Kommentar
16:30 Uhr, 13.01.2023

So lief 2022 für mich und so sehe ich 2023

Die Frage kann unangenehm sein, ist aber notwendig. Also, war ich 2022 ein guter Anleger? Und was ist mein Vorsatz für 2023?

Erwähnte Instrumente

  • iShares J.P. Morgan $ EM Bond UCITS ETF Dist. USD - WKN: A0NECU - ISIN: IE00B2NPKV68 - Kurs: 80,260 € (L&S)
  • iShares $ Treasury Bond 0-1yr UCITS ETF Dist. USD - WKN: A2PBNQ - ISIN: IE00BGR7L912 - Kurs: 4,666 € (L&S)
  • Meta Platforms Inc - WKN: A1JWVX - ISIN: US30303M1027 - Kurs: 136,010 $ (Nasdaq)

Auch wenn ich keinen Trading-Service mache, kommt die Frage immer wieder auf, wie ich investiere und performe. Hier die kommt die Antwort.

2022 war ein spannendes Jahr. Für viele war es gleichzeitig ein schlechtes Jahr. Verluste sind an mir nicht vorübergegangen. 2022 schloss mein Depot mit -3,5 %. Im Vergleich zum Dax (-10 %) und S&P 500 (-19 %) ist das gut. Ein Minus ist es trotzdem.

Im Vergleich zu den meisten Indizes weltweit ist das Minus kleiner. Es hat also eine Outperformance stattgefunden (siehe Screenshot, blaue Linie im Vergleich zu Dax und S&P 500). Das Rezept war relativ einfach. Bis ins Frühjahr hieß das Motto „Rallys für Gewinnmitnahmen nutzen.“ Das habe ich gemacht und so meine Investitionsquote in Aktien von fast 100 % auf zunächst 50 % reduziert.

Im Juni kaufte ich im Rücksetzer Ölaktien. Die Position wurde vor einigen Wochen wieder halbiert. Die gute Performance von Ölaktien hat geholfen, andere Fehlinvestitionen auszugleichen. Davon gab es drei.

Viel zu früh kaufte ich Emerging Markets Anleihen. Der iShares ETF (ISIN IE00B2NPKV68) hatte kein gutes Jahr. Im Rückblick ist klar, wieso. Die Zinswende der Fed stellte sich als aggressiver heraus als ich es erwartet hatte. Je höher die Zinsen in den USA sind, desto interessanter sind Dollaranlagen.

Wer mit US-Anleihen 4 % verdienen kann, geht das höhere Risiko von Emerging Market Anleihen bei 5,5 % Rendite nicht ein. Der ETF verlor seit Kauf etwas über 10 %. Da die Gewichtung im Depot nicht überproportional ist, hielten sich die negativen Auswirkungen in Grenzen.

Zum Teil wurde die negative Performance durch den Kauf von kurzfristigen US-Anleihen kompensiert (ISIN IE00BGR7L912). Das Kursrisiko von Anleihen mit sehr kurzer Laufzeit ist gering. Dafür gibt es derzeit mehr als 4 % an Zinsen.

Eine weitere Fehleinschätzung war der Nachkauf von chinesischen Technologieaktien im Crash zu Beginn des Ukrainekriegs. Eine erste Position im Hang Seng Tech Index hatte ich bereits im August 2021 aufgebaut und zu Kriegsbeginn verdoppelt. Über das Gesamtjahr hat das keine Freude gemacht. Dank der Rally der letzten Wochen ist die Position nun leicht im Plus.

Die Aktien werden weiter gehalten. Chinas Öffnung schreitet voran und die Wirtschaft hat wieder Priorität. Die Regierung stützt die Wirtschaft, den Immobiliensektor und zeigt sich gegenüber Technologieunternehmen wieder weniger restriktiv. Der mittelfristige Ausblick ist positiv.

Die dritte Fehlinvestition war Meta. Ich handle selten Einzelwerte, empfand Meta allerdings als billig. Der Einstieg kam offensichtlich viel zu früh und ob der Kauf noch ein Erfolg wird, könnte sich erst in mehreren Jahren endgültig klären lassen.

