Kommentar
08:49 Uhr, 13.04.2015

NO CASH: Kommt die Abschaffung des Bargeldes?

Die Abschaffung von Bargeld wird kommen, das wird immer offensichtlicher. Die Diskussion wird dabei nicht mehr nur von Ökonomen in ihren Elfenbeintürmen, oder der progressiven Blogosphere angeführt, sondern wurde gestern sogar von Citi Research forcier

Auf 21 Seiten drängen Willem Buiter, der sich schon vor einigen Jahren für die „Gesell-Solution“ ausgesprochen hatte und Ebrahim Rahbari zu diesem Schritt, für den es allerhöchste Zeit sei.

Auch ihnen ist nämlich der „Effective Lower Bound“ (ELB), die effektive Zinsuntergrenze, die aufgrund der Carry-Kosten von Cash bei etwas unter 0% vermutet wird, immer mehr ein Dorn im Auge.

Die Abschaffung von Bargeld könnte den Zentralbanken dabei neuen Spielraum eröffnen, und würde umständliche Notlösungen wie „Large Scale Asset Purchases“ (LSAPs), welche zunehmend Risiken für die Finanzmarktstabilität bergen, überflüssig machen.

Nach Ansicht von Citi kann die ELB-Hürde entweder über die Auflösung von Geld, dessen Besteuerung, oder über die Einführung eines flexiblen Umtauschkurses zwischen Banknoten und Einlagen beseitigt werden.

Buiter und Rahbari weisen deutlich darauf hin, dass negative nominale Zinsen dabei keinesfalls unnatürlich sondern höchstens ungewöhnlich sind, da die eher unsichtbaren Realzinsen durchaus öfter in den roten Bereich absinken:

There is nothing unnatural about negative nominal interest rates. Negative real interest rates – nominal interest rates corrected for expected or actual inflation – are quite common and not subject to an effective lower bound, provided there is no upper bound on (expected) inflation.

Wie eingangs erwähnt, hält Citi grundsätzlich 3 Wege für gangbar. Einmal wäre da die ultimative Abschaffung von Bargeld, die zwar naheliegend wäre, jedoch eine Reihe von Nachteilen eröffnen würde:

  1. Der Bevölkerung wären große Verhaltensänderungen zuzumuten, da Cash vor allem bei kleinen Transaktionen, ärmeren Bevölkerungsschichten und älteren Menschen noch große Relevanz besitzt.
  2. Den Zentralbanken würde eine signifikante Summe an Münzerlösen verloren gehen.
  3. Die Abschaffung würde erhebliche Einschnitte in die Freiheitsrechte verursachen, und der Regierung exzessives Eindringen in die Privatsphäre ermöglichen.
  4. Die vollständige Umstellung auf elektronisches Geld erzeugt neue Sicherheitsrisiken („anything that can be programmed can probably be hacked“).

Bezeichnenderweise halten die Experten Punkt 3, die Eliminierung der Privatsphäre, für einen lohnenswerten Preis, da auf der anderen Seite die Austrocknung der Schattenwirtschaft beziehungsweise der Kriminalität, sowie vermehrte Steuereinnahmen stehen:

But this cost has to be seen against the cost that the anonymity of currency presents to society. Even though hard evidence is hard to come by, it is very likely that the underground economy and the criminal community are among the heaviest users of currency. Evidence consistent with this hypothesis includes the fact that high-denomination notes account for a rather large share of total currency outstanding. In our view, the net benefit to society from giving up the anonymity of currency holdings is likely to be positive (including for tax compliance).

Eine weitere Möglichkeit zur Beseitigung der Zinsuntergrenze liegt in der Besteuerung von Cash nach Vorbild von Silvio Gesell. Die Umsetzung dieser Variante wäre jedoch kostspielig und aufwendig, da die Geldscheine beispielsweise gestempelt werden müssten und die Einhaltung der Regeln streng überwacht werden sollte.

