Wieso 3D-Druck-Träume zerplatzen
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Ein Grund für die enormen Kursanstiege des letzten Jahres, allen voran von 3D Systems, war die Prophezeiung eines Durchbruchs, der explosives Wachstum bringen sollte. Die Rede war vom Retail Markt. Die geschaffene Erwartungshaltung (Ende 2012): in 2013 würden 3D Drucker den Retail Markt erobern, also wie herkömmliche Drucker von Konsumenten gekauft werden. Das sollte nicht nur einen enormen Wachstumsschub für den Verkauf von Geräten bringen, sondern auch den Absatz von Materialien beflügeln. Fast anderthalb Jahre nach der Prophezeiung stellt sich mehr und mehr heraus, dass die Erwartungen vollkommen überzogen waren. Konsumenten kaufen (fast) keine 3D Drucker. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Kosten sind noch immer hoch. Das ist sicherlich ein Grund. Der viel wichtigere ist aber, dass der durchschnittliche Konsument keine guten Resultate mit 3D Druckern erzielt. Ein Design zu entwerfen kosten nicht nur Zeit. Man braucht ein gewisses technisches Verständnis. Welcher Konsument eignet sich Programmierkenntnisse an, um einen Teller für 20 Euro zu drucken, den er schöner um 5 Euro kaufen kann?
Die Eroberung des Retailmarktes bleibt vorerst aus. Das heißt nicht, dass nicht irgendwann die Marktdurchdringung so hoch ist wie bei herkömmlichen Druckern. In naher Zukunft würde ich aber nicht damit rechnen. Bis es soweit ist, bleibt es eher ein Nischenmarkt. Erst, wenn sehr viele Designs online verfügbar sind, das Programmieren einfacher gemacht wird, namenhafte Hersteller Designs zum downloaden anbieten oder verkaufen, erst dann – zusammen mit niedrigen Kosten – wird der Retailmarkt wirklich zünden.
Für eine erfolgreiche Zukunft braucht man als 3D Druckerhersteller nicht unbedingt den Retailmarkt. Im Industriebereich, vor allem beim Metalldruck, liegt großes Potential. Die Technologie ist und bleibt unbestreitbar revolutionär, aber nicht jedes Unternehmen kann die Idee wirklich gut umsetzen. Der Liebling der Börse war zweifelsohne 3D Systems. 3D Systems hat sich mit großem Pomp auf den Retailmarkt gestürzt. Der kommt nun aber nicht in Fahrt. Im Gegenteil. Konkurrenten wie Stratasys scheinen sogar bessere Retailprodukte auf den Markt zu bringen als 3D Systems. Gleiches gilt für den Industriebereich. Stratasys ist hier gut aufgestellt – besonders im wichtigen Metalldruckbereich. Dennoch werden die Aktien abgestraft. Der gesamte Sektor steht unter Druck, nicht nur 3D Systems. Das liegt wohl auch daran, dass viele große Player in den Markt einsteigen. Darunter befinden sich Mitsubishi, HP und Epson. Diese Unternehmen haben im Vergleich zu den spezialisierten 3D Druckerherstellern nahezu unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung und haben eine so große Kundenbasis, dass allein über Cross-Selling hohe Umsätze erzielt werden könnten. Wenn HP z.B BMW bereits jetzt mit herkömmlichen Druckern ausstattet, wieso sollte dann BMW einen 3D Drucker von Voxeljet kaufen, wenn sie auf die Qualität und den Service von HP zurückgreifen können, mit dem sie die vergangenen Jahre gut gefahren sind?
