Wissensartikel
15:39 Uhr, 16.11.2017

Hybrides Trading – die optimale Verbindung von Mensch und Maschine

Für alle, die sich schwer tun, diszipliniert zu handeln (mich eingeschlossen) oder die mit negativen Effekten auf ihr Trading zu kämpfen haben, könnte der Ansatz des „hybriden Tradings“ interessant sein.

Bei diesem Ansatz handelt es sich nicht um einen rein diskretionären Ansatz, sondern um die Kombination von mechanischen Handelssignalen und der handverlesenen Auswahl der Trades durch den durchführenden Händler.

Was ist der Unterschied von hybridem Trading zu einem regelbasierten Handelssystem?

Bei einem rein mechanischen Handelsansatz braucht es jede Menge Vertrauen in ein Handelssystem. Der Trader oder Investor muss davon überzeugt sein, dass die zugrundeliegende Strategie sinnvolle Ein- und Ausstiegssignale generiert und dass diese Marktanalysen langfristig in Kombination mit einem Risikomanagement profitable Ergebnisse produzieren. Dazu werden im Vorfeld umfangreiche Simulationen von Marktmustern durchgeführt, die dann statistische Auffälligkeiten anhand von historischen Kursdaten testen (z.B. dass die Preise von Aktien in den letzten und ersten drei Tagen eines Monats überdurchschnittlich steigen (1), auch bekannt als „Turn-of-the-Month-Effekt“).

Das Problem von mechanischen Konzepten kennen Sie bereits: kein Handelssystem ist perfekt und es besteht immer die Gefahr, dass jede vergangenheitsbezogene Strategie irgendwann versagt. Dazu weiterlesen: Die Suche nach der besten Börsenstrategie

Gleichermaßen kommt ein rein diskretionärer Handelsansatz schnell an seine Grenzen, wenn Stress, Angst und andere Emotionen auftreten. Das kann jeder Trader bestätigen, der schon mal versucht hat, seine Anlageentscheidungen einzig und allein auf das berühmte „Bauchgefühl“ zu begründen.

Für dieses Problem bieten automatisierte Anlagestrategien ein unschlagbares Verkaufsargument: das Nutzen eines quantitativen Modells schaltet den psychologischen Faktor des Börsenhandels aus. Denn wie wir schon festgestellt haben, sind es vor allem die subjektive Wahrnehmung des Marktes und die dadurch ausgelösten Gefühle, die es sowohl Privatanlegern als auch Fondsmanagern so schwer machen bessere Renditen als der breite Marktdurchschnitt zu verdienen. (2)

Die Gründe für das Versagen unserer Entscheidungskapazitäten beim Börsenhandel sind mannigfaltig. Es hat etwas damit zu tun, wie unser Gehirn arbeitet. Die moderne Verhaltensforschung macht in den letzten Jahren immer wieder Fortschritte um zu erklären, warum wir mit komplexen Entscheidungssituationen oft überfordert sind und dann dazu neigen in gewohnte oder irrationale Handlungsmuster zu verfallen. (3)

Automatisierte Handelssysteme haben demnach Vor- und Nachteile.

Man kann die Nachteile ein wenig abfedern, indem man als quantitativer Trader über mehrere Modelle diversifiziert. Wie so ein Konzept in der Praxis aussehen kann, das zeige ich seit Anfang 2017 auf meinem Guidants-Expertendesktop „Index-Manager“.

„Intelligent“ im Sinne einer individuell begründeten Anlageentscheidung werden Handelssysteme jedoch nie sein können.

Worin liegen die Vorteile individueller Entscheidungen?

Dabei wird unterschätzt, dass die subjektive Interpretation des Marktes, vor allem bei Tradern mit vielen Jahren Markterfahrung, zu besseren Entscheidungen führen kann.

Exemplarisch hat man Golfspieler, Anfänger und Nicht-Golfer Bälle mit zwei verschiedenen Lernmethoden abschlagen lassen. Die "Profis" erzielten bei der unter Golfern üblichen Visualisierung der Flugbahn und des Landepunktes bessere Ergebnisse als die Anfänger und Nicht-Spieler.

Der Grund dafür war ihre jahrelange Erfahrung, die in „Fleisch und Blut“ übergegangen war und damit stabilere und reproduzierbare Ergebnisse förderte.

Interessanterweise erzielten jedoch die Golf-Anfänger mit der zweiten und einfacheren Technik (die sich nur auf die eigene Körperbewegung, statt auf die Visualisierung der Flugbahn konzentriert) bessere Ergebnisse als die Profis. (4)

Ein Plädoyer für den „gesunden Menschenverstand“: Auf der Jackson Hole Konferenz 2012 hielt der britische Notenbanker Andrew Haldane eine Rede mit dem Titel „The dog and the frisbee“. (5)

Darin führte Haldane eine Beweisführung, warum die Regulierung der Finanzmärkte durch ihre Finanzaufseher (im Englischen auch „Watchdogs“ genannt) und Richtlinien mit immer komplexeren Regeln und Verordnungen Gefahr laufe, Risiken in der Bankenwelt zu fördern, statt sie zu bekämpfen. Wer schon mal den Film „Margin Call“ (2011) gesehen hat, bekommt eine Vorstellung davon, wie komplex Risiken an den Kapitalmärkten sein können. (6)

Gegenüber dieser chaotischen Welt ist Andrew Haldanes Hypothese sehr einfach. Er sagt, dass auch in der Finanzwelt „weniger“ nicht nur sicherer, sondern auch „mehr“ sein kann.