The problem with taxing or stamping currency is that it is likely to be awkward, intrusive and probably even costly. Sanctions for non-compliance (confiscation of unstamped bank notes, fines, imprisonment or worse) are likely to be necessary to enforce that the required interest/taxes be paid on currency holdings.

Ein dritter Mechanismus zur Eliminierung des ELB wäre die Abschaffung des fixen Umtauschkurses zwischen Zentralbankreserven und Bargeld.

Dabei setzt die Zentralbank einen sogenannten „Crawling Peg“, d.h. wenn der Leitzins beispielsweise bei -5% liegt, dann können 100 Dollar Cash zum nächsten Zeitpunkt der Einzahlung nur noch in 95 Dollar Reserven eingetauscht werden.

Für einen rationalen Marktteilnehmer macht es in diesem Fall keinen Sinn mehr, sich zu einem Zins von -5% zu verschulden nur um das Geld in Bar abzuheben.

Nachteil dieser Lösung wäre, dass es zu einer Flucht aus dem Reserven-System und rein in Cash kommen könnte. Die Menschen könnten sich also dazu entscheiden ihr Geld einfach nicht mehr einzahlen, da es an Wert verlieren würde. In der Folge würde sich eine in gewissem Sinne „alternative“ physische Währung entwickeln.

Laut Buiter und Rahbari könnte dieser Entwicklung aber vorgebeugt werden, indem die Regierung Gehälter per Überweisung bezahlt, und Steuern nur noch elektronisch entrichtet werden dürfen.

Für Citi sind die Gedanken bezüglich der Abschaffung von Bargeld keinesfalls mehr nur theoretische Spielereien, sondern eine dringend nötige Voraussetzung, um der nächsten Krise begegnen zu können, da riskante Operationen wie „Quantitative Easing“ aus mehreren Gründen in Zukunft keine Optionen mehr sein werden:

  1. LSAPs ermuntern die Blasenbildung.
  2. QE stellt eine signifikante Umverteilung von unten nach oben dar.
  3. Die hochvolumigen Ankäufe sind ein drastischer Eingriff in die freien Märkte.
  4. Die Kosten von QE schaden der Legimitation der Zentralbanken und könnte früher oder später zu einem öffentlichen „Backlash“ führen.

Von der Alternative einfach über höhere Inflation den ELB aufzulösen hält Citi wenig, da über diesen Weg die Wurzel des Übels nicht beseitigt, sondern nur künstlich umgangen wird:

Perhaps the most important reason to reject the view that a higher target inflation rate would be a superior alternative to removing the ELB is that it does not actually do so: after all, changing the target is not the same as having an instrument to achieve that target.

Dankbarerweise widmet der Research dem deutschen Sparer fast eine ganze Seite an Aufmerksamkeit, da von dieser Seite großer Unmut und „Howls of Horror“ antizipiert wird.

Die Bedenken werden jedoch leider nur höflich belächelt, da die deutsche Seite noch nicht verstanden hätte zwischen nominalen und realen Zinsen zu unterscheiden. Sowieso sei die Enteignung der Sparer ja kein Fehler, sondern genau so gewollt:

But it is important to highlight that discouraging saving (and encouraging spending) is not a bug of significantly negative interest rates, but a feature.

38 Kommentare

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  • Chronos
    Chronos

    Ihr macht es auch komplizierter als es sein muss.

    Vollgeld wird von kleinen Ländern (Irland/CH) vorgeschlagen
    und ist nichts anderes als die komplette Steuerung der Geldmenge über die ZB, nicht nur Münzen und Scheine.
    Sie soll das Buchgeld steuern. Erhöhte volkswirtschaftliche
    Beeinflussung der Wirtschaftszyklen. (man könnte ja auch an den Steuern
    "drehen", Steuer kommt eigentlich von steuern, aber wer will schon weniger
    Einnahmen?)

    Daraus wird eine Risikoverlagerung der Privatbanken, die sich
    mit ungesicherten/ungedeckten Krediten aufgebläht hatten.
    Buchgeld ist nicht voll gedeckt, nur über Grundbuch, das nützt
    nur nichts wenn der Gläubiger zahlungsunfähig ist.
    Entweder wird Risiko sozialisiert oder verstaatlicht, meist beides.

