Kommentar
09:04 Uhr, 20.06.2014

Das Problem mit QE ist, dass es in der Praxis funktioniert, aber in der Theorie nicht

Hat "Quantitative Easing" gar keinen theoretischen Unterbau und funktioniert es eigentlich nur, weil die Marktteilnehmer den Zentralbanken VERTRAUEN?

“If you take a broad enough definition of trust, then it would explain basically all the difference between the per capita income of the United States and Somalia.” (Steve Knack, Weltbank-Ökonom)

Es erfordert wohl keinen allzu großen Mut um die Behauptung zu wagen, dass die Zentralbanken dieser Welt das Finanzsystem in den letzten Jahren durch den Einsatz von vielen Billionen mehrmals vor dem Absturz gerettet haben.

Im tiefsten Grunde waren es jedoch nicht die endlosen und springflutartigen Wellen an frischem Geld, welche den Kollaps verhinderten, sondern das schier unumschränkte Vertrauen, welches den Notenbanken entgegengebracht wurde.

Erinnern wir uns. Weder der Hühnerhaufen der Politik noch die diversen Rettungsschirme, haben damals die Eurozone über Wasser gehalten, sondern genau drei Worte: Whatever it takes.

Nun ist es nicht verkehrt, sein Vertrauen in die Hände von Personen zu legen, welche genau wissen, was sie tun. Wir machen das schließlich jeden Tag, und anders funktioniert auch keine Wirtschaft. Höchstens in Somalia.

Bedenklich wird es zwar, wenn eine verantwortliche Person ihr Tun nicht rational unterfüttern kann, aber selbst dieser Umstand fällt oft nur wenig ins Gewicht, solange jeder andere von ihrer Kompetenz überzeugt ist.

Schnitt.

„The problem with QE is it works in practice, but it doesn’t work in theory.“

Dieses Zitat aus dem Jahre 2014 ist, wenn auch nur auf den zweiten Blick, ein regelrechter Hammer, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Einmal scheint es inhaltlich irgendwie keinen Sinn zu machen - sollte es nicht eher folgendermaßen lauten?

„The problem with QE is it works in theory, but it doesn’t work in practice.“

Ah, viel besser. Durch die Umstellung von nur zwei Wörtern könnte diese Aussage relativ einfach breiten Beifall vom „Goldbug“ bis hin zu Larry Summers finden, aber der Worttausch wäre wohl leider nicht im Sinne des Urhebers und genau hier fangen die Probleme an.

Was für sich gesehen höchstens wie eine etwas kuriose Bemerkung klingt, ist in Verbindung mit dem Zitierenden jedoch purer Sprengstoff. Und um alle Spekulationen gleich auszuräumen: Ja, Bernanke hat's gesagt. Höchstpersönlich.

Aber halt. Attestiert hier etwa der ehemalige Oberzentralbanker, dass einem der größten und von ihm inszenierten Experimente der Wirtschaftsgeschichte die theoretische Grundlage fehlt? Es scheint nicht nur so, es ist möglicherweise noch viel schlimmer..

Von vorne.

Ende letzter Woche hatte Stephen Williamson, Vize-Präsident der St. Louis Fed einen Artikel mit dem Titel „Monetary Policy in the United States: A Brave New World?“ publiziert, in welchem er Bilanz zieht, und die zwei hauptsächlichen Werkzeuge zur Umsetzung der Geldpolitik, nämlich die sogenannte „Forward Guidance“ (das Niedrigzinsversprechen) und „Quantitative Easing“ (die Anleihenkäufe) im Rückblick analysiert.

Ich kann mir hier und da eine gewisse Polemik nicht verkneifen, aber ich versuche mich trotzdem bei allen Aussagen eng auf dieses Papier zu berufen.

Die Geldpolitik von Bernanke unterschied sich von der seines Vorgängers Greenspan vor allem dadurch, dass sie wesentlich aktivistischer auftrat, und viel tiefer in der formellen Wirtschaftstheorie des „Neuen Keynesianismus“ verwurzelt war. Die ganze „Forward Guidance“ der Fed beruht zum Beispiel auf den Thesen dieser Schule. Der Ökonom Woodfort hatte dazu 2012 in Jackson Hole eine damals sehr beachtete 100-seitige Begründung für das entsprechende Modell geliefert.