Dafür illustriert Haldane das Beispiel eines Hundes, der eine Frisbee fängt. Jeder, der das Frisbeewerfen schon einmal probiert hat, weiß dass es gar nicht so einfach ist. Man muss – theoretisch - verschiedene Vektoren und Flugbahnen beachten und physikalische, als auch atmosphärische Bedingungen in den Fangversuch einbringen. Ein Physiker, der einen optimalen Prozess skizzieren müsste, würde wohl eine komplexe Anordnung von Bedingungen und physikalischen Gesetzen, z.B. Newtons Gravitationsgesetz, formulieren.

Doch in der Realität können sogar Kinder eine Frisbee fangen, ja sogar ein Hund schafft das mit etwas Übung!

Die Antwort ist, dass wir manchmal auf komplexe Fragen mit einfachen Antworten weiter kommen oder anders gesagt ein großes Problem auch einfach halten können, um letztlich zum selben oder gar einem besseren Ergebnis zu kommen.

Fazit: Hybrides Trading als das Beste aus zwei Welten?

Hybrides Trading versteht sich als die Verbindung von objektiven Trading-Regeln, die auf mechanischem Handels- oder Risikomanagement beruhen, mit subjektiven und individuellen Entscheidungen, die ein Trader im Rahmen der aktuellen Marktbedingungen, Risikobetrachtungen, Volatiltität oder aktuellen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Themen fällt.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Hybrides Trading lässt jedem Trader die Freiheit, genau jene Geschäfte zu tätigen, die zu seinem Alltag, seiner Persönlichkeit und seinen Gewohnheiten passen. Ein Handelssystem hingegen ist immer aktiv, egal ob gerade „Overnight-Gaps“ durch eine politische Krise drohen oder der Trader sich im Feierabend befindet.

Nachteile der individuellen Auswahl von Handelssignalen können durch emotionale oder psychologische Effekte ausgelöst werden, ähnlich wie es bei einem rein diskretionären Ansatz auch der Fall ist. Immer wenn der „Faktor Mensch“ involviert ist, sind Fehler nur eine Frage der Zeit. Hir wiederum helfen die technischen und damit auch messbaren Prozesse von Handelsmodellen, die in erster Linie dabei unterstützen sollen, schlechte von guten Anlageentscheidungen zu trennen.

"Jakob: Das ist ja schön und gut! Aber wie sieht hybrides Trading in der Praxis aus?"

Lesen Sie dazu als Erstes im Artikel Trading: Keine dummen Entscheidungen mehr!, warum erfolgreiches Anlegen mehr mit dem Vermeiden von Fehlern, statt mit dem Suchen nach Gewinnern zu tun hat.

In einigen Artikeln habe ich bereits Impulse für hybride Handelsansätze gegeben.

In meinem Börsenalltag arbeite ich heute nur noch mit sogenannten "Risiko-Matrizen", die mir auf Basis von quantifizierten – meist technischen – Analysen eine Empfehlung geben, was ich aktuell NICHT tun sollte. Damit filtere ich solange schlechte Entscheidungen aus, bis möglichst viele gute übrig bleiben.

Der Weg zu einem guten Trade beginnt damit, alle Situationen herauszufiltern, an denen ich nicht kaufen sollte.

Hier finden Sie Ideen für verschiedene Anlageklassen:

Währungen: Risikobewusstes Währungsmanagement für bessere Anlageentscheidungen
Anleihen: Anleihenanalyse mit Hilfe einer Risikomatrixund 10 Unternehmensanleihen aus der Risiko-Matrix
Swing-Trading mit Aktienindizes: DAX-Analyse mit quantifizierter Charttechnik plus Webinaraufzeichnung vom The GKFX Trading Sessions vom 27.10.2017 .

Bei Fragen bin ich gerne für Sie auf meinem Guidants-Expertendesktop da!

Viele Grüße
Jakob Penndorf

--

(1) Siehe auch: Gibt es den Turn-of-the-Month-Effekt?Eine empirische Analyse des deutschen Marktes von 1960 bis 1992, Klaus Röder, in: Finanzmarkt und Portfolio Management – 8. Jahrgang 1994 – Nr. 4.
(2) Warum Computer bessere Anleger sind, Jakob Penndorf, GodmodeTrader.de, 30.08.2017.
(3) Die Wahrnehmungsfalle an der Börse, Jakob Penndorf, GodmodeTrader.de, 31.10.2017.
(4) Siehe auch: Auswirkung eines funktionellen Komplextrainings auf Körperwahrnehmung und Bewegungsmerkmale im Golfschwung, Kathrin Appell, Dissertation an der Deutschen Sporthochschule Köln, 2005.
(5) Speech by Mr Andrew G Haldane, Executive Director, Financial Stability, Bank of England, and Mr Vasileios Madouros, Economist, Bank of England, at the Federal Reserve Bank of Kansas City’s 366th economic policy symposium, “The changing policy landscape”, Jackson Hole, Wyoming, 31 August 2012.
(6) Der große Crash, Kinotrailer auf Youtube.com, 29.09.2011.

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