Kommentar
14:42 Uhr, 15.01.2016

Saudi-Arabiens IPO: Verzweiflungstat trotz und wegen Ölpreisverfall?

Saudi-Arabien erwägt einen Teilverkauf seiner staatlichen Ölgesellschaft Saudi Aramco über die Börse. Das Land bringt sich damit selbst an die Börse, denn Saudi-Arabien ist de facto Saudi Aramco.

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Der Wirbel um die Ankündigung eines möglichen Börsengangs der saudischen Ölgesellschaft vergangenen Freitag war groß. Nun rätseln alle, und zwar über zwei Dinge: wieso soll Saudi Aramco überhaupt teilverkauft werden und was ist ein solcher Anteil wert? Die Geschäftszahlen sind hohes Staatsgeheimnis, insofern ist eine Bewertung des Unternehmens schwierig. Man kann es dennoch versuchen.

Die Schätzungen über den Wert der Gesellschaft gehen weit auseinander. Es ist teilweise von bis zu 10 Billionen Dollar Marktwert die Rede. Das wäre das 10fache von Exxon Mobil, Chevron, PetroChina, BP, Shell, ConocoPhillips und Statoil zusammen. Die Größenordnung ist also absolut gigantisch.

Für die meisten steht außer Zweifel, dass Saudi Aramco das größte Unternehmen der Welt ist. Es produziert gut 10 Mio. Barrel Öl pro Tag. Die nächstgrößere staatliche Ölgesellschaft ist die iranische Ölgesellschaft mit knapp 4 Mio. Barrel. Saudi Aramco fördert nicht nur Öl, es verarbeitet es auch. Der Konzern besitzt in Saudi-Arabien und weltweit Raffinerien, die Ölprodukte herstellen und weiterverkaufen. Ganz nebenbei ist Saudi Aramco auch noch der viertgrößte Gasproduzent der Welt.

Das Filetstück des Unternehmens ist zweifellos der Upstream Bereich (Ölförderung). Die Jahresproduktion liegt bei knapp 4 Mrd. Barrel. Selbst bei den heute niedrigen Preisen entspricht der Umsatz aus der Ölförderung noch immer 190 Mrd. USD. Im Vergleich zu früheren Jahren wirkt das bescheiden, lag der Umsatz 2013 doch noch bei ungefähr 400 Mrd. USD.

Grafik 1 zeigt den geschätzten Umsatz von Saudi Aramco seit 1980. Als Ausgangslage für die Berechnung dient die jährliche Ölproduktion des Landes. Während die Zahlen von Saudi Aramco selbst nicht bekannt sind, gibt es relativ zuverlässige Produktionszahlen für das Land. Da Saudi Aramco ein Monopolist ist, kommen de facto 100 % der Förderung aus diesem einen Konzern.

Der Umsatz entspricht der jährlichen Fördermenge multipliziert mit dem Weltmarktpreis von Öl. Hier besteht bereits eine gewisse Unsicherheit, da der Weltmarktpreis von Öl nicht unbedingt den realen Verkaufspreis widerspiegelt. Saudi-Arabien schließt Verträge mit Abnehmern, die für gewöhnlich unterschiedliche Preise erhalten. Wie hoch der tatsächliche Preis dann für die gesamte Produktion war, kann man nicht sagen, er dürfte jedoch nicht weit vom Weltmarktpreis entfernt sein.

Viel interessanter als der Umsatz ist die Marge. Diese kennt niemand. Man kann sie jedoch zu schätzen versuchen. Es wird davon ausgegangen, dass die Produktionskosten bei 10 Dollar pro Barrel liegen. Die reinen Produktionskosten sind nur ein Teil der anfallenden Ausgaben. Es müssen hohe Investitionen getätigt werden ebenso wie Ausgaben für den täglichen Geschäftsbetrieb. Grob geschätzt liegen diese Kosten bei weiteren 10 Dollar pro Barrel, sodass Gesamtkosten von 20 Dollar pro Barrel anfallen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Kosten pro Jahr um 5 % steigen.

Führt man diese Datenpunkte und Annahmen zusammen, dann ergibt sich eine Marge von gut 100 Mrd. USD für das Gesamtjahr 2015. 2014, als der Preis für Öl noch deutlich höher war, lag der Betrag bei 250 Mrd. Nach obiger Rechnung wurde der bisherige Rekord im Jahr 2012 mit 334 Mrd. erreicht.

Die Zeiten von dreistelligen Ölpreisen sind erst einmal vorbei. Dennoch kann man davon ausgehen, dass die Marge langfristig bei ungefähr 175 Mrd. liegen dürfte. Die Marge entspricht nicht unbedingt dem tatsächlichen Reingewinn. Die Abzüge nach Produktionskosten, Investitionen und Betriebsausgaben dürften jedoch gering sein. Die Unternehmenssteuer liegt bei 20 %. Wie dieser Steuersatz bei dem Staatsunternehmen und Monopolisten angewandt wird ist nicht klar. Vermutlich läuft alles, was als Gewinn übrig bleibt, sofort in den Staatshaushalt.

