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09:53 Uhr, 07.08.2024

Ausverkauf am Ölmarkt

Der Ölmarkt neigt bereits seit Mitte Juli zur Schwäche. Die dafür verantwortlichen Nachfragesorgen infolge schwächerer Konjunkturdaten aus den drei wichtigsten Nachfrageregionen USA, China und Europa sind laut Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch seit vergangenem Freitag aber noch größer geworden.

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  • Brent Crude Öl
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    Kursstand: 77,508 $/bbl. (JFD Brokers) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Der Ölmarkt befindet sich nach den schwachen US-Arbeitsmarktdaten am Freitag im Panikmodus. Nach einem Rückgang um vier US-Dollar am Freitag ging es mit den Ölpreisen zu Beginn der neuen Handelswoche nochmals deutlich abwärts, wie Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch in der Dienstags-Ausgabe von „Rohstoffe Aktuell“ schreibt.

Brent sei auf 75 US-Dollar gefallen, den tiefsten Stand seit Anfang Januar. Damit seien also sämtliche Gewinne seit Jahresbeginn wieder aufgezehrt. Der WTI-Preis sei auf ein Sechsmonatstief von weniger als 72 US-Dollar abgerutscht. Der Ölmarkt neige dabei bereits seit Mitte Juli zur Schwäche. Der Brentölpreis habe in der letzten Woche den vierten Wochenverlust in Folge verzeichnet, was es zuletzt im Herbst 2023 gegeben habe, heißt es weiter.

„Die dafür verantwortlichen Nachfragesorgen infolge schwächerer Konjunkturdaten aus den drei wichtigsten Nachfrageregionen USA, China und Europa sind seit Freitag aber noch größer geworden. Mittlerweile wird an den Märkten eine US-Rezession als zunehmend wahrscheinlich angesehen. Das zeigt auch ein Blick auf die stark unter Druck stehenden Aktienmärkte sowie die auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr gefallenen US-Anleiherenditen. Die dadurch zum Ausdruck kommende ausgeprägte Risikoaversion an den Finanzmärkten lastet ebenfalls auf den Ölpreisen“, so Fritsch.

Die Timespreads der Brent-Terminkurve hätten sich zuletzt ebenfalls spürbar verringert. Zwischen den beiden ersten Terminkontrakten (ein Monat/zwei Monate) lägen weniger als 40 US-Cent, zwischen dem nächstfälligen und dem sechs Monate später fälligen Terminkontrakt (ein Monat/sieben Monate) knapp zwei US-Dollar. Das sei nicht mal halb so viel wie Mitte Juli und deute somit auf einen weniger angespannten Markt hin, heißt es weiter.

„Sollte nämlich die Nachfrage nicht wie bislang erwartet im zweiten Halbjahr anziehen, sondern sich abschwächen, wäre der Ölmarkt im laufenden Quartal wahrscheinlich nicht unterversorgt. Im vierten Quartal würde dann sogar ein größeres Überangebot drohen, falls die OPEC+ wie bislang geplant an der schrittweisen Rücknahme der freiwilligen Produktionskürzungen ab Oktober festhält“, so Fritsch.

Das sei angesichts der aktuellen Marktentwicklung aber kaum noch vorstellbar. Schließlich habe die OPEC+ mehrfach betont, zuletzt erst in der vergangenen Woche das Gemeinsame Ministerielle Beobachtungskomitee (JMMC), dass die beabsichtigte graduelle Angebotsausweitung auch ausgesetzt oder rückgängig gemacht werden könnte, wenn die vorherrschenden Marktbedingungen dies erfordern würden, heißt es weiter.

„Es überrascht daher auf den ersten Blick, dass Saudi-Arabien seine offiziellen Verkaufspreise für Lieferungen von Arab Light an Abnehmer in Asien im September erstmals seit drei Monaten wieder leicht um 20 US-Cent auf zwei US-Dollar je Barrel gegenüber der Benchmark Oman/Dubai erhöhte. Im Vorfeld von Reuters und Bloomberg befragte Händler und Quellen aus dem Raffineriesektor in Asien hatten allerdings mit einer stärkeren Preiserhöhung gerechnet. Diese Rückmeldungen und auch die Entscheidung zur Preiserhöhung selbst dürften aber zu einem Zeitpunkt erfolgt sein, bevor die Preise zuletzt so stark unter Druck geraten sind“, so Fritsch.

