Wissensartikel
13:11 Uhr, 28.02.2017

Trading: Keine dummen Entscheidungen mehr!

Manchmal ärgerte ich mich an einem Tag, an dem der Markt komplett gegen mich gelaufen war, mehr über meine falsche Analyse, als über den verlorenen Geldbetrag. Wie konnte ich nur so blind gewesen sein und nicht sehen, dass dieses oder jenes passieren würde?

Im Gespräch mit anderen Tradern stellte ich fest, dass eine ganze Menge Menschen zu verschiedenen Einschätzungen, z.B. über den weiteren Kursverlauf einer Aktie kommen konnten, obwohl alle über die gleichen Informationen verfügten.

Eigentlich unsinnig oder?

Was glaubten die einen besser zu wissen als die anderen, wo doch alle – theoretisch - über die gleichen Informationen verfügten?

Schon 1641 zweifelte der französische Philosoph René Descartes in seinen „Meditationes de prima philosopha“ an unserer objektiven Wahrnehmung. Mit Hilfe des von ihm entwickelten „Methodischen Zweifels“ entwickelte er einen Entscheidungsprozess, um auf den wahren Kern eines Problems oder einer Frage vorzudringen.

Descartes erkannte, dass uns unsere Sinne häufig in die Irre führen und dass unser Denken nicht auf einer ungefilterten Beobachtung der Wirklichkeit basiert, sondern geprägt ist von früheren Erfahrungen. Unser Verständnis der Welt ist daher immer eine Projektion, man könnte auch sagen ein persönlicher Kinofilm über die Realität.

Mit Hilfe des Methodischen Zweifels versuchte Descartes unwiderlegbare Sätze zu finden.

Für den Philosophen spielte dabei die Intuition eine wichtige Rolle. Sie beschreibt die Wirklichkeit mit einfachen Aussagen („Das Fahrrad ist rot.“ oder „Der DAX fällt.“) und macht unser Leben in einer komplexen Welt überhaupt erst möglich. (Stellen Sie sich vor, Sie müssten beim Autofahren über jede Entscheidung erstmal gründlich nachdenken.)

Komplizierte Sachverhalte hingegen müssten laut Descartes derart in ihre Einzelprobleme zerlegt werden, dass ihre jeweiligen Elemente als wahr erkannt werden können. Letztlich basiert jede gute Analyse auf dem Zerlegen von Problemen. Schon das Wort Analyse selbst bedeutet „Auflösung“.

Könnte also eine gute Analyse eine Argumentation sein, die einzig und allein auf wahren Fakten beruht?

Schauen wir uns doch aber die meisten Analysen und Tradingideen an. Beruhen die auf sicheren Fakten oder häufig auf „glauben“ und „denken“?

Eine Weiterentwicklung des rationalen, aber auch empirischen Denkens verfasste der deutsche Philosoph Immanuel Kant mit seiner "Kritik an der reinen Vernunft" (1781). Seine These war, dass eine Erkenntnis ohne subjektive Wahrnehmung nicht möglich sei und daher immer ein Urteil bleibe.

Heute ist eine gute Tradingidee für mich eine Kette mit möglichst vielen „wahren“ Aussagen bzw. begründeten Urteilen.

Denn was machte ich in den ersten Jahren meiner Tradingkarriere immer wieder falsch?

Ich setzte entweder auf Vermutungen, die ich nur oberflächlich geprüft hatte („Ich glaube, dass der Markt fallen wird.“) oder ich gründete meine Trades auf zu wenigen Argumenten („Der Markt ist laut Indikator XYZ überverkauft.“).

Als mein Trading vor einigen Jahren in einer Sackgasse geendet war, begann ich, erfolgreiche Händler zu interviewen. Ich studierte aber auch große Investoren und berühmte Hedgefondsmanger.

Ich dachte mir, wenn die das können, dann kann ich das auch.

Ich müsste nur herausfinden, was die besser machten als ich. Für mich hat sich das als ein Konzept in vielen Bereichen des Lebens erwiesen. Erfolg basiert meines Erachtens zum Großteil darauf, zu erkennen wie die Spielregeln sind und dann etwas besser zu spielen als alle anderen.

