Korrekturpotenziale in Börsenkursen zur Ermittlung von Kurszielen
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Erwähnte Instrumente
Während meiner beruflichen Tätigkeit im Handel der Deutschen Bank arbeiteten wir im Team an diversen technischen Ansätzen, um Trends definieren zu können, aber auch um deren Qualität und deren Potenzial zu ermitteln. Unserer Erfahrung nach ist eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Komponente bei der Beurteilung eines Bewegungsimpulses, die Bewegungsdynamik, mit der dieser Prozess abläuft. Hier unterstellten wir zunächst die ganz einfache Annahme, dass ein Bewegungsimpuls mit hoher und weiter steigender Dynamik relativ stabil und damit „zuverlässiger“ ist als ein Bewegungsimpuls mit niedriger oder fallender Bewegungsdynamik. Somit ist die „Messung“ der Bewegungsdynamik aus markttechnischer Sicht unerlässlich.
In der Praxis gibt es verschiedene Methoden zur „Dynamikmessung“. Werden hierfür technische Indikatoren herangezogen, so konzentriert sich die Mehrheit der Marktteilnehmer wohl auf den Einsatz des so genannten ADX – Indikators, den heute fast jede kommerziell erwerbbare Chartsoftware ausweisen kann. Bei allen wirklich sinnvollen Vorteilen seines Einsatzes zur Messung der Bewegungsdynamik hat jedoch dieser Indikator (wenn er in seiner Standardeinstellung genutzt wird) den entscheidenden Nachteil, mit einer deutlichen Zeitverzögerung zu arbeiten. Somit wird im Grunde nie die augenblicklich wirklich vorliegende Bewegungsdynamik ausgewiesen, sondern man erhält eigentlich historische Daten. Unter strategischen Gesichtspunkten, mag dies ausreichend sein, da man hier eine zufriedenstellende Indikation zur Dynamik erhält. Im kurzfristigen Zeitfenster nützt der ADX-Indikator streng genommen wenig bis gar nicht.
In der Konsequenz griffen wir bei der taktischen/kurzfristig relevanten Bewertung der Bewegungsdynamik auf den Kursverlauf direkt zurück. Dadurch erhielten wir zeitnahe, nicht über mathematisch geglättete Berechnungen verzögerte Indikationen. Dabei bevorzugten wir das Messen und Beurteilen des Ausmaßes von Gegenbewegungen innerhalb eines übergeordneten Bewegungsimpulses.
Bewegungstendenzen (so genannte Trends) verlaufen in der Regel nicht wie Einbahnstraßen, sondern sind von Korrekturen bzw. Reaktionen unterbrochen. Die Frage, welche sich stellt lautet:
Können wir anhand einer Reaktion bereits erkennen, ob ein übergeordneter Impuls an Kraft verliert? Wenn ja, ergibt sich gleich die zweite Frage nach: ist das Ausmaß einer jeden Reaktion im Bezug auf ihren bereits zurückgelegten Weg innerhalb des laufenden Trends zufällig oder gibt es bevorzugte „Reaktionsausmaße“, mit denen die völlig normalen Gegenbewegungen ablaufen?
Bewertung der Bewegungsdynamik über Korrekturpotenziale
Zur Beantwortung der ersten Frage unterstellen wir, dass an Hand des Ausmaßes und der Zeitfolge, wie eine Reaktion/Korrektur abläuft, durchaus eine Indikation herleitbar ist, ob eine Impulsbewegung an Kraft verliert (und damit möglicherweise dem Ende entgegen geht) und ob eine Korrektur an Kraft gewinnt und damit den Bestand des Impulstrends in Frage zu stellen beginnt.
Als Faustregel könnte gelten: eine sehr dynamisch verlaufende Bewegung sollte nur ein geringes Korrekturausmaß zulassen und somit noch eine vergleichsweise hohe Zuverlässigkeit aufweisen. Fällt eine Reaktion von ihrem Ausmaß her jedoch zunehmend ausgeprägter aus und nimmt unter Umständen auch an Heftigkeit ihres Ablaufs zu, läge eine zeitnahe Indikation dafür vor, dass die „Gegenseite“ im Markt an Kraft gewinnt.
Zur Beantwortung der zweiten Frage halten wir fest: statistische Untersuchungen von Reaktionen des Kursverlaufes von Aktien, festverzinslichen Wertpapieren, Rohstoffen und Währungen innerhalb übergeordneter Impulsbewegungen zeigen, dass diese im Grunde schon in einem zufälligen Ausmaß verlaufen.
Aber, es fällt dennoch auf, dass es Häufungen in ihrem jeweiligen Ausmaß gibt, somit hält sich die „Zufälligkeit“ in Grenzen. Würde man alle Reaktionen über einen ausreichend langen Zeitraum prozentual gegenüber ihrem vorangegangenen Bewegungsschub ausmessen und dies auf einer Skalierung abtragen, findet man drei Niveaus, bei denen sich die erfolgten Reaktionsausmaße „häufen“. Erstaunlicherweise kommen diese Häufungen tatsächlich den so genannten Fibonacci-Retracements ziemlich nahe. Diese Retracements basieren auf Verhältnisberechnungen aus der Fibonacci-Zahlenreihe und belaufen sich auf 38.2 Prozent und 61.8 Prozent.
