Kommentar
20:33 Uhr, 16.10.2014

Das Arbeiten mit Ausbruchs- und Contra-Trades (Ergänzung zum Vorartikel)

In Ergänzung zum Artikel und zum Webinar, welche sich mit dem kombinierten Einsatz von Ausbruchs- und Contra-Trades befassen, sollen hier noch jüngst gestellte Fragen erläutert werden.

Erwähnte Instrumente

Das Arbeiten in der Kombination mit Ausbruchs-Trades, Contra-Trades, mit gleichzeitiger Nutzung der Reaktionspotentiale, wie es im Artikel vom 27. September und im Webinar vom 12. Oktober beschrieben wurde, bildet ein Kernstück unserer täglichen Trading-Aktivität in unserem Stream. Da sich in den letzten Wochen weitere Fragen zu dieser Thematik ergeben haben, sollen diese im Folgenden beantwortet werden und bilden somit eine Ergänzung zum oben genannten Artikel und Webinar.

Blicken wir kurz zurück: bereits erläutert wurde die Vorgehensweise der Platzierung eines Ausbruchs-Trades (mit dem wir in der Regel den Handelstag beginnen), die Möglichkeiten der ersten Gewinnmitnahme, der Suche nach einem Widereinstieg am Ausbruchsniveau über einen Contra Trade, sowie die Möglichkeit einer Contra-Trade Eröffnung im Zusammenhang mit der Ermittlung des jeweilig minimalen Reaktionspotentials, bezogen auf die Wegstrecke eines laufenden Bewegungsimpulses (eines Fraktals). Diese Aspekte werden wir somit in diesem Artikel nicht mehr bearbeiten, diese Punkte können bereits nachgelesen werden.

Worum geht es jetzt? Wir klären zunächst den Begriff des Bewegungsfraktals und wie wir, wann die Messstrecke anlegen, um daraus das jeweilig sinnvolle minimale Reaktionspotential auszurechnen und wir wollen noch einmal den Einstieg in einen Contra-Trade diskutieren, da dieser nicht so eindeutig definiert werden kann, wie ein Ausbruchs-Trade.

Fraktale

Im Bezug auf die technische Beurteilung der Kursverläufe von Börsenwerten, setzen wir den Begriff „Fraktal“ für „selbstähnliche“ Objekte, Strecken oder Darstellungen in der Form ein, wie dieser in der Geometrie oder auch Geografie genutzt wird. Um es an zwei einfachen Beispielen zu erläutern:

(1) Einen Würfel kann man aus kleineren Würfeln zusammenbauen, wobei diese kleineren Würfel wiederum aus kleineren Würfeln zusammengesetzt werden können. Wir verkleinern oder vergrößern folglich je nach Belieben das Objekt durch die Wegnahme oder Hinzunahme von Objekten, welche dem zusammengebauten Objekt entsprechen, nur in geringerem Ausmaß. Dennoch ist jeder Würfel für sich genommen ein Würfel.

(2) Sehen wir uns eine Landkarte an, dann sehen wir eine Küstenlinie. Je mehr wir den Ausschnitt vergrößern, behält diese Linie dennoch ihre geschwungene Form bei, weil sich eine große Küstenlinie aus vielen kleinen Küstenlinien zusammensetzt, welche sich wiederum aus wieder kleineren Küstenlinienzusammensetzt usw..

Immer wieder haben wir es mit Fraktalen zu tun, in diesem Falle mit Objekten, welche sich „selbst ähneln“.

Gehen wir jetzt zu der Beurteilung von Kursverläufen über, kann man einen Wochenchart fast nicht von einem Tageschart, diesen nicht von einem Stundenchart und diesen nicht von einem Minutenchart unterscheiden, wenn wir die Maß- und Zeiteinheiten entfernen. Im Grunde sehen Kursverläufe in kurzen Zeitfenstern aus, wie Kurse in langen Zeitfenstern – wir haben Trends vorliegen, Umkehrformationen, Konsolidierungszonen und Staubereiche. Die jeweils kleineren Trends, ergeben größere Trends, übergeordnete Richtungswechsel beinhalten in der Regel kleinere, untergeordnete Umkehrformationen – somit Fraktale des übergeordneten Kursverlaufsbildes.