    Es soll nur Risiko verschoben werden.

    Die EZB schafft QE um die privaten Banken zu sanieren.
    Damit steigt für alle das Risiko, nichts weiter.
    Die Politik die mehr Einflussnahme verlangt, braucht das
    um den Schuldenberg nicht weiter wachsen zu lassen.

    Die Zentralbanken haben jetzt mEn schon zuviel Macht, sie wollen mehr, siehe FED & EZB

    Paradox, das gerade diejenigen die über Draghi schimpfen Befürworter des Vollgeldes sind.

    Entwertungen passieren anders, nicht rein über Inflation.

    1) Kaufkraftverlust (Qualität, Lebenszeit, geplante Obsolenz)
    2) Abgaben (Gebühren, Haltekosten, Time-Delay, Versicherungen)
    3) Steuer (teilweise in Vorkasse)

    Leidtragende sind Pensionsfonds (Jetzt) und in Zukunft die Jugend.
    Anleihen-Markt ist Großkapital, davon hat kein Arbeiter, Rentner oder Normalbürger etwas.

    Wir haben eigentliche Staatskrisen, keine Wirtschaftskrisen. Finanzkrise war 2008

    Gut einer muss Schuld sein, dann halt wieder die Wirtschaft.

    Es geht um den Abbau von Wohlstand, anders lassen sich die Verwaltungsapparate
    (gerade die Kontrollorgane und das Militär/NATO) nicht mehr finanzieren.

    19:51 Uhr, 13.04.2015
  • Bradley
    Bradley

    Ich kann dazu nur sagen, nicht schreiben sondern handeln, jeder der es sich leisten kann sollte mindestens 50% von seinem "Bankguthaben" abheben und in seinen eigenen Tresor lagern. Dies wäre ein sinnvoller Weg den wahnsinnigen Notenbankern und Politikern die Stirn zu bieten.

    16:16 Uhr, 13.04.2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Unser Geldwesen ist krank - unheilbar krank.

    http://www.misesde.org/?p=9759

    12:47 Uhr, 13.04.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Der Raubtiersozialismus nimmt in seinem Endstadium noch mal so richtig Fahrt auf. Anders kann ich diese Reinkarnation von Silvio Gesell nicht interpretieren, denn für diese Schwundgeldanhänger sind offensichtlich die Millionen Sparer, die meinen, dass wenn man sich etwas nicht sofort leisten kann, man dafür Verzicht üben müsse, also sparen muss, eine Spezies die ausgerottet werden soll indem man sie über negativen Zins enteignet.

    Wenn dann am Ende die Enteigneten vor ihrem Trümmerhaufen stehen und wieder die Wirtschaft in Schutt und Asche liegt, wird dann wieder behauptet, dass es am Kapitalismus liegt und der Sozialismus mit seiner Enteignung grundsätzlich gut sei, nur wieder mal nicht richtig umgesetzt worden sei.

    12:19 Uhr, 13.04.2015
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    in einem Punkt muss man den Doomern wie Hr Hoose, Voigt und Weiss (USA) recht geben. Bevor der über Zins und Zinseszins hervorgerufene Verschuldungs GAU kommt, werden sich die Regierungen verrückte Sachen einfallen lassen, um das unvermeidliche Ende hinauszuzögern. Bargeldabschaffung ist eine neue Variante. Früher waren es ja Zwangsanleihen und Sondersteuern auf Immos etc.

    Bin mal gespannt wie das ausgeht, aber es ist eben, wie Herr Kühn richtig schreibt, nicht die erste offizielle, die dieses Mittel empfiehlt. Von daher scheinen die Jungs im Hintergrund ja schon verzweifelt zu rechnen. Im Wissen, dass solche Studien natürlich die Runde machen. werden analog der negaivzinsen in Spanien und Autralien auf Spareinlagen also mal ein paar Testballons loslassen und schauen wie viele sich aufregen. Kennt man ja von der Maut und anderen Dingen.

