Mysterium Inflationserwartungen: Wer hat Recht?
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Erwähnte Instrumente
Würde die Fed den Erwartungen der Spekulanten Glauben schenken, dann wäre eine Zinserhöhung für die nächsten Jahre ohne Wenn und Aber vom Tisch. Trotzdem weigert sich die Fed beharrlich, ihrem Plan von einem Einstieg in den Ausstieg der lockeren Geldpolitik den Rücken zu kehren. Wie begründet sie diese Haltung?
Der Blick ins FOMC Statement ist aufschlussreich:
„Inflation has declined further below the Committee’s longer-run objective, largely reflecting declines in energy prices. Market-based measures of inflation compensation have declined substantially in recent months; survey-based measures of longer-term inflation expectations have remained stable.“
Die Fed spielt offensichtlich die Bedeutung der marktbasierten Inflationseinschätzungen (wie zum Beispiel der Breakeven-Rate) herunter, indem sie ihr die Fähigkeit die Inflationserwartungen korrekt zum Ausdruck zu bringen abspricht. Diese Art der Berechnungen spiegelten "nur" eine Kompensation und nicht mehr eine Erwartung wieder.
Rein technisch gesehen ist diese Festsellung korrekt, aber wo liegt der genaue Unterschied dieser Haarspalterei?
Die Funktionsweise der Breakeven-Rate
Gehen wir ins Detail der Funktionsweise der Breakeven-Rate, welche ein beliebtes Instrument zur Messung der erwarteten durchschnittlichen Inflation über einen bestimmten Zeitraum (üblicherweise 5 oder 10 Jahre) ist.
Um die Breakeven-Rate zu ermitteln, subtrahiert man die Zinsen einer inflationsindexierten Anleihe (TIPS - Treasury Inflation-Protected Securities) von einem konventionellen Bond mit der gleichen Laufzeit.
Der Kupon eines TIP-Papiers spiegelt, im Gegensatz zum Kupon einer normalen Anleihe nur die Realrendite wieder. Die Entschädigung für die erwartete Inflation findet über die Nominale statt, welche an die tatsächliche Preissteigerung gekoppelt ist.
Durch diese Eigenschaft der TIPS ist man in der Lage, den Inflationsaufschlag einer herkömmlichen Anleihe sichtbar zu machen, bzw. die Inflationskompensation zu ermitteln.
Warum ist diese Kompensation nun nicht mit der Inflationserwartung gleichzusetzen? Der Unterschied liegt im Detail.
Das Inflationsrisiko
Geldgeber wollen beim Kauf einer (normalen) Anleihe nicht nur für die erwartete Inflation entschädigt werden, sondern verlangen auch einen kleinen Aufschlag für das Risiko, dass ihre Einschätzung bezüglich der zukünftigen Preisentwicklung stark daneben liegt.
Um von der Inflationskompensation (Zinsen Anleihe – Zinsen TIPS) die tatsächliche Inflationserwartung zu extrahieren, muss also theoretisch noch dieses Inflationsrisiko in Betracht gezogen werden.
Theoretisch könnte nämlich die Inflationskompensation allein auch aus dem Grund sinken, weil Investoren nicht mehr mit einer dramatischen Inflationsrisiko rechnen, und auf diesen Aufschlag verzichten. Janet Yellen hat jüngst genau auf diese Möglichkeit verwiesen:
„The gap between the nominal yields on 10-year Treasuries, for example, and TIPS have declined—that’s inflation compensation. And five-year, five-year-forwards, as you’ve said, have also declined. That could reflect a change in inflation expectations, but it could also reflect changes in assessment of inflation risks.“
Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum die Inflationskompensation sinken kann, ohne dass sich die Erwartungen verändernd.
Der Liquiditätsaufschlag
Ganz streng genommen fordern TIPS-Käufer als Kupon nicht nur die Realrendite, sondern auch einen Aufschlag für die im Vergleich zum Anleihenmarkt viel geringere Liquidität eines solchen Papiers, da TIPS aufgrund der relativ kleinen Größe des Marktes im Gegensatz zu Treasuries nicht unbedingt jederzeit verkäuflich sind.
