Kommentar
09:04 Uhr, 15.09.2014

Über den Aufstieg und Fall von Weltreichen

„Es gibt keine anderen Welten mehr zu erobern!“ Das waren die letzten Worte von Alexander dem Großen (356-323 v. Chr.)

Als Alexander der Große starb, hinterließ er die erste aus dem europäischen Raum stammende globale Supermacht, deren relativ stabile Verhältnisse im Inneren nach seinem Ableben abrupt durch heftige Verteilungskämpfe beendet wurden.

Die gegenwärtige Situation erscheint insofern ähnlich, als dass die Welt wieder in Riesenschritten Zeiten entgegen entgegenstolpert, die vor allem für westliche Beobachter, mit einem bis vor kurzem unerschütterlichen Glauben an die immerwährende Ausschüttung der liebgewonnenen Friedensdividende, aus mehreren Gründen sehr verstörend wirken.

  1. Die islamische Welt steht vor der Implosion
  2. Russland widersetzt sich immer offensichtlicher dem Diktat der westlichen Ordnung
  3. China übt zunehmend aggressiveren Druck auf seine unmittelbaren Nachbarn aus
  4. Mit dem Iran dürfte in absehbarer Zeit eine neue Nuklearmacht entstehen

Zbigniew Brzeziński, die graue Eminenz unter den amerikanischen Vordenkern, hat die sich aktuell vollziehenden Verwerfungen in einem Interview mit „Foreign Policy“ als historische „noch nie dagewesen“ eingeordnet:

„I would even say that this (the current situation) is historically unprecedented, in the sense that simultaneously huge swaths of global territory are dominated by populist unrest, anger, and effective loss of state control.“

Die USA seien laut Brzeziński nicht mehr in der Lage, die Situation zu kontrollieren, während Europa beinahe gänzlich abzuschreiben ist, und Asien vom langsamen Erwachen des chinesischen Riesen wie versteinert wirkt.

Angesichts dieser dramatischen Worte und der real stattfindenden Umwälzungen ist die Frage nicht ganz unberechtigt, warum die Börsen sich im Großen und Ganzen von politischen Risiken unbeeindruckt davon zeigen, bzw. dieser Thematik in den Medien relativ wenig (sachliche) Aufmerksamkeit zugute kommt.

Nun ist es zwar richtig, dass die politischen Konsequenzen der sich verändernden Weltlage noch weit davon entfernt wirken, sich in den Unternehmensbilanzen zu manifestieren, da bisher weder große Absatzmärkte, noch die globale Ölversorgung gefährdet scheinen.

Doch laut einer in der letzten Woche veröffentlichten und geradezu monumentalen Analyse der Deutschen Bank – unter anderem zu geopolitischen Aspekten - sollten sich Investoren trotzdem dringend mit der Frage stellen, ob die derzeitigen Spannungen wirklich temporärer oder doch eher struktureller Natur sind:

„If we accept that, in terms of global magnitude, geopolitical concerns are at decade highs and are still on the rise then the next question is whether this rise in tensions is temporary or structural in nature?“

Wäre nämlich Letzteres der Fall, dann läge der Verdacht nahe, dass die potentiellen Geo-Risiken an den Börsen momentan fundamental unterbewertet sind:

„If today’s heightened geopolitical concerns are structural in nature, and so are unlikely to dissipate, then it is likely that the market is today fundamentally under-pricing geopolitical risk.“

Was ist der Hauptgrund für strukturelle Veränderungen in der geopolitischen Landschaft?

Um die Frage zu klären um es sich bei den aktuellen Verschiebungen um kurzzeitige Unwetter, oder um den Beginn einer langfristigen Eintrübung handelt, macht es Sinn vergangene Katalysatoren für globale Veränderungen genauer zu beleuchten.