An dieser Stelle schon könnte man sich wunderbar darüber auslassen, warum ein Marktteilnehmer von einem nicht verifizierbaren Modell, welches selbst die meisten Ökonomen nicht verstehen, seine Entscheidungen abhängig machen sollte, aber ich will auf einen anderen Punkt abzielen, der es genauso in sich hat.

Die anfangs in den Raum gestellte Aussage von Bernanke erklärt sich dadurch, dass laut dem der „Forward Guidance“ zugrunde liegenden Theoriegerüst QE nämlich überhaupt nicht funktionieren dürfte:

„In fact, a model in which QE does not work is the basic Woodford New Keynesian model. In a Woodford model, the only friction results from sticky prices (and maybe sticky wages). Otherwise, financial markets are complete, and there is nothing that would make particular kinds of asset swaps by the central bank matter.“

QE hat also nicht nur keinen Unterbau, nein, der erste Grundpfeiler der Geldpolitik, die „Forward Guidance“ wird mit einem Modell begründet, welches der anderen Stütze mit dem Namen QE jeglichen Effekt abspricht. Bernanke der Akademiker hat diesen epischen Spagat aber bemerkenswert cool gemeistert, und frei nach dem Motto „Hauptsache es funktioniert“ die Schulden seines Gegenübers Timothy Geithner munter wegmonetisiert.

Funktioniert es wirklich?

Empirische Studien legen nahe, dass QE die Zinsen senkt. Die Beweislage ist jedoch nicht sehr solide, und ohne ein funktionierendes Modell, welches die Mechanik erklären kann, fällt es schwer diese Frage abschließend zu klären. Die Alternativweltgeschichte ist uns leider nur per Science-Fiction zugänglich.

Sei es drum. Gehen wir davon aus, dass niedrige Renditen mit QE korrelieren. Wäre dies mehr als nur ein Indiz dafür, dass QE wirkt? Oder liegt es lediglich daran, dass die Investoren inbrünstig an die Wirkung der Ankäufe glauben?

Das sind möglicherweise mehr als nur Haarspaltereien, denn unbegründetes Vertrauen ist auf Dauer eine windige Geschichte, und damit wären wir auch wieder am Ausgangspunkt. Somalia hat auch eine Zentralbank, aber wahrscheinlich glaubt der keiner.

Die Systemschmelze muss zwar jetzt nicht gleich hinter der nächsten Ecke lauern, nur weil der Markt hinter die „Jedi Mind Tricks“ der Federal Reserve steigt, aber es würde ihrer Glaubwürdigkeit ebenso großen Schaden zufügen, wie ihrer Fähigkeit weiterhin als ultimativer „Backstop“ des Finanzsystems zu agieren.

Zugegeben, das sind düstere Gedankenspiele, aber für den Liebhaber des gepflegten Gruselns ist noch eine weitere Eskalation vorstellbar, nämlich das Szenario in welchem dann Bernanke's Nachfolgerin Yellen zu folgendem Schluss kommen muss:

„The problem with QE is it works in practice, and it works in theory.“

Das wäre dann unter Umständen das Eingeständnis, dass nicht nur das Fundament der „Forward Guidance“ nicht mehr haltbar ist, sonder vielleicht das gesamte Weltbild der „New Keynesian Economics”.

Der ganz große Schwarze Schwan sozusagen.

4 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Investor
    Investor

    Hallo Herr Hauser,

    schöner Artikel. Sie gehen von der Prämise aus, daß QE etwas bewirkt hat.

    Nach meinen unwissenschaftlichen Verständnis schätze ich QE wie folgt ein.

    1. Die Finanzkrise in USA war eng gekoppelt mit geänderten US-GAP Regeln für ABS. Ab 2008 mussten diese mit dem Marktwert bilanziert werden. Diese Regelung wurde 2009 (?) wieder zurückgenommen - und die Banken haben seitdem wieder Gewinne ausgewiesen. Ursache der Krise war, dass als Folge von Lehman und den Bilanzvorschriften Kredite an Hedgefonds gekündigt wurden und Assets auf den Markt geworfen wurden.