Trotz Verlusten bin ich mit 2022 zufrieden. Meine persönliche Benchmarkt, den S&P 500, konnte ich schlagen. 2023 wird schwieriger. Der Ausblick schwankt zwischen Goldilocks (weiche Landung in den USA) und Rezession. Vorerst bleibe ich unverändert investiert. Das mögliche Aufwärts- und Abwärtspotenzial sind ausgeglichen. Wenn man mit gleicher Wahrscheinlichkeit gleich viel gewinnen oder verlieren kann, tut man erst einmal gar nichts.

Mit Blick auf die kommenden Monate gibt es zwei Herausforderungen. Die erste ist strategisch. Der S&P 500 ist meine Benchmark. Mittel- und langfristig ist das Ziel, zumindest keine geringere Rendite zu erzielen. Hat man eine Benchmark, läuft man Gefahr, Entscheidungen zu treffen, die nicht unbedingt die besten sind.

Will ich in einem Jahr zumindest keine Underperformance zeigen, wäre nach der Outperformance 2022 für 2023 eine hohe Investitionsquote in einen S&P 500 ETF sinnvoll. Das garantiert, dass zumindest keine Underperformance gegenüber der Benchmark stattfindet. Das muss aber nicht zu einem Gewinn führen. Jetzt zu 100 % in den S&P 500 zu gehen, wäre eine rein strategische Entscheidung. Sie minimiert das Risiko einer Underperformance gegenüber der Benchmark. Sie maximiert aber nicht die Rendite.

Folgt man den Ratschlägen von Fondsmanagern oder generell Money Managern, ist das ein Punkt, den man als Anleger im Kopf behalten sollte. Geht es um den Vergleich mit einer Benchmark, können Entscheidungen getroffen werden, die nicht notwendigerweise die Rendite maximieren, sondern darauf ausgerichtet sind, die Benchmark nicht underzuperformen.

Ich bin kein Money Manager und ob ich meine persönliche Benchmark schlage oder nicht, ist eigentlich irrelevant. Was mich zur zweiten Herausforderung bringt. Wie maximiere ich die Rendite?

Im Bärenmarkt geht das vor allem durch eine geringe Investitionsquote. Im Idealfall wird zu möglichst niedrigen Kursen gekauft. Gelingt dies nicht, wird investiert, sobald sich ein solider Aufwärtstrend zeigt. Beides ist aktuell nicht der Fall.

Durch eine niedrige Investitionsquote bin ich für eine Fortsetzung des Bärenmarktes positioniert. Kommt es anders, blicke ich in einem Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Underperformance zurück.

Kurzfristig halte ich, was ich habe (Ölaktien, Hang Seng Tech, VanEck Global Mining ETF, Meta, Emerging Markets Anleihen, kurzfristige US-Anleihen, S&P 500 Equal Weight, US Small Caps). Mittelfristig gilt es einen Neujahrsvorsatz umzusetzen: Keine Einzelwerte mehr handeln.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • Sebastian Solter
    Sebastian Solter

    Hallo, Herr Schmale,

    ich lese sie zwar vor allem wegen Ihren Fundamental- und Wirtschaftsanalysen, aber ich finde es sehr ehrenwert, dass Sie Ihre eigene Performance im vergangenen Jahr offenlegen. Die minus 3,5 Prozent können sich sehen lassen, bei mir war der Verlust höher!

    14:23 Uhr, 18.01.2023
  • suntrey
    suntrey

    warum sollte sich denn der Bärenmarkt noch lange fortsetzen? eine Rezession wird ja durch den starken Arbeitsmarkt erstmal nicht kommen, kaufen sie dann wenn der S&P 500 über 4100 Punkten steht?

    21:44 Uhr, 13.01.2023
  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Ihr Vorsatz, keine Einzelwerte mehr zu handeln, verunsichert mich ein klein wenig,
    Gerade Einzelwerte waren die Basis für + 3,72 % in meinem Aktien-Depot in 2022.

    18:16 Uhr, 13.01.2023

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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