Für uns hier sind nur die Fraktale eines Trends interessant. Ein Trend setzt sich in jedem Zeitfenster aus einer Impuls- und einer Reaktionsbewegung zusammen, die im Wechsel zueinander ausgebildet wird. Die Impulsbewegung erfolgt in Richtung des dominanten Trends, die Reaktion entgegengesetzt. Zerlegen wir jetzt die einzelnen Bewegungsschübe (Impuls und Reaktion), würden diese in ihren kleineren Zeitfenstern wieder komplette Trends abbilden, mit Impuls- und Reaktionsbewegung. Zur Messung eines Reaktionspotentials, fokussieren wir uns im jeweiligen Zeitfenster (Tages-, 60-Minuten-, 30-Minuten-, 3-Minuten-Chart usw.) meist auf einen ausgeprägten Abschnitt eines kompletten Trends, folglich auf ein Fraktal von ihm. In der Regel interessiert uns das Impulsfraktal, um daraus Schlüsse für das Reaktionsfraktal zu ziehen.

Wie legen wir jetzt die Messstrecke fest, an der wir die jeweiligen Reaktionspotentiale messen wollen?

Die Praxis hat gezeigt, dass die errechneten Reaktionspotentiale umso aussagekräftiger werden, je länger die zu messende Strecke ist. Was logisch sein sollte: Unterstellen wir die Errechnung von Reaktionspotentialen auf eine Wegstrecke im FDAX von 10 Punkten, so läge das errechnete minimale Reaktionspotential gerade einmal um die 3 bis 3,5 Punkte unter der Fraktalspitze, die Normalkorrektur 5 Punkte darunter. Wenn wir weiterhin unterstellen, dass die Zufallskomponente im Kursverlauf schon bis zu 5 Punkte ausmachen kann, wird deutlich, wie wenig Sinn die Messung der Reaktionspotentiale in diesem Falle bringen würde. Bedenken wir zudem, dass die Reaktionspotentiale uns ja noch eine weitere (eigentlich ihre wichtigste) Information liefern sollen: die Bestimmung der Impulsdynamik. Fällt ein Kursverlauf nur minimal zurück, unterstellen wir eine anhaltend hohe Dynamik mit hoher Chance auf Fortsetzung der Impulsrichtung nach Erschöpfung der Reaktion. Fällt der Kurs dagegen maximal zurück, unterstellen wir ein Nachlassen der Dynamik und damit ein Nachlassen der Trend- / Impulsstabilität und –zuverlässigkeit. An kleinen Wegstrecken ist dies so naturgemäß nicht aussagekräftig.

Das heißt: wir suchen uns für das Errechnen der Reaktionspotentiale ausgeprägte Impulsstrecken. Ausgeprägt heißt: deutlich entwickelt im Vergleich zu den vorangegangenen Impulsstrecken und im Verhältnis zum normalen Bewegungsverhalten des Basiswertes. Bezogen auf den FDAX sollte die zu Grunde liegende Strecke möglichst mindestens 20 bis 30 Punkte umfassen, besser wären mehr Punkte. Kürzere Strecken sind nicht wirklich sinnvoll aussagefähig.

Reaktionspotentiale geben uns Auskunft über die Impulsstärke der Bewegung. Innerhalb von Konsolidierungszonen haben wir es in der Regel nicht mit dynamikstarken Phasen zu tun (deshalb konsolidiert ein Kurs / Wert ja auch), also legen wir innerhalb dieser Konsolidierungsphasen keine Reaktionspotentiale an. Dies geschieht erst, wenn ein Ausbruch erfolgt, sich Dynamik und damit ein Impuls entwickelt. Ist es dann soweit, nehmen wir die Extreme des Impulses, welche sich optisch als impulsstark identifizieren lassen. Zur Orientierung werden für den Beginn der Wegstreckenmessung auffällige Kursrichtungswechsel dafür herangezogen.

Wie eröffnen wir nun eine Contra-Position?

Ein Contra-Trade kann nicht einstiegsmäßig so geplant werden, wie z.B. ein Ausbruchs-Trade. Hier haben wir keinen klar definierten Trigger, sondern bestenfalls eine Zone (Kursspanne) innerhalb der wir aktiv werden können. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich in den Contra heben zu lassen: (a) man lässt sich anhandeln oder (b) man eröffnet aktiv, wenn der Kurs nach dem notwendigen Gegenlauf wieder in Ausbruchsrichtung marschiert.