    2. Ich glaube, die verschiedenen QE Programme muß man etwas entwirren (http://en.wikipedia.org/wiki/Quantitative_easing):

    - QE 1: 2008 Kauf von ABS. Hier wurden ABS Risiken von den Banken zur FED transferriert.

    - QE 2: 2011 Kauf von US treasuries. Dieser Termin passt zum Datum, zu dem China, den Kauf von treasuries reduziert hat (www.fas.org/sgp/crs/row/RL34314.pdf). Hier wurde US Defizit finanziert

    - QE3: 2012. Dieser Termin passt gut zum Zeitpunkt in denen China angefangen hat, seinen Bond Bestand zu reduzieren. QE3 war die Gegenmaßnahme zu China.

    3. Was war der Effekt der verschiedenen QEs?

    - Bei den Zinsen bin ich mir nicht sicher. Nach meinem Verständnis gehen die niedrigen Zinsen weltweit nicht auf das QE Programm zurück, sondern auf die Tatsache, daß die deutlich mehr Geld eine Anlage sucht. Die Sparquote in den EM liegt bei rd 10+% des Einkommens und generiert pro Jahr ca 10b die Anlage suchen.

    - In den USA sind die Zinsen für Anlage Zeit an die Entwicklung und Sparquote in den EMs gekoppelt. Wachsen die EMs überdurchschnittlich, drängt mehr Geld auf den Markt (niedrigere Zinsen), wachsen diese unterdurchschnittlich dann steigen die Zinsen leicht.

    - Parallel generiert die Entwicklung der EMs eine deflationäre Tendenz, da deswegen billige Waren in die entwickelten Länder drängen.

    - Dazu kommt niedriges Wachstum in den entwickelten Ländern, da Produktion verlagert wird. Dies führt zu einer hohen Unbeschäftigten Quote und zu überhöhtem Staatsausgaben

    (siehe D.Alpert: The Age of Oversupply)

    3. In Europa gibt es zusätzlich andere Ursachen. Die Nordländer haben in den 90er Jahren, die Südländer als billige Arbeitskräfte verwendet. Nachdem die Firmen dann ihre Produktion weiter nach China verlagert haben, sorgten die billigen Zinsen durch den Euro dazu, daß diese Länder ihren Konsum jetzt Kreditfinanziert hatten. Da es fehlende Abwertungsmöglichkeiten gibt, bleiben nur zwei Maßnahmen: Auseinanderbrechen der Eurozone oder Finanzierung der Nordländer & Reformen. Durch das Draghi Statement wurde die Entscheidung Richtung Finanzierung geschoben.

    Ich denke wissenschaftlich macht die Aufarbeitung Probleme, da sowohl die Ursachen als auch die Lösungen unterschiedliche Gebiete betreffen und man das Thema nur interdisziplinär angehen kann. Einfach zusammengefasst besteht die Krise aus den 3 Hauptkomponenten:

    - Ringen zwischen USA & China um die Weltleitwährung

    - Überangebot von Arbeit und Geld

    - Probleme der Eurozone

    Alle dieser 3 Themen sind miteinander verwoben und haben Elemente in Volkswirtschaft, Währungs- und Finanzpolitik und Politik.

    Hoffe ich war nicht zu verwirrend

    08:42 Uhr, 21.06.2014
  • MacroTradeX
    MacroTradeX

    Hallo Herr Hauser,

    QE "funktioniert" theoretisch, wenn man die Mainstream-VWL außen vor lässt. QE stützt das BIP auf Kosten des Auslandes und verfälscht dabei die Preise an den Finanzmärkten (Aktienmarkt- und Anleihen-Boom). Insgesamt ist das als sehr ungesund für die Weltwirtschaft einzuschätzen. Die Theorie findet man in dem Paper hier (Einleitung und Fazit lesen, die Mitte ist sehr "theoretisch" ;-): http://www.ssrn.com/abstract=1873482

    Eine geringfügig kürzere Version wurde auch gerade im Journal of Economic Modelling veröffentlicht: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0264999314001680

    Insgesamt sehr spannend, da man dann die Handlungsweisen der Zentralbanken mit all ihren Vor- und Nachteilen nachvollziehen kann.

    Viel Erfolg weiterhin und happy Trading!

    10:06 Uhr, 20.06.2014
    2 Antworten anzeigen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

Mehr Experten