ansässigen Kaufmannsfamilie van der B(e)urse im 13. Jahrhundert, waren dagegen noch eher an das Prinzip des heutigen Primärmarktes im Rohstoff- und Warenhandel angelehnt. Unabhängig der Zeit ihres Stattfindens, ihres Ortes oder der Art des Zustandekommens einer Transaktion: das ursprüngliche Grundprinzip eines Börsengeschäftes ist bis heute erhalten geblieben. Und doch hat sich dramatisch viel verändert, von den Anfängen bis heute. Dieser Sachverhalt ist unstrittig und wird niemanden als Erkenntnis überraschen.
Doch die dramatischsten Veränderungen, welche zwar das Grundprinzip des Ausgleiches von Angebot und Nachfrage nicht tangieren, aber Art, gegenseitige Beeinflussung und Wechselwirkungen auf den Verlauf der Preisfindung beeinflussen, ereigneten sich in den letzten 20 bis 25 Jahren und hinterlassen einen heutigen Börsenhandel, der mit den im Hintergrund ablaufenden Gesamteinflüssen eines Preisbildungsmechanismus wie noch in den 70gern oder 80gern, bis Mitte der 90ger Jahre, kaum noch etwas gemeinsam hat.
Wir identifizieren bei der Beurteilung dieser Entwicklung einen grundsätzlich entscheidenden Entwicklungkatalysator: den sich rasant entwickelnden technologischen Fortschritt, welcher nicht nur die Börse an sich dramatisch verändert hat, sondern unser ganzes Leben. Wie hat sich Ihr Leben in den letzten 25 Jahren verändert? Wie kommunizierten Sie noch Anfang der 90ger, ohne Mobiltelefon, ohne e-mail und Internet? Wie informierten Sie sich über politische und wirtschaftliche Ereignisse? Wie kauften Sie ein? Welche Medien nutzten Sie, um sich weiterzubilden? Und werden wir konkreter: wie setzten Sie Ihre Transaktionen an der Börse um? Woher bekamen Sie Ihre Kursinformationen? Wie lange dauerte die Ausführungsbestätigung (und was kostete das alles)? Aber diese Fragen kratzen nur an der Oberfläche. Ein Handelsplatz eines Wertpapierhändlers in einer durchschnittlichen deutschen Großbank war im Jahre 1999 bereits mit einer elektronischen Kommunikationsleistung ausgestattet, über die im Jahre 1991 noch ein kompletter Handelssaal verfügte.
Den dramatischsten Einfluss auf die Märkte hatte aber die rasante Entwicklung der Informationstechnologie, gepaart mit einer Kehrtwende im wirtschaftspolitischen Regulierungsprozess, welche alle global wichtige Kapitalmärkte betraf. Beide Faktoren kann man nicht hoch genug bewerten, wenn man verstehen will, warum die Finanzindustrie und die Märkte im Bezug auf die weltweite Wirtschaftsentwicklung mit all ihren bisher bekannten Exzessen eine solche Veränderung vollzogen und eine so gewaltige Bedeutung erlangt hat.
Die technologische Entwicklung brachte nicht nur eine bis dahin nie dagewesene Vernetzung der Märkte in allen Ebenen mit sich, was das Tempo des Informationsaustausches und der Geschäftsabwicklung exponentiell steigerte, Kosten senkte und gegenseitige Abhängigkeiten in der Preisentwicklung erhöhte, sondern führte in erster Linie zu einer ebenfalls im Superlativ zu beziffernden Zunahme derivativer Finanzprodukte, die es zwischenzeitlich in einer nie dagewesenen Vielzahl und Komplexität gibt.
Diese Entwicklung erfordert(e) einen ganz neuen intellektuellen Typ von Trader, Verkäufer und Produktentwickler und hat damit den klassischen Aktien- und Rentenhändler verdrängt. Um die Durchdringung dieser Entwicklung auch bis in die persönliche Ebene nachzuzeichnen: ein nicht unwesentlicher Eckpfeiler des aktuellen Wertpapiergeschäftes ist eine neue Form des Anspruches an die Fähigkeiten, die Motivation und die Mentalität, der an die nun benötigten Akteure am Markt gestellt wurde und wird und der bis heute den Handel prägt.
