Kommentar
18:27 Uhr, 09.02.2015

Russland in der Krise: Was ist der Status Quo?

Merkollande (Merkel und Präsident Hollande) wollen den Ukrainekonflikt lösen. Russland kommt diese Initiative wahrscheinlich ganz gelegen. Wirtschaftlich werden die Wolken nämlich immer dunkler. Eine Beilegung des Konflikts im ersten Halbjahr 2015 könnte das Ruder noch einmal herumreißen.

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Seit der dramatischen Rubelabwertung im Dezember hat man zur Lage der russischen Wirtschaft nicht mehr viel gehört. Zugegeben, es ist auch an der Währungsfront ein klein wenig ruhiger geworden. Eine Abwertung von über 20% an einem Tag hat es seit 6 Wochen nicht mehr gegeben. Dafür wertete der Rubel nach einem Short Squeeze, der Turbulenzen gebracht hat, etwas „gemütlich“ wieder ab. Seit dem kurzzeitigen Anstieg im Dezember hat die Währung schon wieder fast 30% verloren und schloss vergangene Woche auf dem zweittiefsten Stand seit der Währungsreform. Vordergründig mag Ruhe herrschen. Von einer Stabilisierung oder Trendumkehr ist allerdings noch weit und breit nichts zu sehen.

Die Devisenreserven schmelzen weiter in hohem Tempo dahin. Zu den besten Zeiten hatte Russland einmal 600 Mrd. USD an Reserven (Grafik 1). Bevor die aktuelle Krise begann waren es ca. 540 Mrd. Aktuell sind es noch 385 Mrd. Ein Großteil davon, knapp 100 Mrd., sind in den vergangenen 6 Monaten abgebaut worden. Geht das in diesem Tempo weiter, dann kann man sich schnell ausrechnen wann Russland die Luft ausgeht.

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Grundsätzlich scheinen sowohl Politik als auch die Zentralbank resistent gegenüber Bankrottüberlegungen zu sein. Die Gelassenheit ist bemerkenswert angesichts eines Schuldenberges von 680 Mrd. im Ausland (Grafik 2). Die Schulden werden nicht heute und nicht morgen alle gleichzeitig fällig. Dennoch kann man auch hier schnell rechnen: 680 Mrd. USD Schulden und nur 385 Mrd. an Reserven. Um die Schulden zurückzahlen zu können müsste ein sehr hoher Rubelbetrag in Dollar gewechselt werden. Man kann sich vorstellen wo der Rubelkurs dann stünde.

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Der Wechselkurs scheint der Regierung und der Notenbank beinahe egal zu sein. Nach anfänglichen Versuchen eine Stabilisierung herbeizuführen wurden sämtliche Versuche nun aufgegeben. Die Zentralbank führt noch ganz vereinzelt Interventionen durch. Diese sind allerdings bestenfalls homöopathisch. In der vergangenen Woche wurde sogar der Leitzins wieder gesenkt. Die Zentralbank schraubt diesen um 2 Punkte von 17 auf 15% herunter. Das wird eine Rezession auch nicht verhindern, es ist aber ein Signal, dass die Notenbank die Zinsen nicht bis in alle Ewigkeit anheben wird, nur um die Währung zu stabilisieren. Man kann sogar davon ausgehen, dass die Zinsen in den kommenden Monaten sogar weiter fallen werden.

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Die Währung wird dadurch weiter geschwächt. Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Je geringer der Außenwert des Rubels ist, desto teurer werden Importe. Das erhöht kurzfristig die Inflation. Mittel- bis langfristig führt es zu einem Rückgang der Importe. Russland hat zwar bereits Importe begrenzt, doch insgesamt gehen die Importe nur unwesentlich zurück. Die Exporte fallen derzeit deutlich schneller als die Importe. Sofern sich der Ölpreis nicht erholt wird die Tendenz fortbestehen. Die derzeit noch positive Handelsbilanz könnte schnell ausgeglichener werden.

Wie schnell das gehen kann lässt sich ausrechnen. Es stehen bisher Daten zum Ölexport und den Exportpreisen für das dritte Quartal 2014 zur Verfügung. Bis einschließlich dem dritten Quartal wurde Öl im Wert von über 120 Mrd. USD exportiert. Der zugrunde liegende durchschnittliche Preis lag bei über 100 USD. Pro Jahr kamen so bisher gut 150 Mrd. USD in die Kassen. Geht man für 2015 nun von einem durchschnittlichen Ölpreis von 60 USD pro Barrel aus und unterstellt, dass die Exportmenge konstant bleibt, dann verdient Russland nur noch gut 90 Mrd. USD. Damit wird die Handelsbilanz noch nicht negativ, sie könnte sich allerdings halbieren. Das sieht man auch nicht jeden Tag.

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Zu guter Letzt verliert Russland gerade die wichtigen Investitionen aus dem Ausland. Obwohl die Krise schon länger andauert floss im ersten Halbjahr 2014 noch viel Kapital nach Russland. Die ausländischen Direktinvestitionen (FDI – Foreign Direct Investment) lagen im ersten Halbjahr noch bei knapp 24 Mrd. USD. Seit zwei Quartalen sind sie negativ. Es fließt damit effektiv Geld ab. Bisher konnte die russische Wirtschaft auf 40 bis 70 Mrd. USD Zufluss pro Jahr hoffen – Geld, welches z.B. in den Bau von Produktionsanlagen gesteckt wurde. Das fehlt nun vollkommen und macht es nicht gerade leichter eine Rezession abzumildern.

Es wird aktuell vielleicht weniger über die russische Wirtschaft berichtet, aber das bedeutet nicht, dass es hier keine Story mehr gibt. Ganz im Gegenteil sogar. Der Abschwung erreicht wohl erst im ersten Halbjahr 2015 seinen Höhepunkt – Merkollande hin oder her. Dennoch zeigen sich erste, positive Auswirkungen auf die Währung und die Aktien. Es ist nicht klar, ob das an der neuen Initiative aus der Politik oder am wieder steigenden Ölpreis liegt. Steigt der Ölpreis oder wird eine politische Lösung gefunden, dann drehen die Vorzeichen wieder sehr schnell. Obwohl das Tal sicherlich noch nicht erreicht ist, könnte für Aktien und Währung noch im Februar die große Trendwende anstehen.

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  • Garten
    Garten

    ​Falls den Russen das Geld ausgeht hilft wahrscheinlich China mit Devisen. Russland muss nicht beim IMF oder der Weltbank betteln. Insofern sind die Gefahren wohl gering.

    22:00 Uhr, 09.02.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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