Die Deutsche Bank zum Beispiel argumentiert, dass relative Stabilität immer in Verbindung mit der Vorherrschaft einer mehr oder weniger globalen Supermacht zu bringen ist. Beispielhaft für diese These ist der „Pax Romana“, die rund 200 Jahre andauernde römische Friedenszeit (27 BC - 180 AD), gegen welche selbst die vielbejubelte westliche Nachkriegsordnung doch recht bescheiden wirkt.

Möglich wurde diese große Ära der Stabilität vor allem dadurch, dass den Legionen Roms irgendwann kein ernsthafter Gegner mehr gegenüberstand und die Italiener eine so gewaltige wirtschaftliche Dominanz entwickelten, dass im Jahre 1 nach Christi Geburt über ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung auf das Weltreich entfielen.

Die nächste Supermacht mit einer ähnlichen Potenz war das Britische Empire, welches im Gegensatz zum regional begrenzten Rom erstmals den gesamten Globus umspannte, und nach dem Abschütteln der Rivalen Frankreich, Österreich und Russland für eine nie dagewesene internationale Stabilität sorgte.

Wie die Geschichte lehrt, wurde der „Untergang“ beider Weltreiche begleitet durch eine starke Zunahme der geopolitischen Instabilität und im Falle von Großbritannien mündete der Abstieg sogar in der ultimativen Katastrophe, dem „Großen Krieg“ und einer darauf folgenden Ära der absoluten Unordnung, welche erst durch den Aufstieg neuer Supermächte beendet werden konnte.

Resümee

Beide Beispiele scheinen also die Deutsche Bank-These zu bestätigen, dass relative Stabilität nur unter dem Schirm eines potenten Hegemon zu finden ist und widerlegt die Stimmen, welche ihr utopisches Heil in einer multipolaren Weltordnung finden wollen.

Unter der Annahme dass diese Interpretation der Geschichte schlüssig ist, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob in der modernen Welt Parallelen zur Vergangenheit zu finden sind, und ob die USA dabei sind ihren Status als alleinige Hyperpower zu verlieren.

Dies wiederum wäre dann tatsächlich ein Indiz dafür, der Eintritt in ein neues Zeitalter unter dem Vorzeichen von strukturell gesteigerter Instabilität vollzogen wird, bzw. dass die Beine von politischen Börsen wieder im Wachstum begriffen sind.

Mehr dazu in der Fortsetzung.

11 Kommentare

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  • Simon Hauser
    Simon Hauser Redakteur

    @ Löwe30 Ich glaube schon dass die letzten Jahrzehnte geprägt von unvergleichlicher Stabilität waren. Anders kann ich mir die fantastische Wohlstandsexplosion nach dem Zweiten Weltkrieg kaum erklären.

    @Investor Um eine Supermacht zu sein bedarf es vieler Komponenten das ist richtig. Die Rufe nach einer multipolaren Weltordnung halte ich dem Antiamerikanismus geschuldet und schädlich im Interesse von globaler Stabilität.

    @balkansahel Ich denke eher dass die USA weiterhin dominierend bleiben, aber möglicherweise durch neu aufkommende isolationistische Bestrebungen eine Situation ähnlich wie zwischen den zwei Weltkriegen zum Schaden der Stabilität befördern.

    15:50 Uhr, 15.09.2014
    1 Antwort anzeigen
  • fehu001
    fehu001

    ​Seit Syrien ist auch sogar dem ge-BILD-eten Bürger klar, dass die USA ihren Höhepunkt überschritten haben.

    Begonnen hat das aber schon in den 80-zigern, wo ​​im Hintergrund Weichen gestellt wurden, die schließlich zur Auflösung aller Strukturen führen müssen, die von einer Glaubengruppe im östlichen Mittelmeer weltweit initiiert wurden.

    - Der Warschauer Pakt löst sich auf
    - das Volk bekommt weltweit Zugriff aufs Internet (​​​Info-austausch vorbei an Mairstream)
    - ​Israel outet sich immer mehr als Kriegstreiber und Völkermörder
    - Dollar als Leitwährung ist gefährdet

    Anfangs dachten ja noch die USA, GB und Israel, dass ihr Empire durch die arabisch, islamische Länder abgelöst werden könnte. Darum haben sie 9/11 initiiert, um einen weltweiten Hass auf die arabisch, islamische Bewegung zu leiten.