Gesucht wurden und werden bis heute hungrige, kämpferische Söldner, fähig zu einem urteilssicheren Umgang mit Risiko unter Zeitdruck. Sie müssen rund um die Uhr zur Verfügung stehen und nicht einen gewerkschaftlich organisierten Arbeitstag von 38,5 Stunden pro Woche anstreben. Damit änderte sich die Geschäftsphilosophie der Finanzinstitute grundlegend, ja sie kehrte sich praktisch ins Gegenteil um: Aus dem persönlich bekannten institutionellen Geschäftspartner wurde der Counterpart. Ab jetzt ging es um die absolute Maximierung des Profits bei gleichzeitiger Verschiebung des Risikos. Die Börsenmärkte wurden schnell, komplex und aggressiv.
Die Märkte haben sich nachhaltig verändert. Die Mentalität hat sich nachhaltig verändert. Ein Zurück wird es nicht geben. Dem widersprechen schon die Rahmenbedingungen. Es sind die Staaten mit ihren Zentralbanken selbst, die das Geschäft mit Aktien, Anleihen, Derivaten und Währungen befeuern. Das tun sie durch die Billionen an billigem Geld, das sie in die Märkte pumpen. Unsere Welt produziert heute in etwa reale Güter und Dienstleistungen im Werte von über 70 Billionen USD. In Aktien werden aktuell im Jahr etwa um die 63 Billionen USD umgesetzt, Anleihen (Unternehmens- und Staatsanleihen) werden im Werte von etwa 24 Billionen USD gehandelt. Die derivaten Märkte (Futures und Optionen) machen um die 708 Billionen USD aus und am Devisenmarkt gehen Gegenwerte um die 1.007 Billionen USD durch die Handelsbücher. Das heißt: allein am Devisenmarkt werden weit mehr als 10 Mal mehr Werte pro Jahr gehandelt, als weltweit pro Jahr real produziert wird.
Auch der Wettlauf zwischen Regulierern und Regulierten geht in immer neue Runden. Und doch ähnelt er dem Märchen von dem Hasen und dem Igel. Die Finanzbranche steht hier für den Igel. Sie ist stark aufgerüstet mit den besten Anwälten, den kreativsten Steuerberatern, mit hervorragenden Lobbyisten und einem Heer von erstklassigen, brillant ausgebildeten und bis in die Fußspitzen motivierten Finanzsöldnern. Dem stehen Regulierungsbeamte gegenüber, die mitunter noch nie einen Handelssaal von innen gesehen haben und die Produkte im derivaten Bereich und ihre Einsatzmöglichkeiten kaum vollständig verstehen.
„Kapital ist wie ein scheues Reh“, sagt ein bekanntes Sprichwort und findet im aktuellen Marktumfeld seine wörtliche Bestätigung. Die Märkte werden immer flexibler reagieren und global die vorhandenen Nischen suchen, um jede Chance optimal zu nutzen und Gewinne zu produzieren. Berufshändler sind ihren Strukturen bzw. Arbeitgebern verpflichtet und damit der Maximierung ihres Profits. Sie sehen sich nicht in der Pflicht gegenüber Staaten, Steuerzahlern oder Regulierungsbehörden. Folglich bleibt der Börsenhandel die Formel Eins des Kapitalismus.
Die Märkte scheinen heute gezügelter als noch vor vier oder fünf Jahren, aber Liquiditäten verschieben sich. Die prägenden Charaktere haben das Parkett bis heute nicht verlassen. Nach wie vor dominieren exzellent ausgebildete Spitzenleute den Handel. Die Maschinerie der Produktentwicklung läuft auf Hochtouren und immer neue Produkte werden in Reaktion auf den Anpassungsdruck entworfen, den die Staaten ausüben. Und weiterhin setzen die Beteiligten in der gleichen gnadenlosen Konsequenz in immer höheren Geschwindigkeiten auf Gewinne.