Bei den klassischen 3D Druckaktien ist Vorsicht das Gebot der Stunde. Ganz besondere Vorsicht ist bei 3D Systems angebracht. Das Unternehmen kauft kleinere Unternehmen auf. Für gewöhnlich zahlt 3D Systems das Zweifache des Jahresumsatzes. Durch den Hype um die Aktie wurde 3D Systems teils mit dem Zwanzigfachen des Umsatzes bewertet. So wurde hier „Wert“ geschaffen. Das ist per se nicht verwerflich. Viele Unternehmen verfolgen eine solche Strategie und rechnen sich durch Übernahmen größer und besser als sie sind. Anlegern sollte nur bewusst sein, dass eine solche Strategie langfristig selten zum Erfolg führt. Statt selbst zu investieren, wird übernommen. Die Integrationskosten sind hoch, die erworbene Technologie ist evtl. nicht kompatibel, es wird kein zusätzliches Wachstum generiert. Das geht solange gut, bis es keine Übernahmekandidaten mehr gibt. 3D Systems hat in den vergangenen zwei Jahren 40 Unternehmen gekauft. Da ist inzwischen nicht mehr viel übrig geblieben, was erworben werden könnte. Das Wachstum des Unternehmens wird sich als Folge verlangsamen. Der Aufschlag, den 3D Systems im Vergleich zu anderen Herstellern hatte, ist dabei sich aufzulösen. 3D Systems war einmal 50% mehr wert als Stratasys. Inzwischen ist der Aufschlag (gemessen an Marktkapitalisierung durch Umsatz) fast verschwunden. Mit der Entzauberung von 3D Systems und einer vergleichsweise schwachen Position im Industriesegment (17% Marktanteil) gegenüber Stratasys, ist es wahrscheinlich, dass 3D Systems in Zukunft einen Abschlag zum Sektor haben wird.
Mit diesen eher ernüchternden Aussichten ist sowohl 3D Systems als auch der gesamte Sektor wahrscheinlich nicht unter den Top Performern der nächsten ein bis zwei Jahre. Der Sektor wurde so dermaßen nach oben gepusht, dass man von einem klassischen Hype Cycle ausgehen kann. In einem solchen Zyklus gelingt einer Technologie nach langer Entwicklungszeit (beim 3D Druck mehr als 20 Jahre) der Durchbruch. Die Technologie schafft es endlich über Prototypen hinaus. Die Qualität der Ergebnisse nimmt rapide zu. Die Kosten der Produkte reduzieren sich drastisch. Die Technologie wird akzeptiert. Anleger und Medien springen auf den Zug auf. Es gibt kein Halten mehr. Der Technologie wird eine große Zukunft prophezeit. Das Wachstum ist enorm. Der Glaube an die Technologie und die Aktien ist uneingeschränkt.
Ein solches Verhalten ist nicht neu. An der Börse sieht man diese Zyklen recht häufig. Der bestimmt größte und ausufernste Hype Cycle war der Neue Markt. Auch hier wurden Unternehmen astronomisch bewertet. Keine Frage, viele der Unternehmen wuchsen schnell. Aber selbst bei jährlicher Umsatz- oder Gewinnverdopplung fragt man sich, ob ein Unternehmen mit 50 Millionen USD Jahresgewinn 10 Milliarden USD wert ist. Jede noch so starke Branche kann nicht ewig mit 100% pro Jahr wachsen. Beim 3D Druck reden wir zudem nicht über 100% Wachstum pro Jahr, sondern über 20%. Das ist kein Geheimnis und war es auch nie. Anlegern ist das im Hype aber vollkommen egal. Die Fakten werden einfach ignoriert bis es irgendwann zur Ernüchterung kommt. Hier erleben wir gerade den Beginn in der 3D Druckbranche. Der Retailmarkt lässt sich nicht so leicht erschließen wie gedacht. Nach einem Schub an Innovation und Expansion tritt die Branche aktuell auf der Stelle. Es wird klar, dass das Wachstum so nicht ewig weitergehen kann und viele Wachstumsträume einfach platzen. Der Retailmarkt wird Wachstum bringen, aber eben nicht 2014 wie erhofft, sondern vielleicht erst 2017 oder 2022.
Für Anleger ist das eine große Chance. Die Ernüchterungsphase dauert für gewöhnlich ein bis zwei Jahre. In diesem Zeitraum verlieren Aktien von ihren Hochs zwischen 60 und 90%. Ist das Tal der Tränen erst einmal erreicht, können Anleger, die den großen Hype verpasst haben, sehr günstig einsteigen. In den darauffolgenden Jahren greifen Investoren das Potential wieder auf. Es zeigt sich, dass die hohen Erwartungen des Hypes nicht vollkommen ungerechtfertigt waren. Sie waren nur einfach viel zu früh im Markt und wurden viel zu früh eingepreist. Nach einer solchen Ernüchterung, wenn sich zeigt, dass die Technologie doch das erhoffte Potential entfalten kann, steigen Aktien oft jahrelang. Wer es schafft, das Tief ungefähr zu erwischen, der kann sich 2 bis 5 Jahre lang an steigenden Kursen erfreuen. Die Zuwächse variieren stark zwischen 50 und 400%. Gemessen an 3D Systems sollte die Aktie mindestens bis 40 USD fallen, eher sogar bis auf 30 USD. Im Extremfall kann es sogar bis 20 USD gehen. Langfristiges Kursziel liegt bei 60 USD. Je nachdem, wo die Aktie aufhört zu fallen, können dann Zuwächse zwischen 50 und 300% erzielt werden.
