Tradingerfolg ohne Fachwissen?
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Nun gibt es keine schlechten Fragen, denn ich bin froh über jeden, der sich traut eine Frage zu stellen. Meine Antwort darauf lautet normalerweise etwa so.
Ich bin jetzt seit 10 Jahren im Tradinggeschäft. Man sagt ja, dass man eine Disziplin ungefähr 10.000 Stunden trainieren muss, bis man zum Meister seines Faches wird. Die 10.000 Stunden vor Charts, Börsennachrichten und Kurstickern habe ich in der Zeit auf jeden Fall absolviert, wenn nicht sogar schon das Doppelte. Und meine Lehre, mein Wissen und meine Erfahrung daraus finden sich heute in meinen Artikeln und Vorträgen wieder.
Was glauben Sie, wie viel Prozent das Fachwissen am Tradingerfolg ausmacht?
(Die meisten schätzen 50 %-70 %, aber nur weil sie ahnen, dass ich auf etwas hinaus will...)
Tatsächlich macht Fachwissen nur 15 % am Tradingerfolg aus.
85 % des Erfolges an der Börse bestimmt unsere Einstellung, unsere Arbeitsweise, unsere Methodik und manchmal auch wie wir uns fühlen.
Deshalb spreche ich so wenig über Charts, Handelssignale und Systeme. Hin und wieder schreibe ich darüber oder gebe Tipps, wo man gute Strategien herbekommt. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Fachwissen und Tradingkompetenz erwerben Sie ganz automatisch nebenbei.
Den Schlüssel zum Erfolg, den Durchbruch bei Ihrem Trading werden Sie nur in sich selbst finden.
Die besten Trader, die ich die letzten Jahre getroffen habe, hatten ganz reguläre, stabile Familienverhältnisse. Verheiratet, Kinder, Haus in einer ruhigen Wohnlage. Keine exklusiven Hobbies oder abgehobenen Freundeskreise. Ruhig, besonnen, ausgeglichen, freundlich. Die überwiegende Zahl ist sehr sportlich, schläft regelmäßig, achtet auf ihren Körper und darauf, was sie essen. Die meisten sind unscheinbare, gefestigte Charaktere.
Der Hedgefonds-Manager David Tepper, heute aufgrund seines Erfolges einer der reichsten Menschen der Welt, fuhr jahrelang einen rostigen Familienvan und lebte mit seiner Familie in einer Mittelklasse-Wohngegend (heute wohnt er in den Hamptons, wo er auf dem Grundstück seines ehemaligen Chefs bei Goldman Sachs eine Villa abreißen und eine neue, dreimal so große bauen ließ).
Ich habe aber auch viele „Brains“ an den Finanzmärkten getroffen. Geniale Typen mit einem unglaublichen Wissen über Algorithmen und Tradingstrategien. Manche konnten Berechnungen im Kopf vornehmen, dass es mir die Sprache verschlug. Und viele von ihnen waren nicht dauerhaft erfolgreich. Einmal erlebte ich, wie ein Cheftrader mit über zwanzig Jahren Berufserfahrung nach Hause geschickt wurde, weil er nach einer kurzen, fröhlichen Nacht am nächsten Tag die Geld- und Briefseite beim Handeln verwechselt hatte. Ein anderer Kollege berichtete mir, dass ein Trader in seiner Firma sein Tradinglimit massiv mit einer Short-Position im S&P Futures überzogen hatte. Zuvor soll er nach der Firmenfeier schlafend auf der Treppe seines Wohnhauses gefunden worden sein.
Was glauben Sie, was die Spieler vom FC Bayern am Abend vor einem Spiel trinken und essen? Bestimmt kein Bier und Cheeseburger mit Pommes. Was würden Sie Ihrem Rennpferd zu fressen geben, wenn Sie eines hätten? Billigfutter oder die beste Nahrung, die sie finden können?
Trading ist eine der gefährlichsten und risikoreichsten Tätigkeiten, die man sich aussuchen kann (deshalb kann man auch soviel Geld dabei verdienen). Die meisten Trader glauben aber immer noch, dass man dabei ohne Training und ohne geistige und körperliche Fitness überleben kann.
Was denken Sie, welcher Trader erfolgreich ist?
Der, dessen Leben in Balance ist, der glücklich ist, fokussiert arbeitet und morgens auf geistiger Höhe vor seinen Schirmen sitzt. Oder, der, dessen Leben gerade ein einziger Trümmerhaufen ist. Ich habe es zigfach erlebt. Ich habe gesehen, wie Kollegen auf einmal Positionen versenkt haben, nachdem sie sich mit ihrer Frau am Telefon darüber gestritten haben, wer die Kinder am Wochenende zum Punktspiel fährt.
