Wissensartikel
13:14 Uhr, 15.02.2017

Eine wirklich erfolgreiche Trading-Ausbildung

Wenn ich mit Anlegern über meinen Entwicklungsprozess als Trader spreche, dann gebe ich oftmals unumwunden meine ultimative Geheimformel preis. Sie lautet: Suchen Sie nach den Besten auf Ihrem Fachgebiet und versuchen Sie diese zu kopieren oder von ihnen zu lernen.

Meist schauen mich dann ungläubige Augen an oder ich bekomme E-Mails, wie die folgende:

„Herr Penndorf, warum sollte ein erfolgreicher Trader sein System preisgeben? Der wäre ja schön blöd!“

Zuerst muss man sehen, dass es durchaus Trader gibt, die ihre Strategien gänzlich offen gelegt haben. Am bekanntesten sind wohl die Turtle Trading Strategie von Curtis Faith oder die Strategien von Alexander Elder oder Joe Ross. Diese Herren habe ihre Strategien bis ins kleinste Detail in Büchern und Arbeitsheften beschrieben. Aber auch berühmte Hedgefondsmanager und Investoren haben sich über ihre Art und Weise zu denken geäußert, wie z.B. in den Interviews von Jack Schwager (Market Wizards) oder im Buch Money von Tony Robbins. Einige Legenden wie George Soros oder Peter Lynch haben selbst Bücher veröffentlicht. Warren Buffett wirkte an seiner eigenen Biografie mit. Auf Youtube gibt es unzählige Vorträge von all diesen Vorbildern.

Wir sehen also, es ist durchaus möglich und dank des Internets heute einfacher denn je, von den Besten der Besten zu lernen.

Warum viele Anleger dennoch enttäuscht sind, hat wohl etwas damit zu tun, dass die „Big Boys“ keine konkreten Anleitungen geben.

Als ich das erste Mal das Buch von George Soros „The Alchemy of Finance“ in meinen Händen hielt, feuerte ich es nach dem Vorwort wieder enttäuscht in die Ecke.
Soros offenbarte mir nämlich bereits in den ersten Zeilen, dass er mit diesem Buch nicht bezwecke eine Anleitung zum Geld verdienen zu schreiben.

Ich kapierte erst viele Jahre später, dass ein George Soros kein Handelssystem in dem Sinne hat, wie ich es mir in meiner Anfangszeit als Trader immer vorgestellt hatte. Es gibt keinen George-Soros-Superalgorithmus, den man nur finden und in eine Programmiersprache übersetzen braucht. Die meisten großen Trader dieser Welt haben nämlich eine komplett andere Wahrnehmung der Märkte. Sie sehen die Börse oftmals nicht als Charts und Indikatoren. Warren Buffett z.B. hat eine Strategie, die komplett ohne das tägliche Auf und Ab der Kurse zurecht kommt. Ja Buffett bräuchte die Börse sogar nicht einmal für seine Geschäfte.

Er sagte selbst mal: „I never attempt to make money on the stock market. I buy on the assumption that they could close the market the next day and not reopen it for five years.“ (1)

Wenn wir von erfolgreichen Menschen lernen, dann bedeutet das oft in eine komplett neue Welt einzutauchen. Denn wenn unsere Welt so aussähe wie ihre, dann wären wir schon erfolgreich, oder? Vielleicht kann man das in etwa so beschreiben, wie wenn man etwas neues, wie eine neue Technik lernt oder eine neue Erfahrung macht. Oftmals überrascht uns das „Wie“ dann völlig und passt selten mit unseren Erwartungen überein. So eine neue Perspektive nennt man dann auch den klassischen „Aha“-Effekt.

Erfahrungsberichte und Erklärungen der Börse sehen bei den meisten Profis ungefähr so aus wie Seminare für Schriftsteller oder Künstler.

Haben Sie so einen Kurs schon einmal besucht oder haben vielleicht sogar mal ein Buch darüber gelesen, wie man einen guten Roman schreibt? In solchen Anleitungen, die für angehende Autoren sehr wertvoll sein können, schreibt ein erfahrener Autor, was für ihn persönlich beim Schreiben gut funktioniert hat, welche Formulierungen er als geeignet ansieht oder von welchen Redewendungen oder dergleichen er abrät. Manchmal schreibt er auch darüber, an welchen Orten er gute Inspirationen findet.

Aber es wird niemals ein Buch geben, in dem ein Autor eine kopierbare Blaupause gibt, wie man einen Bestseller schreibt. Weil es schlichtweg unmöglich ist.

Denn das entscheidende bei einem guten Buch ist nicht das geschriebene Wort oder die Grammatik (Fachwissen), sondern die Story. Eine spannende Geschichte kann in noch so furchtbarer Kommasetzung aufgeschrieben sein, sie wird uns trotzdem begeistern.

