Kommentar
10:31 Uhr, 17.12.2014

Russland so gut wie bankrott

Nachdem der Rubel gestern intraday bis zu 25% nachgegeben hat und der Aktienmarkt zwischenzeitlich 20% eingebrochen ist, sieht die Sache vollkommen klar aus. Für die Saxo Bank war die Sache schon vor einigen Wochen klar. Sie gibt immer radikale Jahresprognosen.

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Was diese Woche bereits alles passiert ist, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das sieht man wirklich nicht häufig. Ein Aktienmarkt, der 20% nachgibt (dann aber wieder die Hälfte aufholt), zeigt blanke Panik an. Etwas ähnliches gab es 2008 und davor sehr lange Zeit nicht. In den westlichen Märkten hat man so etwas fast noch nie gesehen. Das ist schon fast ein Jahrhundertereignis. In Emerging Markets sieht man es vielleicht alle 10 Jahre einmal.

Der Aktienmarkt ist eine Sache, die Währung eine andere. In der Asienkrise konnte man zuletzt solche enormen Bewegungen beobachten. Alltäglich ist das wirklich nicht. Aktienmarkt und Währung lassen sich sicherlich nicht komplett trennen. Im Normalfall sind Währungen etwas stabiler als der Aktienmarkt. Davon kann hier überhaupt keine Rede sein. Der Rubel ist förmlich am kollabieren. Daran hat die Zinsanhebung auf 17% nichts geändert. Das hat gestern intraday zu einer Gegenbewegung geführt, die heute wieder komplett verpufft ist.

Wenn man die Bewegung im Wechselkursverhältnis mit früheren Beispielen vergleicht, dann bleibt nur ein Schluss übrig: Panik und Kollaps. Im Kern steht die Frage, ob sich ein Land halten kann, wenn die Währung nichts mehr wert ist. Einerseits steigt die Inflation rasant an, andererseits verstärkt sich die Abwärtsbewegung ab einem gewissen Punkt von allein. Diesen Punkt haben wir spätestens Ende vergangener Woche erreicht. Es flüchtet, wer noch flüchten kann. Die Flucht hat letztlich in der Asienkrise zum Bankrott vieler Länder geführt. Auslandschulden in fremder Währung steigen mit der Abwertung der eigenen Währung ins Unermessliche. Dazu kommen immer höhere Zinsen im eigenen Land, weil die Zentralbank durch Zinserhöhungen versucht die Währung zu stabilisieren.

Russland ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern, die kollabiert sind, ein Sonderfall. Der Staat ist mit 13% der Wirtschaftsleistung verschuldet. Selbst wenn ein Teil davon nicht in Rubel ist, ist das einfach zu wenig, um wirklich bankrott zu gehen. Bankrott kann der Staat nur gehen, wenn er die Devisen nicht mehr hat, um die Schulden zu begleichen. Noch hat Russland aber über 400 Mrd. USD. Ein Staatsbankrott wäre ziemlich absurd. Wenn es passiert, dann nicht aus Notwendigkeit, sondern vielleicht aus Trotz.

Medien berichten gerne, dass die Regierung die Öleinnahmen braucht, um sich finanzieren zu können. Das ist richtig. Der Rubel verliert allerdings mehr als Öl. Das hat zuletzt dazu geführt, dass die Regierung einen ordentliches Budgetüberschuss vermelden konnte. Wie sich das Budget je nach Wechselkurs entwickelt zeigt die Grafik. Bleiben die Ausgaben in Rubel konstant, schwanken sie in USD. Am Anfang der Krise bei einem USD/RUB Kurs von 30 lag das Budget noch bei 700 Mrd. USD. Inzwischen ist es bei nur noch bei 325 Mrd. USD. Wenn dem Staat wegen geringer Ölpreise die Hälfte des Dollarbudgets abhanden kommt, dann macht das gar nichts.

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Problematischer ist die Lage der Unternehmen. Diese kämpfen mit hohen Zinsen und Mangel an Devisen. Unternehmen müssen in die Insolvenz gehen oder vom Staat gerettet werden. Wenn der Staat zu viel retten muss, dann ist die solide Haushaltslage natürlich passé. So weit ist es noch nicht und so weit muss es auch nicht kommen. Trotzdem spitzt sich die Lage zu. Der Währungskollaps muss nicht zwangsläufig zum Default und Währungsreform führen. Historisch hat sich das selten oder nie verhindern lassen.

Parallelen zu früheren Krisen sind vorhanden, die Ausgangslagen sind allerdings doch andere. Die Geschwindigkeit der Zuspitzung lässt den Schluss zu, dass es bald zu einem Ende kommen wird, so oder so. Viele gehen davon aus, dass das Ende der Bankrott ist. Zu viel Geld würde ich darauf nicht verwetten.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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