Nicht nur die COVID-Impfstoffe sorgen für Disruption in der Pharmaindustrie
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„Immer mehr COVID-Impfstoffe kommen auf den Markt. Obwohl sie bei der Bekämpfung der Pandemie äußerst hilfreich sein werden, denken wir, dass die positiven Auswirkungen auf die Pharmaindustrie weniger spannend sein werden. Mehr als 200 Impfstoffprodukte befinden sich in der Entwicklungsphase und werden im Laufe der nächsten 18 Monate zugelassen werden. Der faire Wettbewerb in diesem Bereich wird Druck auf die Preise ausüben, so dass die von den Regierungen gezahlten Kosten sinken werden. Gleichzeitig werden die Herstellungskosten aber nicht wesentlich sinken, was die Gewinnspannen verringern wird.
Aus Investorensicht wird die Performance wohl eher nicht von den Pharmafirmen kommen, die die Impfstoffe entwickeln. Stattdessen sind es die Life-Science-Unternehmen, die die Bestandteile der Medikamente herstellen - eine überschaubare Gruppe von 4-5 großen Firmen mit hohen Eintrittsbarrieren. Da die Kosten für diese Waren im Verhältnis zum Impfstoffpreis so gering sind, werden sie nicht stark verhandelt. Und diese Unternehmen verkaufen an jedermann. Sie sind also nicht an einen einzigen Käufer oder an einen bestimmten Impfstoff gebunden.
Die anderen potenziellen Nutznießer sind Unternehmen, die medizinische Geräte wie Herzschrittmacher oder orthopädische Implantate verkaufen. Dieses Marktsegment hat gelitten, weil 2020 viele Patienten aus Angst vor COVID-19 bestimmte Behandlungen verzögerten. Hier gibt es einen großen Nachholbedarf, der 2021 und 2022 gedeckt werden könnte.
Spannende Innovationen treiben langfristiges Wachstum
Für Investoren sind einige Themen und Teilbranchen besonders attraktiv. Im Bereich Medikamente werden gentherapeutische Produkte die größte Disruption in der Branche hervorbringen. Einige dieser Medikamente werden zum allerersten Mal zugelassen und sind einigermaßen sicher. Sie beginnen bei seltenen Krankheiten wie Hämophilie, können aber auch für häufigere Krankheiten wie Typ-1-Diabetes eingesetzt werden. Das Ziel der Gentherapie ist es, die Krankheit tatsächlich zu heilen – im Gegensatz zum traditionellen pharmazeutischen Ansatz, bei dem man jeden Tag für den Rest seines Lebens Medikamente einnimmt, nur um die Symptome zu lindern. Diese Technologie wird gerade validiert, die Anwendungen könnten erfolgreich sein.
Das zweite Thema ist die Präzisionsdiagnostik. Das spannendste Beispiel ist die Liquid Biopsy, also die flüssige Biopsie. Es handelt sich dabei um eine einfache, nicht-invasive Untersuchung, die jedes Jahr durchgeführt werden könnte, genau wie Bluttests für Cholesterin. Sie könnte Krebs entdecken, noch bevor er sich zu einem Tumor entwickelt hat. Damit wäre die Heilungsquote viel höher als normalerweise. Mehrere Unternehmen verfügen über Programme, die kurzfristig entwickelt und getestet werden sollen. Die Technologie wird gerade validiert.
Die dritte fundamentale Entwicklung betrifft die Patienten-Fernüberwachung (Remote Patient Monitoring, RPM): Biosensoren für Elektrokardiogramme, Blutzucker, Sauerstoffgehalt und vieles mehr, die von zu Hause aus genutzt werden können. Dabei werden die Daten in die Cloud hochgeladen und von Ärztinnen und Ärzten aus der Ferne überprüft. Diese Sensoren befanden sich bereits in der Entwicklung, gewinnen nun aber durch COVID stark an Zugkraft. Die Pandemie hat gezeigt, dass wir diese Sensoren wirklich benötigen. Die Fernüberwachung kann dazu beitragen, viele Krankheiten zu erkennen, bevor sie sich verschlimmern, die Kosten für die chronische Pflege zu senken und benötigte Betten im Krankenhaus freizumachen.
Nicht zuletzt sollten Investoren einen Blick auf die Robotik werfen. Gegenwärtig werden 5 % der Operationen weltweit von Robotern durchgeführt, es wären bis zu 50 % möglich. Operationen könnten quasi über den Äther durchgeführt werden: Ein Patient in London könnte von einem herausragenden Chirurgen aus Paris mittels eines Roboters operiert werden. Neben vielen anderen positiven Eigenschaften könnte die Robotik die Karrieren von alternden, erfahrenen Chirurgen und Chirurginnen verlängern.
Was die US-Wahlen für große Pharmaunternehmen bedeuten
Oberflächlich betrachtet klingt das Ergebnis der US-Wahlen wie eine gute Nachricht für die Pharmaindustrie. Eine quasi geteilte Regierung mit einem demokratischen Repräsentantenhaus und einem republikanischen Senat bedeutet, dass keine großen Regulierungsvorschriften eingeführt werden. Dadurch wird der Druck auf Arzneimittelkosten und die Gewinnmargen für die Industrie begrenzt. Wenn der Senat nach den Stichwahlen aber 50:50 aufgeteilt wird, hätte die Vizepräsidentin die eine entscheidende Stimme, so dass wohl beide Kammern von den Demokraten kontrolliert würden. Dennoch meinen wir, dass der Spielraum der Demokraten selbst unter diesen Umständen gering wäre und keine großen Änderungen bei den Arzneimittelvorschriften kommen würden.
Die Zukunft der Gesundheitsbranche
Bei all diesen Treibern im Gesundheitswesen und in der pharmazeutischen Industrie handelt es sich um langfristige, disruptive Trends, die das Wachstum in den nächsten fünf bis zehn Jahren und vielleicht noch länger vorantreiben könnten.
Kurz- und mittelfristig gesehen ist unser Ausblick für 2021 positiv, wobei sich für Investoren im Arzneimittelsektor und in Unternehmen der Biowissenschaften und Medizinprodukte in mehreren Bereichen besondere Chancen bieten. Wir werden jedoch die Ergebnisse der US-Stichwahlen Anfang 2021 abwarten müssen, bevor wir eine gewisse Unsicherheit aus der Gleichung streichen können.“
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