Um sich selbst ein Bild von der Situation machen zu können hilft ein Blick auf die Umsatz- und Gewinnhistorie der letzten Jahre. Das Wachstum kann sich durchaus sehen lassen. Für die Jahre nach 2013 habe ich unterschiedliche Wachstumsraten angenommen (zwischen 15 und 35% je nach Unternehmen und Jahr). Die unterschiedlichen Wachstumsraten sind Schätzungen nach Sektor. Vor allem Unternehmen mit Fokus auf Industriedruck traue ich höheres Wachstum zu. Der Gewinn wurde auf Basis der Nettogewinnmarge geschätzt und ist vom Umsatz abhängig. Bei den profitablen Unternehmen ist die Marge zuletzt zurückgegangen, sollte sich langfristig aber bei 8 bis 10% einpendeln.
in Mio. USD |
3D Umsatz |
3D Gewinn |
Stratasys Umsatz |
Stratasys Gewinn |
ExOne Umsatz |
ExOne Gewinn |
Voxeljet Umsatz |
Voxeljet Gewinn |
Arcam Umsatz |
Arcam Gewinn |
2009 |
113,0 |
1,0 |
99,0 |
4,0 |
11,4 |
-1,0 |
||||
2010 |
160,0 |
20,0 |
118,0 |
10,0 |
13,0 |
-5,5 |
6,6 |
-0,3 |
14,0 |
0,3 |
2011 |
230,0 |
35,0 |
156,0 |
21,0 |
15,0 |
-8,0 |
10,0 |
0,1 |
16,6 |
0,8 |
2012 |
354,0 |
39,0 |
215,0 |
8,0 |
29,0 |
-10,0 |
12,0 |
0,3 |
21,4 |
2,3 |
2013 |
513,0 |
44,0 |
484,0 |
-27,0 |
39,0 |
-6,5 |
16,0 |
-3,7 |
30,0 |
2,3 |
2014 |
666,9 |
52,8 |
600,0 |
20,0 |
50,7 |
- |
20,8 |
- |
40,5 |
3,0 |
2015 |
833,6 |
66,0 |
750,0 |
40,0 |
65,9 |
2,0 |
27,0 |
1,0 |
52,7 |
6,0 |
2016 |
1.000,4 |
85,8 |
937,5 |
80,0 |
85,7 |
7,0 |
35,2 |
3,0 |
68,4 |
10,0 |
Setzt man die Zahlen etwas in den Kontext, dann zeigen sich aktuell teils deftige Bewertungen. Bei 3D sehen wir momentan ein KGV von knapp 140, bei Arcam sogar jenseits der 200er Marke. Würde Arcam nicht weiter wachsen, dann bräuchte das Unternehmen über 200 Jahre, um den eigenen Unternehmenswert zu verdienen. Das lässt sogar noch Barwertüberlegungen außen vor. 2,3 Mio. Gewinn in 200 Jahren sind heute ja nicht 2,3 Mio. wert, sondern deutlich weniger. Würde man hier lediglich Inflation von 2% ansetzen und damit diskontieren, dann blieben gerade noch 30.000 USD übrig.
Solche Bewertungen machen natürlich keinen Sinn. Sie sind nur annähernd annehmbar, wenn das Unternehmen hohes Wachstum ausweist und sich der Gewinn vervielfacht. Bei 3D Druckunternehmen wird das zweifellos passieren. In welchem Zeitrahmen ist allerdings unklar. Ich gehe in meinen Überlegungen von weiter wachsenden Gewinnen aus. Das sind natürlich nur grobe Schätzungen und können durchaus weit daneben liegen. Aber irgendwo muss man ja anfangen...
