Was kommt nach der Pandemie?
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Zu Jahresbeginn prognostizieren Volkswirte und Strategen stets Wirtschaft und Märkte. Doch 2020 waren viele Vorhersagen schon Ende Februar überholt: Corona hat alles auf den Kopf gestellt – unser Leben, die Märkte und die Prognosen für 2020. Aber ich will gegenüber meinen Kollegen fair sein: Die Gründe dafür waren biologischer, nicht finanzieller Natur, und das Leben ist nun einmal voller Überraschungen. Neu war nicht so sehr, dass die Prognosen nicht stimmten – sondern wie schnell nichts mehr so war wie vorher.
Auch jetzt füllt sich mein Posteingang wieder mit Marktprognosen. Dieses Jahr ist man sich weitgehend einig: Trotz immer mehr COVID-19-Infektionen, stationären Behandlungen und Todesfällen sowie der Entdeckung neuer Mutationen, die die Herdenimmunität in immer weitere Ferne rücken lassen, sind Investoren und Auguren recht optimistisch. Für sie zählt nicht das Heute, sondern das Morgen, ebenso wie für die Märkte. Wegen des unerwartet schleppenden Beginns der Impfungen mag uns Corona zwar noch länger erhalten bleiben, doch irgendwann wird die Pandemie wohl vorbei sein. Wegen der Kombination aus aufgestauter Nachfrage und äußerst expansiver Geld- und Fiskalpolitik rechnet man an den Märkten daher mit einem hohen Wirtschafts- und Gewinnwachstum. Ehrlich gesagt, finde ich das auch plausibel. Noch wichtiger ist aber, dass es sich auch in den Kursen zeigt. Entscheidend ist aber, was nach 2021 passiert.
Lassen Sie mich aber erst zeigen, was die enorme Geldmengenexpansion an den Märkten bewirkt. Betrachten wir die Entwicklung zweier sehr verschiedener Gruppen von Assetklassen vom Märztief bis zum Ende 2020: risikobehaftete Wertpapiere wie Aktien und Credits, und die sogenannten sicheren Häfen (siehe Abbildung im Anhang). Sie legen meist dann zu, wenn die Investoren risikoscheuer werden. Die Wertentwicklung der beiden Gruppen von Assets war 2020 sehr ungewöhnlich. Assetklassen wie Aktien, für die eine hohe Volatilität meist ungünstig ist, sind in der Regel negativ mit Assetklassen korreliert, die wie US-Staatsanleihen und Gold von einer hohen Volatilität profitieren. Doch 2020 legten beide Gruppen stark zu. Das hatte viel mit der überschüssigen Liquidität zu tun, die sich ein Ventil suchen musste. Indem die Notenbanken die Finanzmärkte mit Geld überschwemmten, entfernten sich die Assetpreise noch stärker von den Fundamentaldaten. Doch genau das war beabsichtigt. Man wollte verhindern, dass Investoren Geld verlieren.
Es ist deshalb wichtiger denn je, die Ärmel hochzukrempeln und genau zu schauen, welche Assetklassen sich am stärksten von ihren Fundamentaldaten entfernt haben. Dabei hilft es manchmal, die Dinge etwas zu vereinfachen. Zuerst sollte man überlegen, wie gut ein Unternehmen vor der Pandemie dastand. Wir nehmen deshalb 2019 als Ausgangspunkt – Umsätze, Kosten, Verschuldungsgrad, Nettoeinnahmen etc. Lassen Sie es uns nicht zu kompliziert machen und daher annehmen, dass sich die Gewinne erst 2022 irgendwie normalisieren. Eine frühere Rückkehr zur Normalität ist unwahrscheinlich.
Dann sollte man Fragen stellen: Onlinehändler, die Rekordumsätze erzielten, weil die Menschen zu Hause blieben, könnte man nach ihren Erwartungen für den bereinigten freien Cashflow fragen. Wieviel Umsatz entfiel auf Vorzieheffekte? War die Onlinestrategie vor der Pandemie zukunftsfähig und hat sich das jetzt geändert? Was könnte es für die Kostenstruktur bedeuten, wenn die Politik sich der ungleichen Vermögensverteilung annimmt? Welche Auswirkungen könnten neue Steuergesetze auf die Nachsteuergewinne haben? Wie wird das Unternehmen darauf reagieren, dass viele Länder auf bessere Arbeitsbedingungen in Fabriken drängen? Und schließlich: Was bedeutet all dies für die variablen Kosten und die Gewinnmargen? In jedem Sektor und jedem Land stellen wir andere Fragen, aber stets geht es um Themen, die wichtig sind, wenn wir in einer Welt mit niedrigen Kapitalkosten nachhaltig investieren wollen.
Schlechte Ideen lieben das Dunkel und hassen das Licht
Aufsichtsbehörden, Nichtregierungsorganisationen und Investoren achten zunehmend auf die Geschäftspraktiken. Es wird immer transparenter, wie und mit welchen Rohstoffen Unternehmen produzieren. Manche der früher üblichen Praktiken sind nicht mehr nachhaltig. Sie zu ändern, kann teuer sein und die Gewinnmargen schmälern. Umso wichtiger ist es deshalb, jedes Unternehmen für sich zu analysieren und einzelwertorientiert zu investieren. Dabei sollte man so viele Fundamentalfaktoren wie möglich untersuchen, um sich ein mehrdimensionales Bild von den Gewinnaussichten zu machen.
Wenn die Notenbanken ihre Bilanzsumme so schnell verdoppeln wie in den letzten Monaten, ist das nicht unwichtig, und ich will es nicht kleinreden. Ich glaube aber, dass all diese Liquidität bereits in den Kursen berücksichtigt ist. Unsere Analysen müssen tiefer gehen. Wir müssen unterscheiden – zwischen Firmen, die wir für nachhaltig halten und Firmen, die es nicht sind. Nur so können wir verantwortungsvoll investieren.
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