Die wichtigste Erkenntnis, mit der wir uns jetzt gemeinsam in das Abenteuer Börse stürzen, lautet: wir haben in diesem einzigen, gemeinsamen Markt nur eine Chance, wenn wir uns bewusst sind, dass auch wir es nur mit unbedingtem Leistungswillen, Wissensaneignung und Konsequenz schaffen können, nicht zum Nettoeinzahler in diesem Markt zu werden. Hobby-Trader wird es weiterhin geben, die mal etwas gewinnen und mal etwas verlieren. Aber wer sich über diese Ebene hinaus entwickeln will, muss die Spielregeln kennen und sich diesen anpassen.
Eine vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegebene Studie erbrachte das erschreckende Ergebnis, dass etwa 90 Prozent der bei Retail-Brokern kapitalisierte Konten nach etwa einem Jahr inaktiv sind. 90 Prozent heißt: neun Retail-Trader (privater Trader) von 10 stellen nach nur einem Jahr den Handel wieder ein oder müssen nachkapitalisieren. Das ist eine klare Zahl, über die niemand leichtfertig drüber hinweg gehen sollte und stellt die dringende Frage: woran liegt das? Pech kann es nicht sein, gelegentliche Missgriffe oder vereinzeltes Versagen auch nicht, dazu ist das Ergebnis zu hoch und zu konsistent.
Eine Erklärung kann sein, dass die veränderte Strukturentwicklung der Märkte, die drastische Beeinflussung des derivaten Sektors auf die Kursentwicklung des Basiswertes und die daraus resultierende zwingende Notwendigkeit des verstehenden Durchdringens dieser Produkte am breiten Retail-Markt sprichwörtlich vorbeigegangen ist. Noch heute werden in diesem Kundensegment Handelsansätze und Instrumentarien eingesetzt, wie diese bis in die 80ger, Anfang 90ger noch allgemein „akzeptiert“ und eingesetzt wurden. Doch haben sich die Uhren weiter gedreht und die Entwicklungen im institutionellen Investmentbereich (welcher in Europa und in den USA, aber auch in Latein-Amerika die Märkte dominiert) ticken mittlerweile anders.
Unser ganzes Konsumverhalten, die Ausrichtung der Werbe- und Marketing-Industrie, die grundlegenden Auswertungen der Angebot- / Nachfrageentwicklungen innerhalb einer Volkswirtschaft, basieren heute auf den Möglichkeiten, welche die informationsverarbeitende Technologie uns heute ermöglicht. Mittlerweile werden Auswertungen und darauf basierende Schlussfolgerungen auf Basis von Algorithmen getroffen, was neuartige, wesentlich genauere und effizientere Aussagen zu unserem menschlichen Verhalten zulässt und somit Neuausrichtungen in den tragenden Säulen unserer Gesellschaft bewirkt.
An den Börsen geschieht seit gut 20 Jahren das Gleiche. Dass es der Mensch selbst ist, der die Kurse macht und ihnen nicht nur folgt, war schon lange bekannt, aber erst mit der immer gewaltigeren Einbringung von Rechenleistung, wurde es möglich, die Reflexionen zielgerichteter auszuwerten und Schlussfolgerungen zu ziehen. Wurde in den Jahren bis in die 90ger hinein, das überaus komplexe und reflexive Börsengeschehen mangels anderer Möglichkeiten mit Hilfe grafischer Analysemethoden (Technische Analyse), quantitativer Auswertungs- und Bewertungsansätze auf „einfache Kategorien“ und „Kausalketten“ reduziert, eröffnete die immer weiter gesteigerte Rechnerleistung im Investmentbereich plötzlich ganz andere Möglichkeiten. So wie man durch Aufzeichnung und Auswertung Ihrer Augenbewegungen vor dem Regal im Supermarkt herausfinden kann, wo das primär zu vermarktende Produkt idealerweise stehen sollte, so richtete sich der Fokus des (Eigen-) Handels auf immer kleinere Handelsabläufe. Handelsumsätze anderer wurden in ihrem Vorgehen in immer kleinere Scheiben geschnitten und analysiert, das Bewegungsverhalten eines Händlers bei der Abarbeitung einer Order wurde ausgewertet wie das Bewegungsverhalten eines Leistungsschwimmers im Strömungsbecken oder die Lauftechnik eines Leichtathleten auf dem Laufband. Und waren Abläufe in ihrem Detail erkannt und analysiert, wurden darauf aufbauend wiederum eigene Handelsabläufe entwickelt, um darauf optimal reagieren zu können.
