Kommentar
13:44 Uhr, 07.08.2014

Ramponieren die Bären das sogenannte Goldlöckchen-Wirtschaftsumfeld?

Die globalen Aktienmärkte gerieten im zweiten Quartal 2014 zwar zunächst ins Stocken, legten dann jedoch zu. Das globale Wirtschaftswachstum ist noch recht anfällig, und geopolitische Spannungen nehmen zu. Dennoch haben die Zentralbanken weltweit unserer Ansicht nach ein „Goldlöckchen“-Szenario für Aktien geschaffen. Die Inflation ist gering, und die Weltwirtschaft steht zwar auf schwachen Füßen, erholt sich jedoch. Die Anleger sind dahingehend beruhigt, dass die lockere Geldpolitik riskanten Anlagen wie Aktien weiter Auftrieb gibt. Das könnte sich jedoch ändern.

Vielleicht kommt es zumindest in Großbritannien und den USA schon nächstes Jahr zum geldpolitischen Kurswechsel. Die britische Konjunktur gewinnt an Fahrt. Die Bank of England hat angedeutet, dass sie 2015 als erste große Zentralbank die Zinsen erhöhen könnte. Die US- Notenbank Federal Reserve (Fed) hat in unseres Erachtens sehr vorsichtigen Formulierungen ebenfalls durchblicken lassen, dass Ende 2015 eine Normalisierung der US-Zinsen einsetzen könnte. Sehr viel deutlicher hat die Fed gemacht, dass ihr Anleihenkaufprogramm Ende 2014 auslaufen wird. In Europa springt die Konjunktur allerdings langsamer an als anderswo, was die Europäische Zentralbank zu weiteren Liquiditätsmaßnahmen veranlasste in der Hoffnung, die Erholung in Schwung zu bringen. Die Bank of Japan wiederum, die im letzten Jahr äußerst aktiv war, hielt sich im zweiten Quartal zurück, während sie auf weitere Daten zu den Effekten der erhöhten Verbrauchsteuer auf die Wirtschaft wartete.

In den letzten Monaten haben wir deutlich unsere Enttäuschung über die Untätigkeit von Premierminister Shinzo Abe bezüglich des sogenannten dritten Pfeils seines „Abenomics“- Programms zur Wirtschaftsreform zum Ausdruck gebracht. Der erste Pfeil bestand in einer Lockerung der Geldpolitik, der zweite in einer Runde fiskalpolitischer Anreize. Doch nach langem Warten spricht Abe endlich davon, den dritten Pfeil abzuschießen – die Strukturreformen. Soweit wir das beurteilen können, schwebt ihm vor, japanischen Unternehmen in kleinen Schritten eine bessere Corporate Governance nahezubringen. Diese Schritte zielen auf Aspekte ab, über die wir und andere Anleger schon lange klagen – unter anderem auf den Abbau von Überkreuzbeteiligungen – sowie auf die verstärkte Einstellung von Frauen und auf Lohnerhöhungen zur Ankurbelung der Konjunktur.

Im Gegenzug hat Abe den Unternehmen versprochen, zumindest den Regelsatz für die Körperschaftssteuer zu senken, der so hoch ist wie in kaum einem anderen Industrieland. Wir finden diese Pläne zwar anerkennenswert und vernünftig, sind jedoch nicht überzeugt, dass niedrigere Steuern Unternehmen genügend Anreiz bieten, Abes Reformen mitzutragen. Derzeit werden die meisten Großunternehmen in Japan (und weltweit sowieso) insgesamt unter dem offiziellen Satz besteuert. Unseres Erachtens brauchen die Managementteams mehr Impulse, um ihre tief verwurzelte Unternehmenskultur zu verändern und den Status quo aufzugeben.

Wir haben zwar erneut beunruhigende geopolitische Risiken wahrgenommen, vor allem in der Ukraine und im Irak, doch die globalen Aktienmärkte funktionieren offenbar in dem Glauben, dass die globalen Zentralbanken ein günstiges Umfeld für Aktien geschaffen haben. Am Ende des zweiten Quartals weisen die Markterträge allem Anschein nach darauf hin, dass viele das aktuelle Umfeld „genau richtig“ finden – bei gedämpfter Inflation, einer vernünftig getakteten Normalisierung des BIP-Wachstums und freundlicheren Bedingungen, die sich durch höhere Unternehmenserträge und geringere systematische Risiken für das Finanzsystem auszeichnen, da sich die Banken offenbar seriöser verhalten als vor der Finanzkrise. Ferner stellen wir erneut fest, dass die globalen Aktienmärkte in den vergangenen drei Jahren keine größere Korrektur erlebt haben.

Obwohl wir die Märkte am Ende des zweiten Quartals für einigermaßen voll bewertet halten, ist ein umfassender Rücksetzer auf kurze Sicht unseres Erachtens nicht so dringend angezeigt, weil eine fortgesetzte interne Rotation stattgefunden hat – aus Sektoren und Industrien, die in den letzten Monaten zugelegt haben, in solche, die nicht mithalten konnten. In 2013 noch unpopulären Marktsegmenten wie Energie haben wir sogar eine Erholung verschiedener Aktien beobachten können, während die ertragsstärksten Branchen des letzten Jahres, darunter Online-Einzelhandel, Medien und Biotechnologie, dahindümpelten oder auch nachgaben. Unserer Ansicht nach legten viele dieser Aktien auf kurzfristige Meldungen hin kräftig zu. Dem lagen jedoch nicht unbedingt veränderte langfristige fundamentale Voraussetzungen für die Unternehmen zugrunde. In Verbindung mit der lockeren Geldpolitik der Zentralbanken spricht diese laufende Rotation nach unseren Erwartungen dafür, dass die Investoren das Klima weiterhin weder zu heiß noch zu kalt finden. Wir rechnen daher für das zweite Halbjahr mit einer Aufwärtstendenz der globalen Aktienmärkte.

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