    Aber der der schwarze Schwan kam undnun wird es offensichtlich, dass sich die Achse D-RUS-CN formiert und das jüdische Weltreich ablösen wird. ​​​​​Was wir in der Ukraine erleben ist der letzte verzweifelte Versuch der zionistischen Bewegungung, diese Achse zu torpedieren. Doch gerade der Russe ist ein "Schach spielender-) Taktiker und die Deutschen lassen sich schon seit ewigen Zeiten nicht mehr in die Karten sehen. Ganz bewusst werden abgetakelte Schießbuden Figuren nach oben als Bundeskanzler, B-Präsindent u.s.w. plaziert, damit man den Harmlosen spielen kann.

    15:20 Uhr, 15.09.2014
  • 1 Antwort anzeigen
  • Investor
    Investor

    ​@Hauser,

    die Hegemonie einer "Supermacht" reicht aus meiner Sicht nicht aus. Es muß auch dazu kommen, daß diese "Supermacht" gleichzeitig die Leitwährung stellt.

    Historisch gesehen, wurde die "Supermacht" in der Regel militärisch besiegt und danach ging die Weltleitwährung an den Sieger über.

    Wenn Sie die letzten Wechsel nehmen, dann war dies Spanien, finanziell gestützt durch Gold und Silber aus Südamerika. Mit dem Untergang der Armada wurde dies England, finanziell gestützt durch Indien. Deren Vorrangstellung ging nach dem 2ten Weltkrieg an die USA über.

    Jetzt wollen China & Russland die Vorrangstellung der USD angreifen. Aus meiner Sicht wird der Konflikt um Afrika ausgetragen werden. Dieses Jahr hat die USA Afrika als das Schlüsselthema sowohl wirtschaftlich als auch politisch erklärt. Dort kommen die USA China in die Quere.

    Die Diskussion um eine multi-polare Welt dient nur dazu, die Vorranstellung der USA in Frage zu stellen. Wenn es mehrere Machtblöcke gibt, dann wurde die Vormachtstellung der einen "Supermacht" beschnitten.

    Die Konfliktfelder werden aus meiner Sicht sein: Rohstoffe und Finanzmärkte. Rohstoffe sind das Lebenselexier von Russland und China während in USA die Finanzindustrie stark ist.

    10:13 Uhr, 15.09.2014
  • Löwe30
    Löwe30

    Die Deutsche Bank-These berücksichtigt jedoch nicht den Blutzoll, den diese "Stabilität" forderte. Der Frieden war doch sehr teuer erkauft.

    Wie sieht es denn heute aus?

    Die Briten und die USA waren in den letzten 60 Jahren in mehr als 250 Kriege verwickelt.

    Kann man das "Stabilität" nennen?

    Um ihre politischer Macht aufrecht zu erhalten haben politische Herrscher im 20. Jahrhundert, je nach Schätzung, rund 170 bis 300 Millionen eigene Bürger umbringen lassen.

    (Quelle: Tod durch Staat, R.J. Rummel: Death by Government, veröffentlicht bei Kellermann-Stiftung – Humanismus und Aufklärung: http://www.demozid.de/toddurchstaat_1.htm )

    Wohl gemerkt, Kriegstote sind da nicht mitgezählt!

    Von Stabilität durch einen Hegemon kann da ja wohl auch nicht die Rede sein. Jedenfalls würde ich unter Stabilität etwas anderes verstehen.

    Regierungen sind die Nummer 1 unter den unnatürlichen menschlichen Todesursachen. Sie sind der Hauptgrund für weltweites menschliches Leid. Je mächtiger sie sind, um so mehr Leid fügen sie den Menschen zu.

    10:06 Uhr, 15.09.2014

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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