Die „Atomisierung“ (der Fokus auf immer kleinere, für sich genommen abgeschlossen definierbare Handelseinheiten (Trading-Bausteine bzw. Baustein-Ketten)), erfasste alle Bereiche des Investmentbankings – wurde aber noch durch einen zweiten „externen Schock“ als Entwicklungstendenz ausgelöst. Die explosionsartige Überflutung des Marktes mit derivaten Produkten jeglichen Couleurs[1], erhöhte die Komplexität der Markteinflüsse um mehrere Faktoren und veränderte auf diese Weise das Bewegungsverhalten der Basiswerte so grundlegend, dass ein Aufbrechen langer Investitionsprozesse notwendig wurde. Das Halten von Trading-Positionen über längere Zeitabschnitte (Tage, Wochen), wurde schlicht zu risikohaft. Fonds-, Versicherungen, Pensionskassen sind noch heute über gesetzliche Richtlinien und auf Grund ihrer absoluten Größe unverändert an langfristige Investitionen gebunden, aber von solchen Zwängen befreite institutionelle (Nostro-) Trading-Aktivitäten haben sich im Berufshandel stark in die engsten Zeitbereiche „zurückgezogen“, um Komplexitäten zu reduzieren und „gesteuerte“ Reflexivitäten über den oben beschriebenen „Optimierungsprozess“ wiederum ausnutzen zu können.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser veränderten und sich wahrscheinlich weiterhin verändernden Situation für die Akteure an der Börse? Fragen wir uns zuerst: wird der Handel an der Börse seine hohe volkswirtschaftliche Stellung, deren Höhepunkt wir Anfang der 2.000er Jahre sahen, weiterhin halten können? Oder wird sich die extrem hohe Konzentration von Technik und Fachwissen mit der noch immer nicht überwundenen allgemeinen Finanz- und Wirtschaftskrise nur noch langsam weiterentwickeln und an Bedeutung verlieren?
Mit Blick auf die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die industriell entwickelten Nationen bewegen und dabei die global wichtigsten Börsen stellen, ist von einer Verschiebung der Dominanz des Finanzkapitals kaum auszugehen – zumindest liegen uns bis jetzt keine Indizien dafür vor. Und blicken wir in die Zukunft, spricht vieles dafür, dass sich die Bedeutung von „Handeln an der Börse“ dramatisch erhöhen wird. Nehmen wir hierfür nur das Stichwort „demographischer Wandel“. Derzeit kommen sowohl in Europa, als auch in Japan drei Erwerbspersonen auf einen Rentner. Die UNO geht in ihren Prognosen davon aus, dass im Jahre 2050 das Verhältnis in diesen Ländern eins zu eins betragen wird[2]. Dieser Prozess wird nicht umzukehren sein, da auf der einen Seite die medizinische Betreuung und hohe Einkommen ein längeres Leben zulassen, auf der anderen Seite die Geburtenraten zurückgehen. Der die UBS beratende Volkswirt George Magnus stellt die rasante Alterung vieler Gesellschaften als „eine existentielle Bedrohung für das nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete Gesellschafts- und Wirtschaftssystem“ dar. Das Konzept der Vorsorgepläne wurde und ist eine wichtige Stütze des Finanzsystems, machte es aber auch nicht notwendig, dass die breite Bevölkerung über das Maß des Hobby-Traders hinaus Investitionen an den Märkten als eine für ihre Altersversorgung notwendigen Teil leisten musste. Doch steigende Zahlen von Beziehern entsprechender Renten-, Pensions- und Versicherungsleistungen in einem Umfeld sich nahe Null bewegender Zinsen, wird hier ein Umdenken mit sich bringen müssen. Bereits jetzt sehen wir die ersten Reaktionen der Unternehmen auf diese Entwicklung: sie beginnen ihre Belastungen durch die Altersversorgung zu verringern. Hierzu senken sie die Erträge zukünftiger Rentenbezieher und lassen neue Mitarbeiter nicht mehr in die Vorsorgepläne einsteigen – dennoch brachen bereits die ersten unter den Lasten zusammen[3].