Das ist dann beim Trading die entscheidende Idee für ein Investment.

Wie man gute Ideen an den Märkten findet, darüber geben die Besten der Besten hingegen sehr viele Hinweise.

Aber welche Story für den einen Trader als passend erscheint, ist für den anderen vielleicht zu variabel, zu unsicher oder zu spekulativ. Das lernt man zu verstehen, wenn man sich von dem Gedanken trennt, dass ein Tradingansatz so etwas wie eine Signalmaschine ist, die profitable Trades ausspuckt. Das Märchen von einer perfekten Tradingstrategie gibt es nur in Anfängerbüchern.

Eine Strategie oder ein Modell, das gestern vielleicht noch funktioniert hat, kann heute schon wertlos sein.

Schauen Sie in die Geschichte der Börse.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre hinein waren die „Tape-Reader“, also die Trader, die Kurse im Verhältnis zum Umsatz auswerteten, im Vorteil. Sie nutzten ganz einfach einen Informationsvorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern aus. Sobald eine fette Order in einer Aktie hereinkam, sprangen sie auf den Zug auf. Bis die Masse der Anleger davon erfuhr, waren die Tape Reader schon längst auf dem Golfplatz um ihren Gewinn zu feiern.

Seit dieser Zeit werden die Abstände der Strategien, die wirklich noch einen Vorteil bringen, aber im kürzer.

In den 1970er Jahren kamen dann die Computermodelle auf. Etwas später kamen auch die Indikatoren und Charts auf, bis sie in den 1990er Jahren die Heim-PCs von Privatanlegern erreichten. Die Trader und Hedgefonds, die Modelle verwendeten, waren bis zu Beginn des letzten Jahrzehnts, also spätestens bis zum großen Modellversagen der Finanzkrise 2008, profitabel.

Heute würde kein Trader mehr auch nur einen Euro auf einen Indikator setzen. Ich war letztens auf einem Vortrag, da bezeichnete ein junger Eigenhändler aus London Indikatoren abfällig als „Mommy and Poppy Trading“, also als eine Tradingstrategie, die für unsere Eltern funktioniert hat, aber nicht mehr für uns. Irgendwie hatte er Recht.

Seit dem Ausbau von Informationstechnologien und Datenleitungen sind es seither die Trading-Algorithmen, die noch einen kleinen Vorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern bringen. Doch auch diese Strategien sind spätestens seit dem Buch „Flash Boys“ in der Öffentlichkeit angekommen. Die Regulierung von High-Frequency-Trading und Skandalfälle werden aber auch dieser „Strategie“ bald den Garaus machen. Mein Kollege Oliver Baron hat darüber zuletzt einen sehr interessanten Artikel geschrieben: Wie der "Flash Crash Trader" 50 Mio. Dollar verdiente – und dann alles verlor

Die Märkte werden mit zunehmender Technologie immer effizienter. Es gibt vor allem für Privatanleger kaum noch Möglichkeiten "Schwächen" an den Märkten zu finden.

Was mich daher viel mehr interessiert ist das Denken und die Philosophie der „Big Boys“. Also wie hat es z.B. ein George Soros oder ein Steven Cohen geschafft, trotz der gravierenden Veränderungen der Märkte immer oben auf zu bleiben? Sie mussten ein Denken über das Spekulieren entwickelt haben, das so gar nichts mit Signalen oder Handelssystemen zu tun hatte.

Wie finden diese Superstars ihre Ideen, was bewegt ihre Gedanken und wie gehen sie mit Trades um?

Dazu finden wir in Büchern und Interviews so viele Antworten, aber nur, wenn wir unsere Fragestellung verändern.

Weiterführende oder passende Ausbildungsartikel zu diesem Thema:

Der Schlüssel zum Erfolg an der Börse (Wie ich auf die Idee kam, nach den Besten der Besten zu suchen und diese zu interviewen)
Trading nach Trendfolge (Hier beschreibe ich eine Strategie, die erfolgreiche Trader immer wieder empfehlen)
Tradingerfolg ohne Fachwissen? (Hier beschreibe ich, warum Fachwissen nur zu 15 % zum Börsenerfolg beiträgt)

Viele Grüße
Jakob Penndorf

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Passender Service

Trader-Ausbildung

Verbessere Dein Trading – arbeite an Deiner Einstellung

    undefined
  • Trader-Ausbildung mit Persönlichkeitsanalyse und Praxisphase

  • 16 Wochen Trading pur

  • Live-Webinare für Deine individuelle Entwicklung

Mehr Services

Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

Mehr Experten