Denn erstaunlicherweise kennen die meisten Menschen gar nicht die Spielregeln.

Sie erinnert das vielleicht auch an einen Spieleabend mit Freunden oder der Familie. Am liebsten wird bei einem neuem Brettspiel (oder Videospiel) einfach wild drauflos gezockt. Wer ausführlich die Anleitung liest (z.B. so Spielverderber wie ich) bekommt meist erstmal einen höhnischen Spruch zu hören.

Von Warren Buffett und seinem Geschäftspartner Charlie Munger habe ich viel über die Spielregel des „Circle of Competence“ (Kreis der Kompetenz) gelernt.

Munger und Buffett hatten im Laufe ihrer Investmentkarriere herausgefunden, dass sie wesentlich besser darin waren zu bestimmen, worin sie keine Kompetenz besaßen.

Indem sie ihre Grenzen der Kompetenz bestimmten, konnten sie so viele "dumme" Entscheidungen wie möglich ausschließen.

„I think part of the popularity of Berkshire Hathaway is that we look like people who have found a trick. It's not brilliance. It's just avoiding stupidity.“ - Charlie Munger (1)

Buffett und Munger erarbeiteten sich über die Zeit einen gigantischen Vorteil, indem sie kontinuierlich versuchten dumme Entscheidungen zu vermeiden, statt besonders clevere zu treffen.

Charlie Munger erzählt häufig den Witz, dass er gerne wissen würde, wo er sterben wird. Er bräuchte dann einfach niemals an diesen Ort zu gehen.

Auch der Hedgefondsmanager Ray Dalio fragt sich jeden Tag über die Märkte: „What don't I know? [...] What has been very successful for me through my whole life is to not be arrogant about knowing, but to embrace the fact that I have weaknesses; that I don't know a lot about this, that, and the other thing. The more you learn, the more you realize you don't know.“ (2)

Fazit

Mit dieser Erkenntnis blickte ich auf viele meiner Trades zurück und stellte fest, dass ich so einige aus ziemlichen dummen Beweggründen oder zweifelhaften Überzeugungen eingegangen war.

Wie würde sich nur mein Trading verbessern, wenn ich mich erstmal darauf konzentrierte, keine „dummen Sachen“ mehr anzustellen?

Plane das Schwierige da, wo es noch leicht ist. - Laotse

Ich prüfe heute vor jeder Tradingentscheidung so viele Fakten wie möglich auf ihren Wahrheitsgehalt und versuche nur Argumente in mein Urteil einfließen zu lassen, die ich letztlich mit "ja" oder "nein" beantworten kann (Wahlweise auch mit „bullisch“ oder „bärisch“)

Oft frage ich mich: Wäre das jetzt wieder so eine dumme oder vorschnelle Entscheidung? Und denke dann häufig an die beiden Herren aus Omaha, die mit dieser simplen Strategie Milliarden verdienten.

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Viele Grüße
Jakob Penndorf

--

(1) 5 things I’ve learned from Charlie Munger. Online-Artikel auf Marketwatch.com vom 01.02.2017, abgerufen am 27.02.2017. Freie Übersetzung: „Ich denke Berkshire Hathaway ist so populär, weil wir so aussehen, als hätten wir einen Trick gefunden (um viel Geld zu verdienen). Tatsache ist jedoch, dass es kein Geniestreich ist. Wir vermeiden es einfach dumme Dinge zu tun.“
(2) Money: Master the Game: 7 Simple Steps to Financial Freedom von Anthony Robbins, 2014. Seite 24f. Freie Übersetzung: „Was weiß ich nicht? […] Was sich als sehr erfolgreich für mich in meinem ganzen Leben herausgestellt hat, ist Bescheidenheit darüber, was ich weiß und was ich nicht weiß und dass ich mir klar mache, dass ich Schwächen habe. Umso mehr Sie lernen, umso mehr werden Sie feststellen, dass Sie gar nichts wissen.“

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Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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