Auch der sich aus den Belastungen der noch immer wütenden Wirtschafts- und Finanzkrise ergebende Druck auf die Staatshaushalte, neben der demographischen Belastung, stellt eine zunehmende Gefährdung der Staatshaushalte dar, dem nur dadurch zu begegnen sein wird, dass auch hier Anpassungen im Versorgungssystem erfolgen müssen. Die ersten Reaktionen sehen wir in einigen europäischen Staaten bereits: Verschärfung der Kriterien für den Rentenbezug, Anhebung des Rentenalters, Aussetzung bzw. vollständige Beseitigung der Inflationsanpassung. Wir können die Auflistung in dieser Form immer weiterführen, aber die Richtung des Problems sollte klar sein.
Man kann zur Börse stehen, wie man will, man kann diese Entwicklung akzeptieren oder innerlich ablehnen, am Ende des Tages wird der Kapitalmarkt eine immer direktere und wichtigere Komponente in der Zukunftsplanung eines jeden Bürgers einnehmen, die bevölkerungsstärksten asiatischen Staaten machen es uns ja bereits vor.
Das soll natürlich nicht heißen, dass jeder Erwerbstätige nebenher zum Trader mutieren soll, was an jeder Realität vorbei gehen würde. Aber eine Hinwendung zur Realität, jenseits der derzeit noch dominierenden irrigen Vorstellungen, was dort wie und warum geschieht, wird notwendig sein.
Die Finanzindustrie reagierte von Beginn dieses beschleunigten Entwicklungsprozesses an sehr konsequent. Im Retail-Bereich wird dagegen die Börse noch immer als eine sinnfreie, mehr dem Zocken und „über den Tisch ziehen“ hingezogene Sphäre betrachtet. Wenn man dann noch die Kommentare der Mainstream-Presse und einiger Politiker zu diesem Thema liest, wird dieser Eindruck noch verstärkt. Doch in kaum einem Bereich des wirtschaftlichen Lebens liegen Realität und Vorstellung so weit auseinander, nirgendwo wird Nichtwissen mit Wunschvorstellungen oder einfach sachlich falschen Abstraktionen ersetzt, wie im Bezug auf Handeln an der Börse. Gepaart mit Selbstüberschätzung und Unterschätzung des gigantischen Finanzapparates, ist es kaum verwunderlich, wenn rund 90 Prozent (manche Statistiken reden von bis zu 95 Prozent) der am Markt agierenden Retailer ihr Geld verlieren oder dezimieren.
Wie begegnen wir dieser Tendenz? Es gibt, wie in allen Bereichen, nur einen Weg: durch Weiterbildung. Finanzmärkte und ihre Mechanismen erscheinen vielen auch heute noch als etwas Abstraktes, weit weg vom wirklichen Leben. Und doch sind wir alle mit ihnen viel enger verbunden und von ihnen abhängig als manch einer denken mag.
[1] Die Palette der derivaten Produkte ist gewaltig und umfasst neben klassischen Futures auch Swaps auf Zinsen, Equities und Währungen, Optionen auf Aktien und auf Zinsen (Caps, Floors, Collars), auf Devisen und Commodities, sowie in exotischen Konstruktionen wie z.B. digitale Optionen, Barrier-Optionen, Rainbow-Optionen, Swapoptionen – nur um an der Oberfläche zu kratzen. Der deutsche Markt gehört zu den Märkten, mit dem (in Relation zur Größe seines Kassemarktes) größten derivaten Überbau. Diesen Tatbestand in den Marktanalysen zu unterschlagen oder mangels korrekter und ausreichender Fachkenntnissen falsch oder unzureichend zu berücksichtigen, ist mit einer der Hauptgründe, weshalb viele Kursverlaufsprognosen mittlerweile die Zuverlässigkeit und Treffsicherheit einer okkulten Wahrsagerveranstaltung aufweisen.
[2] Siehe dazu: „Postkapitalismus“ von Paul Mason, Suhrkamp Verlag Berlin, Erste Auflage 2016, Seite 325
[3] Ebenda Seite 326
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