Ich glaube daran, dass der Durchbruch, der Erfolg beim Trading nur ganzheitlich funktioniert. Sie können noch soviel Talent haben, wenn Sie dem Druck der Finanzmärkte körperlich oder seelisch nicht gewachsen sind, werden Sie irgendwann Fehlentscheidungen machen. (Und das obwohl Sie die nötige Fachkompetenz hätten.)
Manchmal gehört gar nicht viel dazu, sich in die richtige Verfassung zu bringen. Im letzten Tradingwebinar (Link zur Aufzeichnung) konnten wir kurz über selektive Wahrnehmung sprechen. Selektive Wahrnehmung bedeutet, dass sich Ihr Gehirn ganz automatisch auf einen bestimmten Teilbereich ausrichtet, z.B. in dem Sie gerade eine Lösung suchen oder womit Sie sich in letzter Zeit häufig beschäftigt haben. Zum Beispiel sehe ich in letzter Zeit nur noch silberne Golf-Kombi auf der Straße, seit mein bester Freund einen gekauft hat. Sie kennen das. Beim Trading kann das sowohl zum Vorteil, als auch zum Nachteil auswirken. Gefährlich wird es, wenn uns selektive Wahrnehmung einen Streich spielt, z.B. wenn uns unser Gehirn Muster im Kursverlauf vorgaukelt, die vielleicht sogar da sind, aber nicht wirklich einen Sinn ergeben.
Vielleicht kennen Sie die Geschichte mit den Blondinen in der U-Bahn. Machen Sie sich zur Aufgabe, einmal 4 Wochen lang die Anzahl der blonden Frauen in der U-Bahn zu zählen. Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie irgendeine Form von Muster finden. Vielleicht stellen Sie fest, dass immer dienstags besonders viele Frauen mit blonden Haaren die U-Bahn nutzen. Aber würden Sie Geld darauf setzen, dass auch am nächsten Dienstag wieder überdurchschnittlich viele Blondinen die U-Bahn zur Arbeit nehmen? Natürlich nicht! Denn Ihr Verstand würde Ihnen sagen, dass das mit hoher Wahrscheinlichkeit eine blödsinnige Feststellung ist, die jeglicher Logik entbehrt. An der Börse hingegen würden wir so einem Muster vielleicht sogar unser Geld anvertrauen. Verrückt, oder?
Unser Gehirn funktioniert dabei manchmal wie eine Linse oder ein Fernglas, das man auf einen Punkt scharf ausrichten kann oder alles trüb und unklar werden lässt.
Wie hoch werden Ihre Erfolgschancen sein, wenn Sie sich sagen: „Der Markt gibt heute nichts her.“ oder was ich auch schon tausendfach von Tradern gehört habe: „Der Markt ist heute nicht mehr so einfach wie früher.“ Wenn Sie mit dieser Einstellung vor Ihren Bildschirmen sitzen, wenn Sie Ihrem Gehirn die Botschaft senden „heute ist es schwer etwas zu verdienen“ schicken, wie gut werden dann Ihre Chancen sein an diesem Tag einen guten Trade zu finden?
Gleich null.
Wie soll es auch gehen? Ihr Verstand ist dann im Wartemodus. Ihr Gehirn scannt den Markt nur wie ein Blick über trübes Wasser. Sie sehen den Markt, aber es wird nichts produktives entstehen. Vielleicht sind sie dann noch abgelenkt, haben gerade mit dem Partner telefoniert oder lesen den Wetterbericht für's Wochenende. (Hoffentlich gibt's kein Regen beim Punktspiel der Kids.)
Ich schreibe Ihnen über diese Dinge nicht, weil mir nichts besseres einfällt. Im Gegenteil, ich könnte Sie mit Artikeln über Indikatoren, Handelssysteme und Market-Timing-Modellen zuschütten. Ich werde auch noch darüber vereinzelte Dinge zu sagen haben, aber es ist nicht das entscheidende Wissen, das Sie im Trading weiterbringt. Und es ist eigentlich erschreckend, wie wenig bisher darüber gesagt wurde.
Es sind nur 15 %, die Ihr Fachwissen zum Erfolg beisteuert. Und 85 % macht Ihre persönliche Einstellung aus, egal ob Sie Trader oder Investor sind. Wie erfolgreich wäre wohl ein Warren Buffett heute, wenn er ein notorischer Nörgler und Eigenbrötler geworden wäre. Die Kenner seiner Biografie wissen, dass er sich dieses geheime Erfolgswissen auch erst erarbeiten musste. Das einzige Zertifikat, das in seinem Büro stolz ausgehängt ist, ist sein Diplom seines Dale-Carnegie-Kurses, den er als junger Mann absolviert hatte. (1)
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Jakob Penndorf
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