Pioneer warnt vor zunehmendem Auseinanderfallen von Märkten und Fundamentaldaten
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„Mind the gap“ – dieser Hinweis soll in der Londoner U-Bahn verhindern, dass sich Fahrgäste in dem Spalt zwischen der Tür und der Bahnsteigkante verletzen. Giordano Lombardo benutzt in seinem jüngsten CIO Letter diese Analogie, um vor der zunehmenden Diskrepanz zwischen der Entwicklung der Märkte und der Realwirtschaft zu warnen. „Nichts scheint unmöglich in der fantastischen Welt des Gelddruckens und des Quantitative Easing“ – schreibt Lombardo – „aber am Ende werden die auseinanderstrebenden Muster wieder zusammengeführt werden müssen“.
Das Risiko einer Blasenbildung sieht er vor allem in den meisten Rentenmärkten und in einigen Aktienmärkten; namentlich der amerikanische Markt zeige überdehnte Bewertungen. „Das Problem mit den Blasen ist nur, dass es sehr schwierig ist, vorauszusehen, wann genau sie platzen“, so Lombardo. Immerhin sei der Begriff von der „irrational exuberance“ schon im Jahr 1996 geprägt worden, aber die Märkte seien noch gut drei Jahre weiter gestiegen.
Obwohl die Weltwirtschaft seit der Finanzkrise viel an Boden gut gemacht habe, sieht Lombardo – vor allem in der Eurozone – immer noch strukturelle Probleme. So sei der Schuldenberg seit 2007 nicht etwa kleiner geworden, sondern sogar noch gewachsen. Er habe sich nur verschoben: vom Privatsektor zum öffentlichen, von den Finanzunternehmen zu den anderen. Im Verbund mit den Anstrengungen der drei „keynesianischen“ Zentralbanken Fed, BoE und BoJ sei damit zwar die Inflation angekurbelt worden – aber eben eine Inflation der Vermögenspreise, mit all den negativen Konsequenzen wie zunehmender Ungleichverteilung von Einkommen und Reichtum und reduzierter Kaufkraft der Mittelschicht.
Der daraus resultierende Mangel an Nachfrage sei vor allem ein Problem der Eurozone, weshalb EZB-Präsident Mario Draghi auch zu einem Mix aus drei verschiedenen Politiksträngen aufgerufen habe: lockere Geldpolitik, fiskalische Impulse durch langfristige Infrastrukturinvestitionen und angebots¬orientierte Reformen auf Länderebene. Lombardo ist jedoch skeptisch: Die Geldpolitik habe ihre Instrumente weitestgehend ausgeschöpft, Konjunkturprogramme seien umstritten und für Reformen fehle der politische Wille.
Für Anleger in Europa müsse das zunächst gar nicht so schlimm sein, tröstet Lombardo. „Wir dürfen nicht vergessen, dass Zinsen von einem Prozent bei Null Prozent Inflation eine positive Realverzinsung bedeuten. Wenn das Deflationsszenario immer wahrscheinlicher wird, ist das kein schlechter Deal.“ Aber, so gibt er zu bedenken, in einem Szenario des Nullwachstums sei die Gefahr groß, dass sich die Risikoaufschläge der Länder, die sich nicht reformiert haben, am Ende als zu niedrig erwiesen.
Auf der Aktienseite könnten zunächst eine weitere Abwertung des Euro und der nach wie vor bestehende Nachholbedarf auf die Bewertung der US Aktien hilfreich sein. „Aber auch hier ist das Risiko natürlich, dass die momentane Differenz zu einer strukturellen wird, wenn sich die Rahmenbedingungen in Europa nicht verbessern.“ Lombardo bleibt trotzdem „long“ in europäischen Aktien bleibt, denn: “Alle denkbaren Überraschungen – ein starkes Konjunkturprogramm oder starke Reformen – wirken positiv, das Deflationsszenario ist weitgehend eingepreist.“
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