Sehen wir uns (a) an:

Wir unterstellen, der FDAX befindet sich in einer kräftigen Aufwärtsbewegung, nach dem Ausbruch aus einer Konsolidierungszone. Er steigt zügig 25 Punkte, dann erschöpft sich der Impuls fürs erste und der Kurs kommt zurück. Wir errechnen jetzt das minimale Reaktionspotential und planen dort einen Positionseinstieg auf der Long-Seite. Nehmen wir an, wir kämen auf ein Band von 8.603 bis 8.600. Jetzt heißt es: hält dieses Niveau oder erreicht der FDAX dieses Niveau nicht, sondern dreht bereits wieder im Vorfeld in Ausbruchsrichtung, unterstellen wir ausreichend Dynamik, um weiter zu steigen. Unterschreitet der FDAX dagegen diese Minimumkorrektur, ist das eher ein Indiz für nachlassende Dynamik im Impuls und mahnt zur Vorsicht. Deshalb interessieren Normal- und Maximalkorrektur in unserer Art zu handeln im 1 Minutenchart weniger.

Wir könnten uns jetzt bei 8.603 oder 8.600 (oder dazwischen) mit einer Geldorder reinstellen und darauf warten, dass wir die Stücke bekommen. Wir sind passiv, schließen Slippage aus, gehen aber auch das Risiko ein, mit der Position ins Minus zu rauschen, wenn die Impulsstärke nicht ausreicht, um an der Minimumkorrektur zu stoppen. Oder wir kommen nicht rein, weil der Kurs vorher dreht.

Deshalb bevorzugen wir (b):

Hier warten wir die Erschöpfung der Reaktion ab und springen nach, wenn wir unterstellen, dass es wieder in Richtung des Impulses geht. Die Nachteile sind offenkundig, aber die Vorteile überwiegen unserer und meiner Erfahrung nach. Sicher, mitunter kommen wir deutlich später / höher in den Markt, aber die Chancen steigen deutlich an, da auch wieder mit Plus herauszukommen.

Wird eine Minimumkorrektur um mehr als 2 bis 3 Punkte durchstochen und erholt sich der Kurs nicht umgehend wieder, geben wir diese Reaktion / diesen Impuls für verloren. Hält die Minimumkorrektur, versuchen wir entweder market hineinzukommen oder legen einen Punkt fest, bei dem wir reingehen, auch wenn sich der FDAX bis dorthin bereits um 3 bis 5 Punkte über die Zielkorrektur wieder erholt hat. Einstieg und Ausstieg sind diskretionär und es bedarf (wie überall an der Börse) viel Übung, um dafür ein Gefühl zu entwickeln. Aber glauben Sie mir, es ist kein Hexenwerk, sondern für jeden zu schaffen.

Alle Aussagen gelten übrigens auch für die Short-seite gleichermaßen.

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Über den Experten

Uwe Wagner
Uwe Wagner
Technischer Analyst und Trader

Uwe Wagner arbeitete bereits während seines Wirtschaftsstudiums als Maklergehilfe an den Börsen in Berlin, Wien und Madrid. 1991 trat er dann in die Deutsche Bank AG ein, wo er eine fundierte Ausbildung im Wertpapier- und Derivatehandel erhielt – in Frankfurt/Main sowie in Chicago im International Trading Institute unter dem bekannten Warenhändler Toni Saliba. Innerhalb der Deutschen Bank AG durchlief Wagner diverse Etappen im Handelsbereich. So betreute er als DTB Market Maker zunächst diverse Werte, verantwortete anschließend den Options- und Future-Handel in der Deutsche Bank S.A. in Madrid und mehrere Jahre die spekulative Verwaltung von Teilen des Eigenkapitals der Bank über DB Advisor. Wagner baute innerhalb der Deutsche Bank AG das damals erste Internet-Tool für Technische Marktanalysen (dbS-Trade) auf und führte den systembasierten Handel in Future-Märkten. Sein Schwerpunkt liegt seit über 20 Jahren auf dem FDAX und dem Bund-Future-Markt, den er täglich analytisch seziert, um daraus Handelsszenarien zu entwickeln und diese dann auch aktiv umzusetzen. Seit 2003 lebt und arbeitet Wagner in Hamburg. Uwe Wagner ist aktiv im FDAX und Bund-Future tätig.

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