Was ist Saudi Aramco nun wert? Die Bewertung des Upstream Bereichs sollte ein 10- bis 15-faches der Bruttomarge betragen. Der Wert läge dann im Bereich von 1,75 bis 2,63 Billionen Dollar. Hinzu kommen noch die Gasproduktion und das Raffineriegeschäft.
Laut eigener Angaben liegt die Produktion von Ölprodukten bei 561 Mio. Barrel pro Jahr. Das entspricht in etwa der Größenordnung von Phillips66 . Die Marge dürfte bei Saudi Aramco jedoch höher sein, da die Inputkosten geringer sind. Der Bereich sollte einen Jahresgewinn von 5 bis 7 Mrd. abwerfen.

Die Gasproduktion liegt in etwa bei einem Viertel dessen, was Gazprom produziert und verkauft. Auch hier dürfte der Gewinn im Bereich von 5 bis 7 Mrd. USD pro Jahr liegen. Insgesamt – ganz grob geschätzt – liegt der Gewinn des Unternehmens bei 150 Mrd. Exxon Mobil wird derzeit mit einem KGV von 20 bewertet. Saudi Aramcos Wert läge dann folglich bei 3 Billionen USD.

Saudi-Arabien erwägt, 5 % des Unternehmens an die Börse zu bringen. Dadurch würden Einnahmen von 150 Mrd. Dollar erzielt werden. Das wiederum entspricht der Finanzierung von immerhin knapp zwei Jahren Haushaltsdefizit. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es jedoch nicht dazu kommen, dass wirklich 5 % von Saudi Aramco an die Börse gebracht werden.

Die Einnahmen und die Margen des Unternehmens sind Staatsgeheimnis. Dieses wird man nicht durch einen Börsengang aufgeben. Vielmehr wird es darauf hinauslaufen, dass Teile des Unternehmens, z.B. Teile des Raffineriebereichs, an die Börse gehen. Es könnten dadurch noch immer 30 bis 50 Mrd. eingenommen werden. Das verschafft dem Staat etwas fiskalische Luft.

Sehr viel mehr als einen kleinen Teil wird der saudische Staat nicht an die Börse bringen, denn Saudi Aramco ist de facto das Land selbst. Grafik 2 zeigt, wie viel der Umsatz des Unternehmens im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ausmacht. Im langjährigen Mittel lag der Anteil zwischen 30 und 50 %. Derzeit wird der wegbrechende Umsatz durch Schulden ausgeglichen. Die meisten Wirtschaften der Ölexporteure schrumpfen gerade mit Jahresraten von 5 bis 15 %. Saudi-Arabien ist dem bisher entgangen, weil sie die fehlenden Öleinnahmen durch Schulden ersetzen.

Ein Teilverkauf kann Saudi-Arabiens Staatshaushalt Luft verschaffen und die Folgen des niedrigen Ölpreises abfedern. Ein Börsengang schafft auch ein klein wenig mehr Transparenz, was das Vertrauen stärken sollte. Ebenso müssen Investoren, sofern der Börsengang in Saudi-Arabien stattfindet, die Landeswährung kaufen, um Anteile erwerben zu können. Werden bis zu 50 Mrd. Dollar in Riyal umgetauscht, dann übt das einen Aufwertungsdruck auf die Währung aus. Das ist hochwillkommen, denn Kapitalflucht stellt die Zentralbank vor die große Herausforderung die Dollarbindung zu gewährleisten. Ein Teilverkauf von Saudi Aramco würde für das Königshaus und die Wirtschaft viele Probleme gleichzeitig lösen.

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4 Kommentare

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  • Jörg Eberlein
    Jörg Eberlein

    Ob es ökonomisch sinnvoll ist oder nicht, die Antwort des "warum" wird ja im Artikel schon mitgeliefert und ist schlüssig.

    20:35 Uhr, 16.01. 2016
  • Subdi
    Subdi

    Ich sehe die Strategie von Saudi-Arabien auch kritisch, aber es ist nun mal so, dass die Saudische Politik derzeit in vielen Punkten auf Konflikt aus ist. Der Gegner Iran wird so geschwächt, und die Saudis haben noch für einige Zeit genug Geld. Das ist ein Machtkampf, bei dem Ökonomie keine Rolle spielt ;-)

    23:21 Uhr, 15.01. 2016
  • Morningstar
    Morningstar

    Ein Ölunternehmen bringt man dann an die Börse wenn a) der Ölpreis hoch ist und b) wenn gerade die weltwirtschaftliche Konjunktur und die Nachfrage nach Öl steigt. Beides ist nicht der Fall, also ist es ökonomisch eher ein schlechter Zeitpunkt. Auch die Strategie mit niedrigen Ölpreisen den Marktanteil hochzuhalten ist Unsinn. Das alles sieht eher nach Hilflosigkeit aus, und alles andere als ermutigend für die Region Naher Osten!! Und im Umkehrschluss für uns...

    17:12 Uhr, 15.01. 2016
  • Subdi
    Subdi

    Ich habe mich über die Meldungen über einen Börsengang auch gewundert, und meine Überlegung war dann die:

    Könnte es sein, dass die Saudis mit dem Börsengang die gleiche Strategie verfolgen wie mit der Produktionsausweitung, nämlich die Konkurrenz zu schwächen?

    Durch die schlechten Gewinnaussichten steht dem weltweiten Ölsektor sowieso nur noch begrenzt Kapital zur Verfügung, und wenn jetzt auch noch ein Teil des begrenzten Kapitals nach Saudi Arabien umgeleitet wird, kommen andere Ölproduzenten noch schneller in Bedrängnis...

    16:19 Uhr, 15.01. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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