Kommentar
15:14 Uhr, 28.02.2022

Russlandsanktionen: Alles andere als zahnlos

Fakten wurden geschaffen, Sanktionen erlassen. Die Sanktionen wurden zum Teil als zahnlos kritisiert. Davon kann nun keine Rede mehr sein.

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Die Liste an Sanktionen ist lang. Dennoch wurde die erste Runde an Sanktionen als zahnlos kritisiert, denn ein Teil der Sanktionen ist eher symbolisch. Der russische Staat kann sich zukünftig in vielen Ländern kein Geld mehr beschaffen. Was auf den ersten Blick wie eine katastrophale Maßnahme klingt, lässt sich auch so beschreiben: Russland kann sich in Ländern kein Geld mehr leihen, das es ohnehin nicht braucht.

Der russische Staat hat eine geringe Verschuldung und wegen hoher Ölpreise dürften die Einnahmen den Finanzierungsbedarf decken. Es ist aber nicht nur der Staat, der von westlichen Kapitalmärkten abgeschnitten wird. Auch viele Unternehmen stehen auf der Liste.

Auch hier gilt: Der im Ausland gedeckte Finanzierungsbedarf ist moderat. An ausländischen Börsen haben sich Unternehmen seit 2014 nur ca. 10 Mrd. USD an Kapital beschafft. Das ist keine Größenordnung, die die russische Wirtschaft zu Fall bringt.

Die Reaktion des russischen Marktes war entsprechend nüchtern. Der Rubel geriet unter Druck, doch von einem Crash konnte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht sprechen. Die Zentralbank hat vermutlich interveniert, sodass das Bild leicht verfälscht ist. Ein Kollaps hat jedoch nicht stattgefunden.

Anders sah es bei den am Wochenende erlassenen Sanktionen aus. Auch die Notenbank fällt unter die Sanktionen. Ihre Möglichkeiten, am Devisenmarkt zu intervenieren, sind daher eingeschränkt. Das führte dazu, dass der Rubel Montagmorgen gegenüber dem Dollar 30 % verlor (Grafik 1).

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Anders sah es auf dem Aktienmarkt aus (Grafik 2). Seit Beginn der Krise hat sich der Aktienmarkt halbiert. Es ist absehbar, dass ausländische Anleger in Zukunft gewisse Aktien nicht mehr handeln können. Bevor das Geld eingefroren ist, wird verkauft. Der Crash ist eine Reaktion auf Sanktionen und die erwartete Einschränkung der Handelbarkeit von Aktien. Wie groß der Crash in der neuen Woche wird, bleibt abzuwarten. Die Notenbank hat die Ausführung sämtlicher Orders von ausländischen Investoren verboten. Dies könnte eine Wiederholung des Crash der vergangenen Woche verhindern.

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Russland hat in den vergangenen Jahren seine Devisenreserven stark ausgebaut (Grafik 3). Zudem wurden Energierohstoffe bisher nicht sanktioniert. Russland nimmt also weiterhin viel Geld ein. Der Geldfluss wird jedoch stark behindert. Einige Banken wurden vom internationalen Zahlungsdienst SWIFT ausgeschlossen. Transaktionen werden erschwert.

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Die eingeschränkte Nutzung von SWIFT und eine sanktionierte Zentralbank machen Devisenreserven zwar nicht wertlos, aber ihr Nutzen ist stark eingeschränkt. An diesen Sanktionen ist nichts mehr zahnlos. Russland muss sich auf eine gravierende Wirtschaftskrise einstellen.

Die am Wochenende erlassenen Sanktionen sind bemerkenswert, da sie auch den Ländern schaden, die sie erlassen. Europa und der Rest der Welt benötigen russische Rohstoffe. Den Handel deutlich zu erschweren zeigt, dass man bereit ist, auch der eigenen Wirtschaft zu schaden. Nicht zuletzt deswegen reagierte Russland sehr gereizt. Es rechnete nicht damit, dass der Westen so weit gehen würde.

Dennoch kann die Welt auf Russland als Rohstofflieferant nicht verzichten. Bei vielen Rohstoffen ist der Weltmarktanteil zweistellig. Direkt nach Kriegsbeginn schossen die Preise vieler Rohstoffe nach oben. Einige, wie Aluminium, erreichten neue Allzeithochs. In den Folgetagen relativierte sich der Preisauftrieb wieder, weil realisiert wurde, dass man auf diese Rohstoffe aus Russland nicht verzichten kann.

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Da die Wirtschaftssanktionen nun sehr weitreichend sind und Russland immer weniger zu verlieren hat, kann es den Export einschränken. Das ist eine weitere denkbare Eskalationsstufe. Die Welt geht auch damit nicht unter, doch kurzfristig ist es ein neuer Schock, der auch am Aktienmarkt verdaut werden muss.

Die neu erlassenen Sanktionen sind für die russische Wirtschaft sehr bedrohlich. Die zuvor beschlossenen Maßnahmen höhlen die Wirtschaft zudem langfristig aus. Exportstopps von Hochtechnologie verhindern, dass die Wirtschaft mit dem Rest der Welt mithalten kann. Kritische Bereiche, auch das Militär, verwenden westliche Technologie. China kann nicht einspringen. Es ist selbst auf bestimmte Technologie aus den USA angewiesen.

Die Sanktionen sind sehr weitreichend und alles andere als zahnlos. Zum einen wird damit genau das erreicht, was bisher angezweifelt wurde (dass man Russland durch Sanktionen empfindlich treffen kann). Zum anderen drängt es Russland mit dem Rücken zur Wand und man kann schlichtweg nicht abschätzen, was in dieser Situation geschieht.

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  • Glaube wir machen uns da was vor. Russland wird sein Gas und Öl nach China liefern und die Technologie von dort bekommen. Der Rubel wird sich durch die Goldanbindung und Zahlungen in Landeswährung wieder erholen. Russland hat sich zusammen mit China gut vorbereitet. Wenn China aktiv wird (größter Gläuber der der USA) dreht sich das Spiel um

    18:39 Uhr, 30.03.2022
  • mariahellwig
    mariahellwig

    "Kritische Bereiche, auch das Militär, verwenden westliche Technologie"

    Das kann man so sagen. Ausser einem simplen Gewehr funktioniert kein Waffensystem mehr ohne Halbleiter.

    17:24 Uhr, 28.02.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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