    Bis zur Umsetzung sollte es jedoch auch noch ne Weile dauern. Voraussetzung ist nämlich, dass jeder ein Konto hat. Dies ist aber nicht der Fall. Leute in Privatinsolventz und andere ohne regelmäßigen Zahlungseingang bekommen derzeit gar kein Konto. Dazu müsste erst mal ein Gesetz geschaffen werden, dass jeder ein Konto zu besitzen hat. Also keine Panik, das dauert noch ein wenig. Die entwicklung sollte jedoch nachdenklich machen. Von Testballons bis Umsetzung vergehen oft nur 2-3 Jahre. Das ist nicht so weit hin. Sollte aber bereits während der Fußballweltmeisterschaft oder später Olympia (gern gewählte Zeitpunkte) so ein Gesetz geschaffen werden, dann muss man wohl verdammt unruhig werden.

    AUFREGEN wird sich deswegen nur eine ganz kleine Minderheit, die begreift, welche katastrophalen Folgen das hat. -> Totale Kontrolle und mittelfristig komplette Entwertung der Vermögen sollte das Ziel sein. Immerhin sind die Guthaben in Europa so hoch wie die Schulden. da kann man leicht etwas gerade rücken...

    Also wird, wenn erstmal intern beschlossen, das Thema kommen und eiskalt durchgedrückt werden. Wenn man dem entgehen will, kann man nur vorab in andere Währungen oder Assets umtauschen oder auswandern. Muss man wissen, ob man das wirklich will.

    11:43 Uhr, 13.04.2015
  • bembes
    bembes

    Sollte die Abschaafundes Bagrgeldes kommen, dann wird es hoffentlich einen Volksaufstand geben. Ich bin dabei !!!

    Eine Warnung an alle Politiker.......sie müssen wiedergewählt werden !!!

    10:45 Uhr, 13.04.2015
    2 Antworten anzeigen
  • Investor
    Investor

    Selbst wenn Bargeld abgeschafft würde, wäre dies kein Lösung. Bisher haben die niedrigen Zinsen weder in Japan, USA oder Europa Wachstum erzeugt. Auch wenn die Zinsen negativ wären, würde dies kein Wachstum erzeugen.

    Negative Zinsen in einer überalternden Gesellschaft führen dazu, daß alle ihre Schulden noch schneller tilgen wollen. Oft investieren die Menschen in ein Haus in ihren 30ern und zahlen dieses bis 55 ab. Gerade ist die baby boomer generaton dabei ihre Schulden zu tilgen und dies führt zu einer Bilanzrezession. Dagegen versuchen die ZB mit QE anzukämpfen und beschleunigen den Prozess noch, daß die meisten Kreditverträge inzwischen Sondertildungsclauseln enthalten.

    Gleichzeitig senken sich die Grenzkosten (http://www.finanzen.net/nachricht/private-finanzen...) durch neue Technologien und erfordern weniger Neukredite.

    Sinnvoller wäre es die Bilanzregeln zu ändern, um dieser Gegenheit Rechnung zu tragen. Wenn Banken keine Kredite mehr in die Bilanz ausnehmen würden, sondern nur die Zinserträge, würde auch das Thema Bilanzrezession an Bedeutung verlieren.

    10:27 Uhr, 13.04.2015
    1 Antwort anzeigen
  • P_44
    P_44

    Wie soll denn das funktionieren? Welches Bargeld wird denn zuerst abgeschafft? Der Euro, der Dollar oder der Franken? Und wer oder was genau sollte einen daran hindern, in einer anderen Währung bar zu zahlen? ... Wir hätten dann Zustände wie in Nordkorea. Dort kann man wahlweise in Euro, Dollar, Renminbi oder Yen zahlen. Das Wechselgeld ist nicht immer in passender Menge oder Währung vorhanden.

    10:12 Uhr, 13.04.2015

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Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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