Die Inflationskompensation kann sich also auch nur allein deshalb verkleinern, weil sich Investoren Sorgen um die zukünftige Liquidität der Papiere machen. Bedeutet: Wenn viele Käufer den Markt für TIPS leer saugen und damit den Float reduzieren, könnte die Breakeven-Rate abnehmen, ohne dass sich die Inflationserwartungen real ändern. Janet Yellen hat diesen Liquiditätseffekt, ausgelöst durch ausländische Spekulanten in der Vergangenheit ebenfalls thematisiert.
Resumee
Die Fed hat Recht – Inflationskompensation ist nicht gleichzusetzen mit den tatsächlichen Inflationserwartungen.
Ich habe trotzdem große Problem mit dieser Argumentationsweise, welche das Ziel hat, die marktbasierten Einschätzungen zu diskreditieren.
Erstens: Die Mechanik der Breakeven-Rate war schon immer die gleiche, und US-Anleihen hatten schon immer den Charakter eines „Safe-Haven-Assets“. Es ist für mich unverständlich, warum die Fed gerade jetzt anfängt auf das Inflationsrisiko, sowie die Liquiditätsprämie zu verweisen
Ich will an dieser Stelle auch daran erinnern, dass Bernanke noch 2007 trotz all der oben beschriebenen Limitierungen auf die Wichtigkeit der marktbasierten Einschätzungen verwiesen hatte:
„The staff also looks at measures derived from comparing yields on nominal and inflation-indexed Treasury securities (the breakeven inflation rate). Measures of inflation compensation derived from the market for inflation-indexed securities are influenced by changes in inflation risk premiums and liquidity premiums, and analyses are constrained by the fact that these markets have been operating in the United States for only a relatively short period. Nevertheless, unlike survey measures, breakeven inflation rates are determined in a market in which investors back their views with real money. Moreover, breakeven measures of inflation expectations provide information on the expectations of a different group of agents--financial-market participants--which can be compared with the views of economists and consumers as represented by surveys.“
Im Übrigen wird diese Meinung von Bernanke durch Fed-Studien, welche der Breakeven-Rate sehr wohl Voraussagekraft zuschreiben, untermauert.
Zweitens: Wenn der Markt nicht recht hat, wer hat dann Recht? Die umfragebasierten Einschätzungen innerhalb der Fed? James Bullard von der St. Louis Fed hat dazu erst kürzlich eine sehr interessante Rede gehalten , welche diese Sichtweise zumindest in starke Zweifel zieht und die eines gesonderten Beitrags würdig wäre.
Meiner ganz persönliche und inoffizielle Meinung zu der inkonsistenten Argumentationsweise der Fed ist, dass man die Deflationsgefahr wohl erkennt, aber noch keinen Handlungsbedarf sieht.
Sollte der S&P 500 jedoch in der Größenordnung von 10% abtauche, dann wird die Breakeven-Rate möglicherweise sehr schnell zum Thema, aber bis dahin hält man das Pulver lieber trocken.
Passende Produkte
WKN | Long/Short | KO | Hebel | Laufzeit | Bid | Ask |
---|
@Simon Hauser,
sehr guter Artikel
Rein statistisch genügt es nicht, nur einen Mittelwert der Markterwartung zu bestimmen, es muß auch die Standardabweichung verwendet werden. Wie sagt schon Barnenke oben: "Moreover, breakeven measures of inflation expectations provide information on the expectations of a different group of agents--financial-market participants--which can be compared with the views of economists and consumers as represented by surveys".
Die Inflationserwartung ist der Mittelwert und aus der Umfrage bestimmt sich die Schwankungsbreite
Zu einer Beurteilung der FED Aussagen, fehlt uns die Schwankungsbreite der Daten.
Da der Markt momentan zwischen Deflation und Inflation schwankt, würde ich erwarten, daß die Schwankungsbreite deutlich zugenommen hat. Dies würde dann nahelegen, daß der inflationserwartende Teil eher inflationsindizierte Anleihen kauft und den deutlich engeren Markt austrocknet. Während der deflation erwartende Teil eher Anleihen kauft und weiter sinkende Inflation erwartet.
Ist das FED Ziel nicht 2% Inflation? Unter der Erwartung sie erreicht ihr Ziel, dann wäre es aus FED Sicht rational, daß die inflationsindizierten Anleihen Sinn machen und die Anleihekäufer verlangen eine zu geringe Risikoprämie.
Aber wird die FED ihr Ziel erreichen?