Die Praxis zeigt, drei Häufungen von Korrekturausmaßen: bezogen auf den vorangegangenen Bewegungsschub korrigieren Kurse bevorzugt in einer Spanne
- um 33 bis 38 Prozent,
- um etwa 50 Prozent (entspricht keinem Fibonacci-Retracement) bzw.
- um 62 bis 66 Prozent.
Ein Vergleich mit den klassischen Fibonacci-Retracements zeigt, dass die „tatsächlichen“ Häufungen den klassischen Retracements recht nahe kommen.
Kommen wir nun auf unsere Ausgangsüberlegung zurück. Wir unterstellen, dass Bewegungsimpulse mit hoher Dynamik recht stabil verlaufen (d.h. es werden nur geringe Korrekturen innerhalb des Trendverlaufes erfolgen), dagegen Bewegungsschübe mit niedriger Bewegungsdynamik vergleichsweise instabil sind. Können wir eine hohe Dynamik messen und folglich auf eine akzeptable Zuverlässigkeit schließen, könnte man (1) in Trendrichtung positioniert bleiben, bzw. (2) sich in Trendrichtung neu positionieren. Korrigiert dagegen ein Kurs innerhalb seines Trends stark, signalisiert dies eine nachlassende bzw. bereits fehlende Bewegungsdynamik in Trendrichtung und somit das gesteigerte Risiko eines nachhaltigen Impulswechsels.
Um diese Überlegung zu überprüfen, führten wir sehr umfangreiche statistische Tests auf der Datenhistorie des DAX durch.
Die zu bewertende Frage diesbezüglich wurde wie folgt formuliert: kommt es nur zu einer Korrektur bis höchstens in die Spanne von 33 bis 38 Prozent (Minimumkorrektur) hinein, - bezogen auf das Ausmaß des vorangegangenen Bewegungsschubes, - wie oft konnte der DAX nach Abschluss der Korrektur seinen ursprünglichen Trend wieder aufnehmen?
Die gleiche Frage stellte sich bei einem Korrekturausmaß von 50 Prozent (Normalkorrektur) und bei einer Korrektur bis höchstens in die Spanne von 62 bis 66 Prozent (Maximumkorrektur).
Sollte unsere Annahme stimmen, würde das bedeuten, dass Trends, die jeweils nur um ihr minimales Potenzial korrigieren, als „stabil“ bezeichnet werden müssten, maximale Korrekturen dagegen auf „instabile“ Trends hinweisen.
Ergebnisse der Auswertung für den DAX
Als Systematik wurde bestimmt: korrigierte ein Trend höchstens nur um das minimale Korrekturpotenzial, bezogen auf den vorangegangenen Bewegungsschub (und hierbei zählte jede Korrektur bis zu 38 Prozent), und überstieg der Kurs nach Abschluss der Korrektur das Hoch/Tief des zugrunde liegenden Trends sogar nur um einen Punkt, galt die Bedingung als erfüllt. Die gleiche Messung führten wir für alle „Normalkorrekturen“ durch, hier zählten wir alle Korrekturen von 38,1 bis 50 Prozent. Bei den Maximumkorrekturen zählten wir alle Reaktionen von 50,1 bis 66 Prozent.
Das Ergebnis war im DAX wie folgt: korrigierte ein Bewegungsimpuls nur um sein minimales Korrekturpotenzial, lag die Trefferquote für eine Wiederaufnahme des Trends bei etwa 65 bis 67 Prozent. Das heißt, in 65 bis 67 Prozent der Fälle, konnte der Kurs nach Vollendung der Minimumkorrektur den Trend fortsetzen, d.h. das Hoch/Tief des zugrunde liegenden Trends wurde um mindestens einen Punkt über- /unterschritten.
Bei einer Normalkorrektur lag die Trefferquote in den letzten Jahren nur bei etwa 50 Prozent, bei einer Maximumkorektur lag diese bei etwas über 37 Prozent, somit im Bereich des Zufalls.
Das bedeutet ganz konkret: korrigiert der DAX nur minimal, gehen wir von einer hohen / steigenden Bewegungsdynamik im kurzfristigen Zeitfenster aus, ungeachtet des ADX-Indikators. In diesem Falle unterstellen wir demnach, dass die Chancen vergleichsweise hoch sind, dass der DAX nach Abschluss der Korrektur seine vorangegangene Bewegungsrichtung wieder aufnimmt. Bei einer Normalkorrektur hält sich die Chance der Trendfortsetzung bzw. der Ausbildung einer Konsolidierungszone die Waage, im Falle einer Maximumkorrektur ist ein Trendwechsel (Trendsterben) sehr wahrscheinlich.
An dieser Stelle ein Hinweis auf mein bald stattfindes Online-Seminar: Börsenchaos – Sind Aktienmärkte prognostizierbar?
Uwe Wagner
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Ich denke, es ist einfacher mit dem Trend zu traden als gegen den Trend, da das fehlerkorrigierend wirken kann.
Interessant. In welchen Zeiteinheit wurden die Auswertungen vorgenommen, 1 Min- oder 5 Min-Chart?