Dennoch mute die Preiserhöhung im aktuellen Marktumfeld mutig an, um es positiv auszudrücken. Negativ formuliert könnte man auch von einem Fehler sprechen. Jedenfalls deute die Entscheidung darauf hin, dass man weiterhin mit einer anziehenden Nachfrage im Herbst rechne und damit auch an den geplanten Produktionserhöhungen ab Oktober vorerst festhalten wolle. Das sei im aktuellen Umfeld somit keine gute Nachricht, heißt es weiter.

„Der Preisrückgang ist aus unserer Sicht dennoch übertrieben. Darauf deutet auch der Relative-Stärke-Index (RSI) hin, der sich inzwischen im überverkauften Bereich befindet. Im aktuellen Panikmodus muss das aber nicht viel heißen. Viel Spielraum nach unten dürfte aber nicht mehr bestehen, solange eine die Nachfrage zerstörende Rezession in den USA, dem bislang noch immer größten Absatzmarkt für Öl, ausbleibt“, so Fritsch.

Die bis zuletzt veröffentlichten Daten würden noch keine Abschwächung der Nachfrage in den USA erkennen lassen. Die US-Benzinnachfrage liege seit Mitte Mai laut Daten des US-Energieminsiteriums zumeist bei über neun Millionen Barrel pro Tag und auch leicht über dem Vorjahr, was auf eine robuste Sommerfahrsaison hindeute. Schwächesignale habe es dagegen zuletzt aus Asien gegeben. Daten von LSEG Oil Research zufolge seien die Ölimporte Asiens wegen einer schwachen Nachfrage in China und Indien im Juli auf das niedrigste Niveau seit zwei Jahren gefallen. Offizielle Daten zu den chinesischen Rohölimporten im Juli würden von der Zollbehörde am Mittwoch veröffentlicht, heißt es weiter.

„Die geopolitischen Risiken im Nahen Osten werden derweil von den Marktteilnehmern vollkommen ausgeblendet. Zwar gab es Mitte letzter Woche eine kurzzeitige Preisreaktion, als Nachrichten über die Tötung zweier hochrangiger Funktionäre der Terrormilizen Hisbollah und Hamas bekannt wurden, eine davon in der Hauptstadt des Iran, Teheran. In beiden Fällen wird Israel dafür verantwortlich gemacht“, so Fritsch.

Am Wochenende sei es daraufhin zu erneuten Raketenangriffen der Hisbollah auf Israel gekommen. Zudem werde in den kommenden Tagen mit einem Vergeltungsangriff des Iran auf Israel gerechnet. Sollte die Lage im Nahen Osten eskalieren und dadurch auch das Ölangebot beeinträchtigt werden, könne der Ölpreis schnell in die andere Richtung ausschlagen. Als besonders kritisch gelte hierbei die Straße von Hormus, durch die rund ein Drittel der seewärtigen Ölexporte an den Weltmarkt gelangten, heißt es weiter.

„Sollte es hier zu einer Beeinträchtigung des Schiffsverkehrs kommen, wäre mit einer starken Aufwärtsbewegung bei den Ölpreisen zu rechnen. Denn anders als bei der durch Angriffe von Huthi-Rebellen unsicher gemachten Meerenge im Roten Meer kann das aus den Staaten am Persischen Golf stammende Öl kaum auf anderen Wegen exportiert werden. Daher würden dann sehr schnell Angebotsknappheiten auftreten. Allerdings würde der in der Folge deutlich höhere Ölpreis die Nachfragesorgen weiter verstärken. Eine seriöse Aussage über die weitere Preisentwicklung ist daher derzeit extrem schwierig“, so Fritsch.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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