Panik-Käufe bei Erdgas
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Rotterdam/ London (Godmode-Trader.de) - Am niederländischen Handelspunkt „TTF“ wurde am Montag eine Megawattstunde (MWh) temporär für 345 Euro gehandelt – ein Plus von rund 60 Prozent zum Vortag. Erst am Freitag hatte der Erdgaspreis ein historisches Hoch erreicht und erstmals die Marke von 200 Euro pro Megawattstunde überwunden. Zum Vergleich: Noch zu Beginn vorvergangener Woche notierte der Preis unter 70 Euro/MWh, vor einem Jahr bei 15 Euro/MWh.
Das neuerliche Beben an den Märkten lösten zu Wochenbeginn die Gedankenspiele um einen Markt-Ausschluss russischer Energie-Importe aus. Vertreter der US-Regierung hatten einen Embargo für russisches Öl und Gas ins Spiel gebracht. „Wenn der Westen den Großteil russischer Energie-Exporte verhindert, wäre das ein großer Schock für die Märkte, warnte Ethan Harris, Chef-Volkswirts der Bank of America. Ein weiterer Experte befürchtet noch Gravierenderes: „Bei einem Verbot von Energie-Importen werden wir kurzfristig in eine Situation kommen, in der die Regierungen bestimmte Rohstoffe rationieren müssen", zitierte Reuters Elwin de Groot, Chef-Anlagestratege der Rabobank.
Bislang kommen rund 40 Prozent von Europas Erdgas-Importen aus Russland. Energiemarktexperte Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool sprach von einer Panikstimmung an den Märkten. Dahinter stehe die Sorge vor einer Versorgungsunterbrechung, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Befürchtet würden etwa eine technische Unterbrechung des Pipeline-Transports durch die Ukraine infolge von Kriegshandlungen, eine Liefer-Einstellung durch Russland oder ein Abnahmestopp durch die Importländer. Huneke geht allerdings davon aus, dass der Preis wieder sinkt, wenn es Hinweise von ukrainischen Gasnetzbetreibern oder von der russischen Staatsführung gebe, dass die Gasinfrastruktur vom Krieg ausgenommen werde.
Auch Markus Barella vom Beratungsunternehmen First Energy sprach von einer "Paniksituation". Die Preise befänden sich definitiv auf einem Allzeithoch. „Das hat es so noch nicht gegeben", sagte er. Auch die Preise für Gaslieferungen in den nächsten Quartalen seien massiv nach oben gegangen. Der Energiemarktexperte rechnet mit massiven Auswirkungen. So könnten schon jetzt manche mittelständische Unternehmen kaum oder gar kein Gas mehr kaufen, weil viele Lieferanten aus Gründen der Risikovermeidung einen Vermarktungs- und Vertriebsstopp verhängt hätten.
Da momentan weiterhin Erdgas via Pipeline aber in unveränderter Menge aus Russland Richtung Westeuropa exportiert wird, erscheinen die Marktbewegungen aus Sicht von Ulrich Stephan von der Postbank „auf kurze Sicht übertrieben“. Mittelfristig stelle sich die Herausforderung, die Erdgasspeicher vor dem kommenden Winter aufzufüllen. Dies könnte besonders durch Käufe von Flüssiggas (LNG) erfolgen, das beispielsweise in den USA weniger als ein Zehntel des aktuellen europäischen Preises kostet. Erdgas könnte noch eine Weile teuer bleiben, so Stephan. Marktteilnehmer erwarteten erst mittelfristig eine gewisse Entspannung.
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