3D |
Stratasys |
ExOne |
Voxeljet |
Arcam |
|
Aktuelles KGV |
138,5 |
-190,3 |
-78,2 |
-110,5 |
244,3 |
Price/Sales |
11,4 |
9,1 |
11,4 |
25,6 |
18,7 |
Ziel KGV |
40 |
40 |
40 |
40 |
40 |
Ziel Market Cap (in Mio.) |
3.432 |
3.200 |
280 |
120 |
400 |
Abschlag zur aktuellen Bewertung |
-44% |
-38% |
-45% |
-71% |
-29% |
Zielkurs |
33 |
65 |
19 |
8 |
21 |
Auf Basis der Gewinne, die in den nächsten Jahren erzielt werden können, sinken die KGVs deutlich, wenn man unterstellt, dass der Kurs stabil bleibt. Aktienkurse tun für gewöhnlich alles, nur nicht an einem Punkt verharren. Aktuell setzt Ernüchterung bei den Aktien ein. Das führt zu einer Neubewertung des Sektors. Für Wachstumsunternehmen wäre ein Ziel KGV im Tal der Enttäuschung von 40 durchaus realistisch. Der Tiefpunkt bei den Kursen sollte „planmäßig“ 2015 erreicht werden. Bei einem KGV von 40 und den Gewinnen aus 2016 (ich habe die erwarteten Gewinne aus 2016 genommen, um eine gewisse Sicherheitsmarge einzubauen) ergibt sich die neue Marktkapitalisierung. Die neue Kapitalisierung liegt deutlich unter der aktuellen. Bei 3D Systems wäre ein Abschlag von 44% bis 2015 noch möglich. Das entspricht dann einem Aktienkurs von 33 USD. Die Logik ist bei allen Unternehmen die gleiche. Je nach Hersteller ist das Abwärtspotential sehr verschieden. Eines haben aber alle gemeinsam: ein Aufwärtsszenario ist nicht vorgesehen. Um diese Einschätzung zu revidieren müssten die Unternehmen positiv überraschen. Das kann nur durch einen neuen Innovationsschub gelingen, der z.B. den Retailmarkt schnell erschließen kann.
Die Abwärtsszenarien bedeuten jetzt nicht, dass die Aktien sofort und unaufhörlich weiter fallen. Jeder Bärenmarkt hat auch Bärenmarktrallyes. Demnächst könnte eine solche Rallye anstehen. Danach gehe ich von einer Fortsetzung des Abwärtstrends aus. Die genannten Kursziele sind Ziele auf Jahressicht. Sollten sich neue Erkenntnisse ergeben, die den zukünftigen Kursverlauf beeinflussen könnten, berichte ich auf meinem Expertendesktop darüber (http://go.guidants.com/#c/clemens_schmale).
Beste Grüße
Clemens Schmale
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Der Mehrwert von 3d-Druckern für Konsumenten hat sich mir bisher noch nicht erschlossen. Es wird fallen oder steigen mit der freien Verfügbarkeit von Designs. Und da gibt es grundsätzlich 2 Möglichkeiten. Die Hersteller von Produkten wie Teller oder Tassen stellen diese zur Verfügung, wohl kaum. Oder es gibt darauf spezialisierte Anbieter. Dies wollen damit aber auch Geld verdienen und entsprechend auf Kopierschutz und Lizensen setzen, Stichwort Urheberschutz.
Guter Artikel.
Beim Lesen habe ich mich gefragt, ob 3D Drucker nicht geeignet wären, die Logistikkette zu reduzieren. Angenommen die großen Retailer wie ALDI, REWE, Real, ... würden weniger gängige Produkte via 3D Druck ins Sortiment nehmen.
Als nächster Schritt wäre dann die Ausweitung in den Konsumentenbereich.
Mit einer solchen Strategie würde ich die Akzeptanz über B2B gewinnen und dann nach Beseitigung der Kinderkrankheiten und eines umfassenden Objektbestandes den Sprung in den consumer Markt vornehmen.
Welche der Anbieter wäre den für eine solche Strategie optimal aufgestellt?
Schöner Beitrag und entspricht meiner Erfahrung als Verkäufer von Desktop 3dDruckern (3dDinge.de)