Kommentar
10:01 Uhr, 13.08.2020

UK-Wirtschaft in der Rezession

Die Wirtschaft Großbritanniens ist im zweiten Quartal deutlich eingebrochen. Shamik Dhar, Chefökonom bei BNY Mellon Investment Management, warnt trotzdem vor zu viel Pessimismus – Anleger sollten negative Nachrichten über die britische Wirtschaft nicht unkritisch hinnehmen:

„Die heute bekannt gegebenen Zahlen verorten Großbritannien im zweiten Quartal in einer Rezession, doch das ist keine neue Erkenntnis. Viele Ökonomen wussten schon seit längerem, dass die Rezession kommen würde. Wichtiger ist, dass Großbritannien das Schlimmste überstanden hat – die Wirtschaft hatte wahrscheinlich schon im April oder Anfang Mai ihren Tiefpunkt erreicht. Der Juni brachte einen deutlichen Aufschwung (um etwa neun Prozent), und auf der Grundlage aktueller Daten wie etwa den Google-Mobilitätsdaten erwarte ich für das dritte Quartal ein starkes Wachstum von über zehn Prozent. Das ist mehr als in den meisten anderen Volkswirtschaften, die im zweiten Quartal weniger deutlich eingebrochen sind. Es besteht ein erheblicher Nachholbedarf: Die Sparquote der britischen Haushalte lag aufgrund des Lockdowns im zweiten Quartal bei etwa 20 Prozent.

Trotzdem bleiben die Aussichten nach wie vor höchst unsicher. Viel hängt davon ab, wie die Pandemie sich weiter entwickelt, aber ich gehe davon aus, dass wir pro Quartal etwa ein Viertel des verlorenen Volumens zurückgewinnen werden.

Konsum- und Unternehmensausgaben

  • Das Ausgabeniveau könnte Mitte 2021 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Hier bin ich etwas optimistischer ist als die meisten Beobachter.
  • Wenn wir dieses Niveau relativ zügig wieder erreichen, dann gibt es keinen Grund, warum nicht auch die Beschäftigung ein hohes Niveau halten sollte. Einige arbeitsintensive Branchen – insbesondere das Gastgewerbe – könnten allerdings hinterherhinken.
  • Im Prinzip sollten andere Branchen Arbeitsplätze schaffen, wenn Verbraucher und Unternehmen wieder mehr Geld ausgeben, aber in welchem Umfang diese Entwicklung die an anderer Stelle verlorenen Arbeitsplätze ersetzen wird, muss sich erst zeigen.

Arbeitslosigkeit

Ich gehe davon aus, dass sich die Arbeitslosenquote Mitte 2021 im Bereich von fünf bis sieben Prozent bewegen könnte, aber das ist zum heutigen Zeitpunkt noch sehr ungewiss.

Weitere Risiken

Sollte der Aufschwung ins Stocken geraten oder deutlich weniger positiv ausfallen als angenommen, dann gehe ich davon aus, dass die Regierung mit weiteren fiskalischen Maßnahmen einspringt und die Beschäftigungs- und Einkommensprogramme ausweitet. Auch könnte die Bank of England gegen Ende des Jahres mit einem verstärkten Quantitative-Easing-Programm einspringen. Aber, und das ist wichtig: An diesem Punkt sind wir noch nicht angelangt.

Brexit

Ein zusätzlicher Joker zum Jahresende ist der Brexit. Ich war lange Zeit weniger pessimistisch als viele andere Wirtschaftsexperten, was die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen angeht, sollte der Brexit in seiner härtesten Variante kommen und insbesondere höhere Handelskosten mit der EU bringen. Doch auch hier bleibt die Unsicherheit sehr groß.“

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